Niedersachsens Groko kommt und mit ihr womöglich ein neuer Feiertag

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HANNOVER. Die Einführung eines neuen Feiertages dürfte zu den spektakulärsten Vorhaben im Koalitionsvertrag von SPD und CDU in Niedersachsen gehören. Nach nur zweiwöchigen Verhandlung haben sich beide Parteien auf eine neue Regierung verständigt. Die Bildungspolitik zeigt sich dabei von Kompromissen geprägt. Federführend bei deren Umsetzung wird der bisherige Staatssekretär Grant Hendrik Tonne (SPD), als neuer Kultusminister.

Niedersachsen wird künftig von einer großen Koalition regiert. Nach zwei Wochen Verhandlungen einigten sich SPD und CDU auf ihren Koalitionsvertrag. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach am Donnerstag von einem «Neustart in den Beziehungen» zwischen den beiden Parteien. Die künftige Opposition aus FDP und Grünen monierte, die große Koalition habe wenig Innovatives zu bieten, der Kitt des Bündnisses sei lediglich die Macht.

Niedersachsens designierter Kultusminister Grant Hendrik Tonne. Foto: Martina Nolte / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Niedersachsens designierter Kultusminister Grant Hendrik Tonne. Foto: Martina Nolte / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Stellvertreter von Ministerpräsident Weil und zugleich Minister für Wirtschaft, Arbeit und Digitales wird der CDU-Landeschef Bernd Althusmann. Entgegen seiner Ankündigungen im Wahlkampf, einen externen Experten in das Gremium schicken zu wollen, will Althusmann auch im VW-Aufsichtsrat sitzen.

Sowohl SPD als auch CDU stellen je fünf Minister im neuen Kabinett. Die angestrebte Frauenquote von 50 Prozent wurde verfehlt. Neben Weil gibt es im Kabinett sechs Männer und vier Frauen. Neuer Kultusminister wird Grant Hendrik Tonne, bisher parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion. Minister für Wissenschaft und Kultur wird der bisherige CDU-Fraktionsvorsitzende Björn Thümler.

Inhaltlich einigten sich die Delegationen der beiden Parteien darauf, die Kita-Gebühren in Niedersachsen ab August 2018 komplett abzuschaffen. Zudem sollen 1000 neue Lehrer eingestellt werden. Beim Thema Schullaufbahnempfehlung einigten sich beide Parteien auf einen Kompromiss: Künftig soll es sie dann geben, wenn die Eltern eines Schülers dieses wünschen.

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Auch beim strittigen Thema Inklusion kamen sich die beiden Seiten entgegen: In Zukunft sollen die Schulträger beantragen können, dass die Förderschule Lernen noch vier weitere Jahre weiterlaufen kann. «Wir haben uns große Mühe gegeben, dass am Ende ein Ergebnis steht, mit dem die Praktiker in der Schule zufrieden sind», sagte Weil. Die CDU konnte sich mit ihrer Forderung nach einer Pause bei der Inklusion nicht durchsetzen.

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Geplant ist auch die Einführung eines weiteren Feiertags. Welcher Tag das wird, soll in Gesprächen mit den Kirchen und der Wirtschaft festgelegt werden. «Wir wollen uns auch vergewissern, was das an Kosten für die Wirtschaft nach sich ziehen würde», sagte Althusmann. Ferner soll der Ausbau wichtiger Autobahnen und die Digitalisierung des Landes vorangebracht werden.

Die SPD will die Basis am Samstag bei einem Parteitag über den Koalitionsvertrag abstimmen lassen. Die CDU will ihr Votum auf einem kleinen Parteitag am Montag (20. November) abgeben. Mit der Wahl des neuen Regierungschefs und der Vereidigung des Kabinetts ist dann am kommenden Mittwoch zu rechnen. Die SPD war bei der Landtagswahl Mitte Oktober stärkste Kraft geworden, die oppositionelle CDU folgte dahinter.

