Tagung will Lehrer für mögliche Radikalisierung von Schülern sensibilisieren – wirft aber auch die Frage auf: Wo sind dabei die Grenzen der Schule?

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WILHELMSDORF. Woran erkennt man als Lehrer, ob sich ein Jugendlicher radikalem Gedankengut zuwendet? Wie begegnet man dem Schüler in einem solchen Fall? Antworten auf solche Fragen soll eine Fachtagung liefern.

Mit solchen Merchandising-Produkten werden Jugendliche für islamistische Terrorgruppen geködert. Screenshot

Radikale Gruppen erreichen mit extremistischem Gedankengut auch Jugendliche – die Schulen kann das vor große Herausforderungen stellen. Mit Fachtagungen sollen Lehrer daher für Radikalisierungstendenzen sensibilisiert werden. Es gehe darum, Lehrkräfte dabei zu unterstützen, wie sie in einem solchen möglichen Prozess mit den Jugendlichen umgehen könnten, sagt Stefan Kluger vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Zudem sollten ihnen Ansprechpartner gegeben werden, an die sie sich wenden könnten.

In Wilhelmsdorf (Kreis Ravensburg) trafen sich am Dienstag rund 100 Lehrer von Schulen aus den Regierungsbezirken Tübingen und Freiburg zu Vorträgen und Workshops zum dem Thema. Ähnliche Veranstaltungen gibt es derzeit bundesweit – unterstützt vom Bundesministerium für Familie und Jugend. In den Vorträgen geht es beispielsweise um die Frage, wie man Gefährdungssignale erkennen könne, wie der Unterricht präventiv wirken könne – aber auch darum, wo die Grenze schulischer Zuständigkeit endet.

Experten: Sehnsucht nach Männlichkeit führt zu Radikalisierung – Lehrerbildung und Religionsunterricht wirken dagegen

Kernfrage sei dabei, aus welchen Motiven sich junge Menschen radikalisieren, beispielsweise aufgrund schlechter Bildungszugänge, sozialer und finanzieller Probleme bis hin zu eigenen Diskriminierungserfahrungen, wie es in einer Ankündigung einer Fachtagung der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe (DVJJ) am 10. Dezember in Münster heißt. „Selten sind sie bei einem Anschluss an extremistische Gruppen bereits ideologisiert. Daher sollen junge Menschen vielfältige Gelegenheiten haben, sich mit Extremismus differenziert auseinanderzusetzen.“

Netz voller Hetze

Für Radikalisierungstendenzen seien grundsätzlich Schüler aus allen sozialen Schichten empfänglich, sagte Daniel Köhler vom Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerkes gegen Extremismus in Baden-Württemberg. „Derartige menschenverachtende, ungleichwertige und antidemokratische Tendenzen und Einstellungen finden sich nicht nur unter Menschen der Mehrheitsgesellschaft, sondern haben auch einen Verbreitungsgrad unter der migrantischen Bevölkerung“, so heißt es bei der DVJJ. Es gebe entsprechend viele Wege, wie Schüler mit radikalem Gedankengut in Berührung kommen könnten. Das Internet sei voll mit Hetze von Extremisten.

Beispiel Salafismus: „Der bietet jungen Menschen in erster Linie eine Identität an. Er nimmt ihnen viele Unsicherheiten ab, indem er ‚Wahrheit‘ und Autorität anbietet. Die jungen Menschen müssen sich nicht mehr fragen, wie ihre Lebensentwürfe aussehen sollen. Sie bekommen einfache Antworten auf komplexe Fragen und das Bewusstsein, auf dem „richtigen Weg“ zu sein. Gleichzeitig erhalten sie die Möglichkeit, sich durch Protest und Provokation gegenüber ihren Eltern oder der Mehrheitsgesellschaft abzugrenzen und sich an einem ‚Kampf für Gerechtigkeit‘ zu beteiligen“, so heißt es bei der DVJJ. Bundesweit seien bislang 980 Jugendliche oder junge Erwachsene nach Syrien oder in den Irak gereist, um den Islamischen Staat oder andere terroristische Gruppierungen zu unterstützen, ergänzte Kluger. N4t / mit Material der dpa

Hier gibt es weitere Informationen zur Tagung der DVJJ am 10. Dezember 2017 in Münster.

Expertentagung – Eltern und Lehrer oft hilflos gegen religiöse Radikalisierung

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