Wie viel Inklusion soll sein? Streit über Sonderklassen an Regelschulen kocht hoch – SPD: kein Weg zum gemeinsamen Unterricht

37

MAGDEBURG. Sie lernen oft langsamer als Altersgenossen, haben ihr Verhalten nicht immer im Griff oder sind körperlich und/oder geistig behindert: Fast 15.000 Kinder und Jugendliche gelten allein in Sachsen-Anhalt als Förderschüler. Die von einer Ampel-Koalition getragenen Regierung  streitet, wie ihnen am besten zu helfen ist.

Das Rügener Inklusionsmodell war 2010 gestartet worden. Mit Beginn des Schuljahres 2014/2015 wurde das Rügener Modell in weiterführenden Schulen fortgesetzt (Symbolfoto). Foto: Shutterstock
Sind Sonderklassen für Förderschüler überhaupt noch Inklusion? Foto: Shutterstock

Kann ein Schüler mit besonderen Lernschwächen in einer gesonderten Klasse besser gefördert werden oder doch gemeinsam mit allen anderen? Sachsen-Anhalts schwarz-rot-grüne Landesregierung debattiert erneut über das richtige Maß bei der Inklusion behinderter und verhaltensauffälliger Schüler. Anlass ist das Konzept von Bildungsminister Marco Tullner zum künftigen Förderschulnetz, das der CDU-Politiker  in Magdeburg vorstellte.

Seine Pläne sollen mehrere Probleme lösen. Die meisten Förderschüler beenden ihre Schullaufbahn bisher ohne Abschluss, auch weil sie dafür meist noch einmal die Schule wechseln müssten. Da sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit verschiedenen Förderschwerpunkten verschiebt, stehen einige der mehr als 90 Standorte auf der Kippe. Und: Die Eltern können wählen, ob ihr Kind an einer allgemeinbildenden Schule oder einer Förderschule lernen soll und entscheiden sich in zwei von drei Fällen für letzteres.

Ist das noch Inklusion? Sachsen-Anhalt will Förderklassen an Regelschulen einrichten

Daher schlägt Tullner vor, die Förderschulen als Instrument beizubehalten. Künftig sollen jedoch mehrere Schwerpunkte an einer Schule gelehrt oder auch eigene Förderschulklassen an regulären Sekundar-, Gesamt- oder Gemeinschaftsschulen möglich sein, heißt es in dem Konzept. Solche Klassen könnten mehr Förderschülern einen Abschluss ermöglichen, weil sie dafür nicht noch einmal die Schule wechseln müssten. «Ich werbe für einen gesunden Pragmatismus», sagte der Minister.

Anzeige

In den vergangenen Jahren habe sich der Anteil der Förderschüler im gemeinsamen Unterricht bereits deutlich erhöht. Im Jahr 2000 seien noch 98 Prozent aller Betroffenen in Förderschulen unterrichtet worden, heute seien es zwei Drittel. «Das wollen wir nicht zurückdrehen, aber wir müssen vom Wohl des Kindes her denken und nicht von schulideologischen Überlegungen.»

Menschenrechts-Beauftragter kritisiert die Entwicklung der Inklusion in Deutschland als „klar konventionswidrig“

Die Regierungspartner zeigten sich enttäuscht. Es fehle eine Perspektive, sagte der bildungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Wolfgang Aldag. «Das vorgelegte Konzept zeigt keinerlei Ideen auf, wie der Weg zur «Schule für alle» aussehen kann.» Es könne nicht sein, dass der Status quo unverändert bleibe, kritisierte Angela Kolb-Janssen (SPD). «Inklusiver und gemeinsamer Unterricht ist für Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf eine Herausforderung, aber auch ein Gewinn.»

In Sachsen-Anhalt ist der Anteil der Schulabbrecher mit rund zehn Prozent im bundesweiten Vergleich besonders hoch. Laut Bildungsminister Tullner sind knapp die Hälfte von ihnen Förderschüler. Im Land haben derzeit rund 14.800 Kinder und Jugendliche besonderen Förderbedarf. Die Spanne reicht von Seh- und Hörbehinderungen über körperliche und geistige Handicaps bis hin zu auffälligem Verhalten oder besondere Lernschwäche.