Die Grünen kritisierten, die CDU sei mit zwei Versprechen in den Wahlkampf gezogen: Die Hälfte des Kabinetts sollte an Frauen gehen, der zweite Posten im VW-Aufsichtsrat nicht dem Wirtschaftsminister zugeordnet werden. «In beiden Dingen hat Bernd Althusmann nicht geliefert», sagte die Grünen-Fraktionschefin Anja Piel.

FDP-Landeschef Stefan Birkner kritisierte, die große Koalition bedeute vor allem ein großes «Weiter so». «Es gibt keinen Neustart bei der Inklusion, keinen Neustart bei Volkswagen und auch keinen Neustart in der Haushaltspolitik.» (dpa)

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xxx
6 Jahre zuvor

Was bringt eigentlich eine Schullaufbahnempfehlung, wenn die Eltern diese wünschen?
Und was passiert, wenn sie ausgestellt wird, entgegen der Erwartung der Eltern aber doch nicht Gymnasium drauf steht?
Können Gymnasien davon ausgehen, dass ein Kind ungeeignet ist, wenn es keine Empfehlung für das Gymnasium mitbringt?

Ich glaube, dieser Kompromiss erweist sich als Eigentor.

Palim
6 Jahre zuvor

Was nicht im Text steht:
Die Schullaufbahnempfehlung mit Trend, Anschreiben, Rücklauf, Empfehlung, Anschreiben, Rücklauf (alles natürlich personalisiert) wurde abgelöst durch 2 protokollierte Elterngespräche, wobei der Protokollbogen vorgegeben ist, die Individuellen Lernentwicklungsbögen und Förderpläne auf dem Tisch zu liegen haben und einbezogen werden müssen.
Zusätzlich können jetzt Eltern ein Empfehlungsschreiben wünschen?
Ein Zeugnis gibt es ohnehin.
… Entlastung der Lehrkräfte von Bürokratie? Wann?

Warum kann man anhand eines Notenzeugnisses einschließlich Bemerkungen zum Arbeits- wie auch zum Sozialverhalten (wohlgemerkt mit verpflichtenden Standardsätzen) nicht ableiten, für welche Schulform ein Schüler geeignet erscheint?

Und wenn man das nicht kann, warum reicht dann nicht ein einfacher Satz wie: „Aufgrund des dargestellten Lern- und Leistungsvermögens empfehlen wir den Besuch der Schulform XYZ.“ Der hätte sogar im Zeugnis selbst Platz und erfordert beim Erstellen eine einzige Eingabe. Fertig.

Hinzu kommt: Wenn die meisten SuS ohnehin auf eine IGS oder Oberschule wechseln, also eine Schulform mit vielen Bildungsabschlüssen (die sogar das Gymnasium anbietet und bewirbt… die Veranstaltung war vorgestern), und Transparenz und Durchlässigkeit groß geschrieben werden, warum ist dann ein Brief mit Laufbahnempfehlung angesichts freien Elternwillens so wichtig?

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Der freie Elternwille gehört eben abgeschafft oder zumindest eingeschränkt. Gerecht ist das gerade nicht: er begünstigt ohnehin die Bildungsbürger, ganz entgegen den offiziellen Verlautbarungen. Fördern will man doch gerade die anderen.
Bissige Randbemerkung: „Je mehr Lernentwicklungsbögen und Förderpläne, desto schlechter die Leistungen in vergleichenden Tests?“

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Die Frage ist da aber nach wie vor, welchen Anteil die Gene an der Schullaufbahnempfehlung haben. Meiner Meinung nach haben sie einen deutlich höheren Anteil als die Politik offiziell verlautbart. Ähnliche soziale Schichten verpaaren sich mit höherer Wahrscheinlichkeit untereinander.

sofawolf
6 Jahre zuvor

Meiner Meinung nach sollen die Eltern entscheiden. Ganz allein.

Sie dürfen natürlich ganz unverbindlich und formlos und protokolllos (weil ohne jegliche Relevanz) die Lehrer ihres Kindes, z.B. beim Elternsprechtag, befragen, was die denn meinen.

