Kinderdorfmutter – ein Beruf mit viel Herz, aber ohne Feierabend

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BERGISCH GLADBACH. Wenn Kinder nicht bei ihren Eltern bleiben können, finden manche von ihnen im Kinderdorf ein neues Zuhause. Dort können Jungen und Mädchen wie in einer großen Familie aufwachsen – mit Ersatzeltern und vielen Geschwistern.

Im Kinderdorf – hier in Schwalmtal – leben Kinder wie in einer Großfamilie. Foto: Bethanien Kinderdorf

Der zehnjährige Miguel hält sein Bild hoch: «Guck mal, was ich gemalt habe!» Daniel lässt einen Papierflieger über den Wohnzimmertisch segeln und die elfjährige Ivette ruft aus der Küche: «Tschüs, bis nachher!» Mitten in dem Gewusel steht Katja Blumberg. Sie winkt dem Mädchen, bewundert Miguels Kunstwerk, drückt den kleinen Daniel kurz an sich. Alltag in einer Großfamilie. Doch Katja Blumberg ist nicht die leibliche Mutter – die 31-Jährige arbeitet als Kinderdorfmutter in Bergisch Gladbach.

Dort leben sechs Familien im Bethanien Kinder- und Jugenddorf. Blumberg und ihr Mann wohnen mit sechs Kindern in einem der Häuser. Drinnen ist es gemütlich. An den Fenstern hängt Weihnachtsdeko, eine große Krippe steht auf einem Schrank, Dutzende Spiele liegen in einem Regal, im Garten steht ein Trampolin. Jedes Kind hat ein eigenes Zimmer.

Kinderdorfmutter – das sei mehr als Beruf, sagt Blumberg. «Das ist eine Herzenssache, anders geht es auch gar nicht.» Feierabend gibt es nicht, sie lebt mit den Kindern, ist wie eine richtige Mutter rund um die Uhr für sie da.

Blumberg hatte das Kinderdorf während ihrer Ausbildung zur Erzieherin kennengelernt. Nach der Heirat beschlossen sie und ihr Mann, dass sie fremden Kindern gerne ein Zuhause geben wollen. Ehemann Christian hat einen Bürojob außerhalb des Kinderdorfs. Wenn er zum Abendessen heim kommt, wird er von seiner Familie schon sehnlich erwartet.

«Wir haben aber auch Zeit für uns», betont Katja Blumberg. So fährt das Paar zum Beispiel allein in den Urlaub. Währenddessen ziehen Mitarbeiter, die die Familie ansonsten tagsüber unterstützen, vorübergehend ganz in das Haus ein.

Insgesamt leben mehr als 100 Kinder und Jugendliche zwischen drei und 19 Jahren im Bethanien Kinderdorf, das der Architekt Gottfried Böhm Ende der 1960er Jahre entworfen hat. Auf dem Gelände befinden sich neben den Wohnhäusern auch eine kleine Kirche, ein Fußballplatz und Gebäude für heilpädagogische Angebote.

Aus schwierigen Verhältnissen

Die Kinder werden von den Jugendämtern der umliegenden Städte ins Kinderdorf vermittelt. Die Jungen und Mädchen stammten alle aus schwierigen Verhältnissen, sagt Kinderdorfleiter Martin Kramm. Einige hätten zu Hause Gewalt erlebt, in vielen Fällen seien die leiblichen Eltern mit der Erziehung überfordert.

Für eine zeitlich begrenzte Unterbringung im Kinderdorf gibt es Wohngruppen. Die Dorffamilien sind für Jungen und Mädchen gedacht, die voraussichtlich nicht mehr zu ihren eigenen Eltern zurückkehren. «Diese Kinder können hier in einer Ersatzfamilie aufwachsen und Geborgenheit finden», sagt Kramm. Wenn möglich, werde aber auch der Kontakt zu den leiblichen Eltern gehalten. Einige von ihnen kämen regelmäßig zu Besuch.

Die Bethanien Kinder- und Jugenddörfer wurden von der katholischen Ordensgemeinschaft der Dominikanerinnen von Bethanien gegründet. Neben Bergisch Gladbach betreibt Bethanien noch jeweils ein Kinderdorf im niederrheinischen Schwalmtal und in Eltville in Hessen.

Das Konzept ähnelt dem der SOS-Kinderdörfer, von denen es bundesweit 16 gibt. Zur Bundesarbeitsgemeinschaft Kinderdörfer gehören insgesamt 39 Einrichtungen unterschiedlicher Träger.

Die Kinder besuchen nahe gelegene Schulen oder Kindergärten. Nachmittags stehen Spielen, verschiedene Freizeitangebote oder Therapien auf dem Programm. «Wichtig sind Rituale und feste Strukturen, die den Kindern Sicherheit geben – zum Beispiel gemeinsame Mahlzeiten oder kleine Aufgaben im Haushalt», sagt Kinderdorfmutter Blumberg. Viele Kinder hätten Freunde außerhalb des Kinderdorfs, mit denen sie sich treffen. «Alles soll so normal wie möglich sein.» Wie in einer großen Familie eben. Von Petra Albers, dpa

Gesucht: Kinderdorfmütter

Die Bethanien Kinderdörfer suchen immer wieder Erzieher, Sozial- oder Heilpädagogen für die Arbeit mit Kindern. Auch Kinderdorfmütter bzw. -eltern werden gesucht. Voraussetzung ist eine pädagogische Ausbildung oder ein pädagogisches Studium – oder die Bereitschaft, eine berufsbegleitende Ausbildung hier im Kinderdorf zu absolvieren. „Als Kinderdorfeltern trauen Sie sich zu, den Spagat zwischen liebender Akzeptanz und pädagogischer Professionalität zu schaffen“, so heißt es. Darüber hinaus wird eine Kirchenmitgliedschaft vorausgesetzt.

Hier gibt es weitere Informationen.

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