Die von Deutschland 2009 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention verlangt ein „integratives Bildungssystem auf allen Ebenen“. dpa

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

37 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
sofawolf
6 Jahre zuvor

ZITAT: „Die von Deutschland 2009 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention verlangt ein “integratives Bildungssystem auf allen Ebenen”. dpa“

Wenn es keinerlei Trennung mehr geben darf, warum darf dann weiter nach Klasse 4 getrennt werden? (Gymnasium usw.)

sofawolf
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

ZITAT 2: „Daher schlägt Tullner vor, die Förderschulen als Instrument beizubehalten.“

Sehr gut !!!

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Es heißt eigentlich „inclusive education system“, auf Deutsch auch „integratives (oder inklusives) Schulsystem. Aber ich kann das nur so verstehen, dass jede(r) darin aufgenommen wird, also niemand ausgeschlossen ist, wohlgemerkt vom System, nicht von jeder einzelnen Schule. Denn das letztere (dieses Ausschließen) ist ja leider in manchen Gegenden der Welt noch der Fall: Behinderte werden weggesperrt und dürfen gar nicht zur Schule gehen. Oder es gibt gar keine Rollstühle für die, die einen brauchen. Oder Mädchen dürfen aus ideologischen Gründen nicht zur Schule.

Anna
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Aussondern ist nicht integrieren – da hilft auch der verbale Kunstgriff „im System“ nichts. Sonst wäre die Apartheid in Südafrika auch ein integriertes politisches System gewesen.

Conny
6 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Dann wollen wir doch mal den Begriff „Aussondern“ weiter extrapolieren.

Man wird ausgesondert, wenn man

– keinen Preis beim Preisausschreiben gewinnt
– bei einer Stellenbewerbung nicht zum Zug kommt
– von jemandem, mit dem man gerne befreundet wäre, zugunsten
eines anderen verschmäht wird
– ein anderer Schüler aufgerufen wird, obwohl man sich auch gemeldet hat
usw.

Prof. Ahrbeck hat in seinem lesenswerten Buch über Behinderung darauf hingewiesen, dass Inklusion ohne Exklusion nicht möglich ist. Inkludieren heißt einschließen, – es bleibt aber immer ein Schließen, eine Abgrenzung, ein Innen und Außen, als auch ein Ausschließen inkludiert.

Kurzum,- ein inklusives System bedeutet nicht, dass alle darin bei allem in gleicher Weise dabei sind oder dabei sein können.
Wichtig ist, dass das Ziel erreicht wird, dass jeder, fast jeder ein gleichberechtigtes, partizipationsfähiges Mitglied einer Gesellschaft werden kann und wird. Das erreicht man aber nicht dadurch, dass auf dem Weg dorthin alle immer dasselbe machen.

sofawolf
6 Jahre zuvor
Antwortet  Conny

@ Conny, gut zusammengefasst !

Anna
6 Jahre zuvor
Antwortet  Conny

Conny, schlecht zusammengefasst.

Man wird nicht ausgesondert, wenn man einen Preis oder eine Stelle nicht bekommt – auf den oder die hat niemand einen Anspruch.

Man wird ausgesondert, wenn man etwas nicht bekommt, was allen anderen zusteht – wenn man aufgrund von ethnischer Herkunft,
Geschlecht, Behinderung, Religion, Weltanschauung, Alter oder sexueller Identität zurückgesetzt wird. Das heißt dann Diskriminierung.

OMG
6 Jahre zuvor

Anna – das „wie“ der inklusiven Umsetzung ist den Ländern überlassen. Der Artikel des Greifswalder Professors ist hier noch online.
Wichtig ist zu begreifen: EIn Kind soll nur beim „Nachweis der individuell notwenigen Ressourcen“ in eine Regelklasse.
Nein, nicht von mir erfunden, sondern in der Drucksache des Bundestages zu Konvention enthalten. Der Bundestag hat eigentlich damit den Ländern einen deutlichen Auftrag erteilt. Nur die setzen den zulasten der Kinder nicht um.

Anna
6 Jahre zuvor
Antwortet  OMG

Natürlich – die bösen Länder setzen es einfach nicht um.

