Grundschulen fehlen männliche Lehrer – in Bremen können sie jetzt welche mieten

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BREMEN. Viele Schüler erleben bis zum Ende der vierten Klasse männliche Lehrer allenfalls als Bekannte ihrer Eltern. An Grundschulen beträgt ihr Anteil gerade einmal etwas mehr als 10 Prozent. Kein Wunder, das viele Grundschulen ganz ohne Männer dastehen. Das Bremer Projekt «Rent a Teacherman» schickt daher männliche Lehramtsstudenten an Grundschulen.

Kristian Bunte ist eine Ausnahme: Er arbeitet als Lehrer an einer Grundschule in Bremen und ist damit der einzige Mann im Kollegium. Ein Einzelfall ist der 29-Jährige jedoch nicht. An vielen deutschen Grundschulen sind Männer selten. So waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Schuljahr 2015/2016 unter den rund 105 000 Vollzeit-Lehrkräften an Grundschulen gerade mal 17 300 Männer. Das bundesweit einmalige Projekt «Rent a Teacherman» der Universität Bremen soll das ändern. Es «vermietet» seit fünf Jahren sozusagen Lehramtsstudenten an männerlose Grundschulen.

Allein unter Frauen. Das verunsichere viele Männer und halte Sie vom Grundschullehramt ab, meint Bildungsforscher Klaus Hurrelmann. Foto Bestoflove69 / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)
Allein unter Frauen. Das verunsichere viele Männer und halte Sie vom Grundschullehramt ab, meint Bildungsforscher Klaus Hurrelmann. Foto Bestoflove69 / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Die Idee dazu hatte der Erziehungswissenschaftler Christoph Fantini. Viele Kinder würden in der Kita und der Grundschule nicht auf einen einzigen Mann treffen. «Dadurch entstehen sehr stereotype Bilder in ihren Köpfen: Männer sind stark und machen was mit Maschinen. Frauen sind schlau. Deshalb können sie studieren und Lehrerin werden», sagt Fantini.

An 10 der 17 Bremer Grundschulen ohne männliche Lehrkraft sind seine Studenten im Einsatz. Manche Schulen mussten dafür erst noch eine Herrentoilette einrichten. Die Studenten leiten Sport- oder Theater-AGs, unterstützen die Lehrerinnen und übernehmen den Sexualkundeunterricht für die Jungen. Sobald sie ihren Bachelor haben, dürfen sie an zwei Tagen in der Woche auch alleine vor der Klasse stehen. Zwölf Lehramtsstudenten beschäftigt Fantini zurzeit. «Diese tauchen inzwischen auch auf Kollegiumsfotos auf», sagt Fantini.

Doch wieso wollen so wenig Männer Grundschullehrer werden? Die im Vergleich zu weiterführenden Schulen schlechtere Bezahlung und die geringeren Aufstiegschancen hält der Berliner Jugendforscher Klaus Hurrelmann für vorgeschoben. «Wenn ich mich als Mann entscheide, in den Beruf zu gehen, bin ich ein seltenes Exemplar.» Der Frauenanteil in den Kollegien steigt seit den 1980er Jahren und liegt heute bei 90 Prozent. Allein unter Frauen – das verunsichere Männer, sagt Hurrelmann. Außerdem schrecke sie die große Komplexität des Berufes und der enge Kontakt zu Menschen ab.

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Dass mehr Männer an den Grundschulen unterrichten sollten, findet auch Ilka Hoffmann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Das Bremer Projekt sieht sie dennoch kritisch. «Ich halte es für problematisch, dass männliche Studierende an Schulen unterrichten dürfen, weibliche dagegen nicht.» Außerdem greift ihr das Projekt zu kurz. «Es gibt nicht nur das Rollenvorbild Mann. Das Lehrerzimmer muss insgesamt bunter werden.» Dazu gehörten auch Lehrer mit ausländischen Wurzeln oder Behinderungen.

Auch andere Universitäten wollen mehr Männer für die Grundschulen begeistern. Die Uni Hamburg informiert zum Beispiel Schüler über die Arbeit von Grundschullehrern und vermittelt Praktika. An der Uni Hildesheim gibt es Workshops für Lehramtsstudenten, die für Geschlechterfragen sensibilisieren. «Angehende Lehrer sind Multiplikatoren», sagt Sabrina Zourelidis vom Gleichstellungsbüro. «Um die Stereotypen zu durchbrechen, setzen wir an der Ausbildung an.»

Nach Angaben Hurrelmanns gibt es bundesweit eine Reihe von Werbekampagnen, die junge Männer für Grundschulen gewinnen wollen. Doch kein Projekt sei vergleichbar mit dem in Bremen. «Es zeigt, dass es Spaß machen kann, als Mann in einem pädagogischen Bereich zu arbeiten.» Das Bremer Bildungsressort wertet das Projekt ebenfalls als Erfolg und will es weiterhin finanziell unterstützen.

Kristian Bunte arbeitete drei Jahre lang als «Teacherman». Seit Anfang dieses Schuljahres ist er Lehrer für Mathe und Naturwissenschaften an einer Grundschule im Bremer Norden. «Ich habe das Gefühl, dass Jungen schneller den Kontakt zu mir suchen. Deshalb habe ich gleich einen Draht zu denen.» Auch deshalb sind männliche Lehrkräfte nach Ansicht von Fantini so wichtig. Sie sind nicht nur Rollenvorbilder für die Jungen, sondern auch Vertrauenspersonen – mit denen sie über Sexualität sprechen können oder durch die sie sich auf Klassenfahrten aufgehoben fühlen. (Irena Güttel, dpa)

Jetzt ist es (quasi) amtlich: Lehrer ist ein Frauenberuf! Die letzte Männerbastion – das Gymnasium – ist gefallen

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2 Kommentare
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sofawolf
6 Jahre zuvor

Bremer Projekt «Rent a Teacherman» ???

Auf Deutsch hätte es ja auch niemand verstanden. Oder der Schwachsinn klänge nicht so cool?

sofawolf
6 Jahre zuvor

ZITAT: „Die im Vergleich zu weiterführenden Schulen schlechtere Bezahlung und die geringeren Aufstiegschancen hält der Berliner Jugendforscher Klaus Hurrelmann für vorgeschoben. «Wenn ich mich als Mann entscheide, in den Beruf zu gehen, bin ich ein seltenes Exemplar.» Der Frauenanteil in den Kollegien steigt seit den 1980er Jahren und liegt heute bei 90 Prozent. Allein unter Frauen – das verunsichere Männer, sagt Hurrelmann. Außerdem schrecke sie die große Komplexität des Berufes und der enge Kontakt zu Menschen ab.“

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