Skandal um Hochschule Ludwigsburg spitzt sich zu: Professor berichtet von unhaltbaren Zuständen

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STUTTGART. Rechtswidrig vergebene Leistungszulagen scheinen nach Darstellung eines Professors der Verwaltungshochschule Ludwigsburg nur die Spitze des Eisberges zu sein. Er zählt weitere Missstände auf, die die Abgeordneten im U-Ausschuss mehr als erstaunt zurücklassen.

Das Logo der Hochschule. Quelle: https://www.hs-ludwigsburg.de/
Das Logo der Hochschule. Quelle: https://www.hs-ludwigsburg.de/

Mit einem verzweifelten Appell hat sich ein Professor der Verwaltungshochschule Ludwigsburg an die baden-württembergische Landespolitik wegen zahlreicher Missstände an der Beamtenhochschule gewandt. «Wir schaffen das nicht – wer kann helfen?», sagte der 63-Jährige vor dem Untersuchungsausschuss zur Zulagenaffäre

Er sprach von Prüfungsmanipulationen, möglicher Untreue und mangelnder Wissenschaftlichkeit seiner Hochschule sowie von Verleumdungen gegen ihn. «Wenn ich versuche, etwas zu verändern, wird das relativ hart gekontert», berichtete er. Zwar werde keine Tasse Kaffee über seinem Hemd entleert. Aber: «Das ist alles feiner und subtiler.» Eine Kollegin bestätigte diese Einschätzung. In der Professorenschaft herrsche das Motto vor: «Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus», sagte die 49-jährige Professorin vor dem Landtagsgremium.

Der Professor sagte, es gebe einen Korpsgeist an der Hochschule, der kritische Kollegen wie ihn ausschließe. Der Finanzexperte hatte sich anders als etliche seiner Kollegen dagegen entschieden, die seit 2012 eröffnete Möglichkeit eines Wechsels in eine Besoldungsgruppe mit lukrativen Zulagen (W2) von rund 1500 Euro zu nutzen. Diese Kollegen hätten ungeachtet der schwammigen juristischen Grundlage argumentiert, man müsse mitnehmen, was man mitnehmen könne.

Die Oppositions-Obleute zeigten sich zum Teil schockiert angesichts der beschriebenen Missstände. Der SPD-Obmann Sascha Binder sagte: «Ich bin erschüttert, dass unter der Rechtsaufsicht der Ministerin (Theresia Bauer/Grüne) sich solche Zustände fortsetzen ohne ein Einschreiten.» FDP-Obmann Nico Weinmann resümierte mit Blick auf die längst bekannten und dennoch andauernden Vorgänge: «All das lässt kein gutes Licht auf das Ministerium fallen.» Die Opposition will vor allem das Krisenmanagement sowie mögliche Pflichtverletzungen von Wissenschaftsministerin Bauer beleuchten.

Ausschusschefin Sabine Kurtz (CDU) sagte: «Die Abgeordneten des Landtags können nicht beglückt sein, wenn sie solche Dinge hören.» Der Grünen-Obmann Thomas Hentschel nannte die Missstände hingegen «Nickeligkeiten» und die Bedenken des Professors an der Rechtmäßigkeit der Zulagen einen «gefühlten Zweifel».

Nach Worten des Professors hat auch der amtierende Rektor der Hochschule, Wolfgang Ernst, keines der Probleme angefasst. Grund sei, dass er befürchten müsse, wie die geschasste Ex-Rektorin Claudia Stöckle an internem Widerstand zu scheitern. Die in der Professorenschaft umstrittene damalige Rektorin Stöckle habe nach ihrem Amtsantritt 2012 versucht, die Dinge ins Lot zu bringen.

Dies hat Stöckle nach der Aussage der Hochschulprofessorin mit einem Kompromiss-Angebot versucht zu erreichen – aber erfolglos. «Die wollten das Vollpaket», sagte die ehemalige Dekanin mit Blick auf die Wechsler. «Das Unrechtsbewusstsein fehlt meiner Wahrnehmung nach bis heute.» Die abwartende Haltung des Wissenschaftsministerium sei ihr nicht verständlich. Sie habe wie weitere Unterzeichner einer Resolution zum Abstellen der Missstände vom März 2014 gehofft, dass das Ministerium reagiert – vergeblich. Die auch als Unternehmensberaterin tätige Professorin sagte: «Aus meiner Sicht sind die Hochschulen zu sehr sich selbst überlassen.»

Im Detail nannte ihr Professoren-Kollege folgende Kritikpunkte: Die Vorlesungen fänden nur vormittags statt – deshalb könne nicht von einer Hochschule, sondern eher von einer Schule die Rede sein. Folge: Es würden Räume angemietet, während am Nachmittag die Einrichtung leer stehe. Das könne ein Fall von Untreue sein.

Um etwaige Ungerechtigkeiten beim Bachelor- gegenüber dem Diplomabschluss auszugleichen, würden jedem Bachelor-Studenten eine Mindestzahl von fünf Punkten automatisch zugesprochen. Hinzu kämen ein Fall nachträglicher Verbesserung von Klausurnoten und ein schludriger Umgang mit den Abschlussarbeiten der Studenten. Ein Sprecher von Ministerin Bauer sagte zu der Mängelliste: «Zunächst müssen wir prüfen, ob das einen realen Hintergrund hat.»

Die Professorin sagte, sie und ihr Kollege gälten an der Hochschule als «Kollegenschweine». Nachdem ihre Aussage aus einer polizeilichen Vernehmung als Kopie an der Hochschule verteilt worden sei, habe sie eine Drohung erhalten, sie müsse sich nicht wundern, wenn sie ein Messer im Rücken hätte. Die derzeitige Stimmung in der Hochschule beschrieb sie als «Scheinruhe».

Ein weiterer Zeuge äußerte sich zum Kontakt zwischen einem Dutzend Professoren mit Interesse am Wechsel in die W-Besoldung und dem Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV). Dabei sei es um versorgungsrechtliche Fragen gegangen, erläuterte der LBV-Vertreter. Diese habe seine Behörde beantwortet. Aber zur Frage der prinzipiellen Gewährung der Leistungszulagen habe es keine Auskunft gegeben – wie es die Professoren aus der Antwort herausgelesen haben wollen.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Anklage wegen Untreue in besonders schwerem Fall gegen den ehemaligen Rektor und den ehemaligen Kanzler beziehungsweise wegen Beihilfe dazu gegen 13 Professoren erhoben. dpa

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Thomas Müller
5 Jahre zuvor

Dass dieses Thema kaum ein Echo in den sozialen Netzwerken oder Bewertungsportalen findet, lässt folgende Schlüsse zu:
1.Die Digitalisierung hat die Hochschule wohl noch nicht erreicht.
2. Die Medienkompetenz der dort Studierenden hat noch deutliches Potenzial nach oben.