Das erinnert an den Witz vom Autofahrer, der im Radio eine Meldung hört, dass ihm ein Falschfahrer entgegenkommt. Einer? – denkt er. Dutzende!

Wir hatten den Streit um die rechtliche Verbindlichkeit der Inklusion hier schon endlos. Schauen Sie sich einfach die Realität – auch die aktuelle Rechtsprechung – an: https://www.news4teachers.de/2017/10/inklusion-schulbehoerden-unter-druck-gericht-weist-regelschul-foerderplan-der-zu-unkonkret-ist-fuer-behinderten-schueler-zurueck/

Wie viele behinderte Kinder, die auf eine Regelschule wollen, wurden im vergangenen Jahr gegen den Willen der Eltern in Deutschland auf eine Förderschule geschickt? Null? Das könnte schon damit zusammenhängen, dass hier zunehmend ein Rechtsanspruch besteht, hinter den die Länder nicht mehr zurücikkommen, oder?

OMG
6 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

„Wie viele behinderte Kinder, die auf eine Regelschule wollen, wurden im vergangenen Jahr gegen den Willen der Eltern in Deutschland auf eine Förderschule geschickt? Null? “
In Hessen dreistellig.

Anna
6 Jahre zuvor
Antwortet  OMG

Stimmt – in Hessen, speziell wohl Frankfurt, gibt es das tatsächlich noch. Und zwar beim Übergang von der (inlkusiven) Grundschule auf die weiterführende Schule. Argumentiert wird aber mit fehlenden Kapaziäten, nicht damit, dass die Behindertenrechtskonvention keinen Anspruch beinhalte.

Das stellt ja auch der von Ihnen zitierte Prof. Claasen fest: “Faktische Gegebenheiten wie die Zahl der zur Verfügung stehenden Fachkräfte oder die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen setzen der Geschwindigkeit des von der Konvention gebotenen Inklusionsprozesses Grenzen.“

Kann man es dann nicht einfach beim alten Förderschulsystem belassen – mit dem Hinweis, dass ein funktionierendes inklusives Schulsystem viel zu teuer wäre? Nein. Classen: Es „muss daran gearbeitet werden, dass die jeweils notwendigen Voraussetzungen auch tatsächlich gegeben sind.” Und: „Ein einmal erreichter Stand bei der Verwirklichung der von der Konvention garantierten Rechte darf nicht rückgängig gemacht werden.“

Heißt klar: Die Länder müssen die Kapazitäten schaffen, und mit den Kapazitäten wachsen die rechtlich verbindlichen Ansprüche, die nicht mehr einkassiert werden können. Auch wenn Leute wie Sie, OMG, es nicht wahrhaben wollen.

Zum Nachlesen: https://www.news4teachers.de/2017/09/hintergrund-inklusion-in-der-schule-was-die-un-behindertenrechtskonvention-wirklich-bedeutet-erklaert-von-einem-voelkerrechtler/

OMG
6 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Sehr schön. Nur in Frankfurt ist die Situation noch positiv. Man liegt dort bei 50% der notwendigen Unterstuetzung

OMG
6 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

„Natürlich – die bösen Länder setzen es einfach nicht um.

Das erinnert an den Witz vom Autofahrer“
Sie können sich gerne darüber lustig machen. Sie liegen aber mit vielen Aussagen moralisch richtig, aber fachlich falsch.
Sorry.
Das ändert sich auch nicht dadurch – ich darf mich wiederholen – anderen solche Kommentare zu widmen.
Diskustieren sie fachlich. Wäre schön.

OMG
6 Jahre zuvor

ANNA, Vehemenz ersetzt nicht fachlich Unbedarftheit. Ich will es mal so ausdrücklich. Letztmalig. Artikel 7 und 24 der Konvention lesen. Hilft. Auf die bezog sich auf der Prof. Clauss en. Von dem sind auch viele Artikel online. Lesen hilft auch hier. Auf die Artikel von Wocken darf ich nochmals verweisen. Und und und. Das Hamburger Urteil ist insofern erstaunlich, weil ja eine Separation vom Gericht gefordert wurde. Ist aufgefallen??

OMG
6 Jahre zuvor

Ich hätte da eigentlich eine Richterschelte erwartet

Anna
6 Jahre zuvor
Antwortet  OMG

Das Hamburger Urteil gibt den Eltern recht – sie haben einen Anspruch auf eine Förderung für ihr Kind, und zwar an einer Regelschule!