Die weiterführende Schule soll dann am Ende des Schuljahres entscheiden, also in der Regel das Gymnasium, wer bleiben darf und wer nicht (Zeugnisdurchschnitt + soziale Kompetenzen). Nicht, um den Gymnasien den schwarzen Peter zuzuschieben, sondern weil es einfacher und überzeugender ist, festzustellen, wer es nicht schafft, als vorherzusagen, wer es wahrscheinlich nicht schaffen wird.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

sofawolf: „Meiner Meinung nach sollen die Eltern entscheiden. Ganz allein.“

Ironischerweise gibt es Sport-Eliteschulen, auf die man nur mit einer rigorosen Aufnahmeprüfung kommt. Der Elternwille gilt da gar nichts. Für alle anderen Fächer wäre das natürlich „shocking“.

Und ich wiederhole noch mal, dass in manchen Koalitionsverträgen von rot/grün steht: „Jede Schule muss alle einmal aufgenommenen Schüler zu einem Abschluss führen.“
Sie tun so, als ob das „Abschulen“ keine Problem wäre. Aber es ist in das Visier der Schulreformer geraten. Den Gymnasien soll diese „Kompetenz“ qua Ministerial-verordnung weggenommen werden. Also was tun?

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Stimmt. Bei Sport meckert niemand über Eliteauslese. Man könnte ja bei der Fußball-WM 2030 auf eine Frauenquote, also gemischte Teams, und auf Totalinklusion setzen. Die Betreuung übernehmen dann Tanztrainer, weil die genauso wie Fußballtrainer Trainer sind.

Milch der frommen Denkungsart
6 Jahre zuvor

@sofawolf:

D‘ accord – nur müsste das Gros der Eltern dann von seiner Unkultur lassen, die Expertise (!) der Lehrer in den Wind zu schlagen bzw. a priori in Frage zu stellen.
Im Übrigen halte ich die wie auch immer gemessene Sozialkompetenz eines Schülers nicht für ein gymnasiales Übertrittskriterium.

sofawolf
6 Jahre zuvor

Aber ich meine, die Grundschullehrer sollen gar nichts mehr protokollieren und dokumentieren, wenn und zumal die Eltern eh alleine entscheiden. Sie können sich bei den Lehrern „ihres Vertrauens“ erkundigen, was die denn meinen, wenn sich unsicher sind (z.B. beim Elternsprechtag). Fertig.

Die Gymnasien nehmen die Kinder und testen sie 1 Schuljahr. Dann wird entschieden. Möglich wäre auch, dass die Gymnasien eine Aufnahmeprüfung durchführen bzw. eigene Aufnahmekriterien entwickeln (insgesamt oder je nach Schulprofi). Die entscheiden danach, wer kommen bzw. bleiben darf.

Jetzt hat man doch teilweise beides (GS gibt Empfehlung, Gym siebt aus oder schickt zurück). Dann kann man an dieser Stelle die GS-Lehrer wesentlich entlasen. Wenn es doch sowieso die Eltern entscheiden (und auch die Justiz wird entlastet und die Schulaufsichten, kurz alle – außer vielleicht die Gymnasien).

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Die Schulaufsicht muss den weiterführenden Schulen nur das Recht und die juristische Rückendeckung geben, nach Klasse 5 und 6 beliebig herumschieben zu dürfen. Allerdings müsste dann jede Schulform in Klasse 5 die monatelange „Ankommphase“ extrem verkürzen und den Schülern bzw. den Eltern gleich zeigen, wo der Hammer hängt. Ganz nebenbei könnten dann die Leher dann auch bei „den Kleinen“ zeigen, dass sie ihre Fächer mal studiert haben.

grundschullehrer
6 Jahre zuvor

Entweder entscheiden die Eltern, oder es gibt eine Laufbahnentscheidung der Grundschule oder des jeweiligen, angestrebten Gymnasiums. Man kann das ja dann von vorab durchgeführten Tests abhängig machen. Wenn die Eltern ohnehin alles entscheiden dürfen, dann bitte aber OHNE zusätzliches „Gedöns“ für die Lehrer – sprich Gespräche, Protokolle etc.