OMG
6 Jahre zuvor

In einer Klasse für Autisten.

Anna
6 Jahre zuvor
Antwortet  OMG

Darüber sagt das Urteil gar nichts aus. Die Eltern waren ja auch mit der Autistenklasse einverstanden. Fakt ist: Das Gericht hätte (Ihrer Argumentation folgend) den Anspruch der Eltern zurückweisen können – und den Schüler gegen ihren Willen auf eine Förderschule schicken.

Hat es aber eben nicht getan, dafür hat es den Anspruch auf eine vernünftige Förderung an einer Regelschule untermauert!

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Anna: Das mit der Apartheid in Südafrika ist eben kein passender Vergleich. Bei allgemeinen Menschenrechten und bei Demokratie gilt was anderes als in einem irgendwie gegliederten Bildungssystem.
An die Hochschule darf nicht jeder, sondern nur mit gewissen Voraussetzungen. Ist das jetzt ungerecht oder ausgrenzend?
Die Olympischen Spiele sollen auch nicht mit den Paralympics zusammengelegt werden, das wäre nicht gerecht oder inklusiv, sondern einfach unfair.
Wenn es Klubs für Privilegierte (z.B. Olympiamannschaft) geben darf, dann darf es umgekehrt auch etwas in der umgekehrten Richtung geben (z.B. für Blinde). Bei Parteien gibt es gewöhnlich Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit gewissen anderen Organisationen. „Inklusiv“ kann nicht heißen: „Jeder ist überall dabei“. Auch im Sozialismus heißt es doch „jeder nach seinen Fähigkeiten“.
Eine „Diskriminierung“ wäre gegeben, wenn eine Rangordnung hinsichtlich der Wertigkeit verkündet würde, dass also jemand mehr bzw. weniger wert wäre, wenn er in einer bestimmten Organisation/Schule/Ausbildung wäre. Das wollte die UN-Konvention natürlich nicht.
Last not least: dass die deutsche Version der Inklusion nicht so gut funktioniert wie die anderer Länder, ist doch nun bekannt.
Siehe auch die Diskussion unter:

https://www.news4teachers.de/2017/12/ist-das-noch-inklusion-sachsen-anhalt-will-foerderklassen-an-regelschulen-einrichten/

Anna
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

An die Hochschule darf jeder, der ein Abitur hat – unabhängig davon, ob er behindert ist, eine andere Hautfarbe oder Religionsgehörigkeit hat. Die Formel „Gleiche Rechte für alle“ hat mit Sozialismus auch wenig zu tun – viel aber mit den Menschenrechten.

Zu behaupten, es gäbe keine Rangordnung im deutschen Schulsystem – mit den Förderschulen ganz unten – ist aberwitzig. Dann machen wir doch einen Förderschulzwang für alle. Mal sehen, was die bürgerlichen Eltern dazu sagen, die ihre Kinder mit Macht aufs Gymnasium drücken… Ich jedenfalls könnte damit gut leben.

„Last not least: dass die deutsche Version der Inklusion nicht so gut funktioniert wie die anderer Länder, ist doch nun bekannt.“ Ja, stimmt. Fragt sich nur, was wir mit der Erkenntnis machen. Achselzucken? Oder etwas daran ändern?

OMG
6 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Nochmals der Hinweis: Auf Grundlage der Konvention, die immer wieder als Begründung herangezogen wird, werden in einigen US-Bundesstaaten, Förderschulen für best. Einschränkungen oder Behinderungen neu errichtet – die gab es vorher nicht.
Die Konvention ist auslegungsfähig, sie erlaubt Spielräume in der Umsetzung oder wie Prof. Claussen es ausdrückte: über das „wie?“ ein inklusives Schulsystem aussehen soll, sagt die Konvention nichts. Er hebt explizit hervor, dass ein inklusives Syste, mit oder auch ohen Förderschulen möglich ist.
Was die Rumreiterei auf der Förderschule soll, mag verstehen wer will.
Und ja, die staatlichen Förderschulen schneiden dramtisch schlecht ab, private Ersatzschulen in dem Bereich deutlich besser.
Die Schulform kann also leistungsfähig und leistungsstark sein. Kann.
Ist sie aber in der Realität nicht.
Taugt di Schulform also nicht oder hat die Schulform in staatlicher Trägerschaft keine Lobby??????????

Papa 51
6 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

@Anna
“Gleiche Rechte für alle” hat sehr wohl etwas mit Sozialismus zu tun, wenn dem hehren Anspruch eine entsprechende Bedeutung beigemessen wird.
Gleiche Rechte bedeuten nicht, dass jeder (außer vor dem Gesetz) gleich ist oder in der Schule und im Berufsleben dieselben hochgesteckten Ziele erreicht.
Die Schule kann gleiche Kräfte auch nicht herbeizaubern; sozialistischer Wille kann sie allerdings durch äußerliche Gleichmacherei vorgaukeln, was bei Schulabschluss für viele eine schmerzliche Erfahrung bedeutet.

“Es ist etwas Schönes um die Humanität – nur muss sie nicht zur Gedankenschwäche führen, denn dann wird sie zum geraden Gegenteil dessen, was sie beabsichtigt. …”
Gerhard von Amyntor (1831 – 1910)

OMG
6 Jahre zuvor

Und das Gericht hat dem Schüler das Recht zugewiesen. Nicht den Eltern.

OMG
6 Jahre zuvor

Es ging – bitte die Berichterstattung chronologisch mal druchsehen – um eine spezielle Klasse für Autisten.
Interessant ist vor allem, dass die Beeinträchtigung des Autisten vom Gericht als Förderbedarf anerkannt wurde.
Denn eben diese Störung oder Beeinträchtigung ist nicht überall förderbedarfsfähig. In Hessen z.B. wäre das Urteil sicherlich anders ausgefallen, denn Autismus gilt hier als nicht fähig, einen sonderpäd. Förderbedarf auszusprechen.
Das ist das gute an dem Urteil.
Zudem: So weit ich das erlsen konnte, handelt es sich um keine Extremausprägung der Störung.

Wilma Pause
6 Jahre zuvor

Sachsen-Anhalts Kultusminister hält Weg der Inklusion für gescheitert.
http://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2017-12/marco-tullner-inklusion-sachsen-anhalt-gescheitert

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Wilma Pause

Der Kultusminister spricht hinsichtlich der gegenwärtigen Inklusion von einer „wissenschaftliche Diskussion im Elfenbeinturm“. Ich würde meinen, es ist zusätzlich noch eine „parteipolitische Diskussion mit Hintergedanken.“ Es ist doch ganz offensichtlich, dass einige Parteipolitiker die gegenwärtige Art der Inklusion dazu benutzen wollen, die „eine Schule für alle“ einzurichten und so en passant das Gymnasium abzuschaffen. Die Grünen sagen das mehr oder weniger offen. Aber die kirchlichen Privatschulen, die sollen natürlich bleiben im Interesse der Kirchenfunktionäre. Und die Sport-Eliteschulen auch, die im Interesse der Sportfunktionäre. Und Waldorfschulen auch, dahin schicken dann die etablierten Politiker ihre eigenen Kinder.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Wegen der Qualität des Unterrichts oder des Abschlusses braucht man Kinder nicht zur Waldorfschule zu schicken:

Ernsthafter Fachunterricht fängt ab frühestens Klasse 8 an, die ZAP gibt es nach Klasse 11, also ein Schuljahr später als nötig. Den Waldorfabschluss (was auch immer man damit machen kann) gibt es nach der 12, das Vollabitur nach Klasse 13.

Wer aber das Vollabitur an der Waldorfschule schafft, ist richtig gut, weil diese Schüler innerhalb von zwei Schuljahren von FOR-QUA zum Abitur kommen, also den Oberstufenstoff von drei Schuljahren in zwei Schuljahren reingedrückt bekommen. Im Endeffekt fahren Waldorfschulen ein G8-Programm mit verkürzter Oberstufe, wobei allerdings in den Klassen 1-7 aus rein fachlicher Sicht unglaublich viel Zeit mit Steiners Philospohie verplempert wird.

Reni
6 Jahre zuvor
Antwortet  Wilma Pause

Volle Zustimmung, Herr Tullner:
„Außerdem zeigte sich Tullner überzeugt, dass die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland einseitig interpretiert werde. In dem Dokument sei von „Zugang zu Bildung“ und „Teilhabe an der Gesellschaft“ die Rede. „In Deutschland hat man daraus die Inklusion gemacht, bei der alle Kinder dieselbe Schule besuchen sollen. Das ist eine Überinterpretation.“

@Cavalieri
Bin ganz Ihrer Meinung, „dass einige Parteipolitiker die gegenwärtige Art der Inklusion dazu benutzen wollen, die “eine Schule für alle” einzurichten und so en passant das Gymnasium abzuschaffen.“
Die weitgehende Abschaffung der Förderschulen konnten sie noch vergleichsweise leicht als gute Tat und UN-Konvention verkaufen. Bei den Gymnasien wird es schwieriger; aber wenn alle anderen Schulformen nach politischem Willen peu à peu in der Gemeinschaftsschule aufgehen, wirkt die Abschaffung der Gymnasien wie eine folgerichtige Konsequenz.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Reni

Ob sich hier die Inklusionsfanatiker trauen, Tullner Sympathien zur AfD vorzuwerfen? Die vertritt ja eine ähnliche Position …

https://www.news4teachers.de/2017/09/liegen-alle-falsch-die-verantwortung-fuer-die-schulpolitik-tragen-die-afd-behauptet-inklusion-sei-gar-nicht-verpflichtend/

Wilma Pause
6 Jahre zuvor
Antwortet  Reni

@ Reni: Auf diese einseitige Auslegung der Behindertenrechtskonvention hat Prof. Otto Speck bereits Anfang 2015 hingewiesen.

Zitat: „Die Verabsolutierung des Inklusionsprinzips durch den Bundestag wurde dadurch möglich, dass der englische Terminus ‚general education system‘ fälschlicherweise mit dem deutschen Begriff der ‚allgemeinen Schulen‘ (im Unterschied zu den Förderschulen) gleichgesetzt wurde. ‚General education system‘ entspricht aber eindeutig dem, was wir als ‚allgemeinbildendes Schulsystem‘ (im Unterschied zu berufsbildenden Schulen) verstehen, und zu dem nach deutschem Schulrecht eindeutig auch die Förderschulen gehören. Insofern könnte das deutsche Bildungssystem formal als ein ‚inklusives‘ angesehen werden.

Ergänzt werden kann, dass es in allen vergleichbaren Ländern, auch in solchen, die als fortschrittlich inklusiv ausgebaut gelten und bei uns immer wieder genannt werden, wie zum Beispiel die skandinavischen Länder, Großbritannien, Holland, die USA und Japan, durchaus ’special schools‘ beziehungsweise ’special classes‘ gibt. In ihnen werden zwei bis drei Prozent aller Schulkinder unterrichtet.“

http://www.sueddeutsche.de/bildung/inklusions-debatte-inklusive-missverstaendnisse-1.2182484

U. B.
6 Jahre zuvor
Antwortet  Wilma Pause

Also gibt es in den gelobten Ländern, die uns immer wieder als Beweis für eine gut funktionierende Inklusion geschildert werden, in Wahrheit Förderschulen und -klassen?!!

Wilma Pause
6 Jahre zuvor
Antwortet  U. B.

Genau so ist es.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  U. B.

Zum Beispiel Schweden:
https://bildungsklick.de/schule/meldung/inklusion-in-schweden-vorbild-oder-zerrbild/
Kleines Zitat:
„Die sogenannte „särskola“, die schwedische Förderschule für geistig Behinderte, wird überhaupt nicht in Frage gestellt.“
„Rund 14 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Klasse 1 bis 9 gehen in Privatschulen, im Bereich der gymnasialen Bildung ist es ungefähr ein Viertel. Untersuchungen belegen, dass es dadurch teilweise zu einer sozialen Spaltung kommt. Auch sind die Leistungen schwedischer Schülerinnen und Schüler gesunken. Ich befürchte, dass wir uns auf dem Rückweg in ein mehrgliedriges System befinden mit der Gefahr, dass sich Gegensätze verstärken.“

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Reni

„… wirkt die Abschaffung der Gymnasien wie eine folgerichtige Konsequenz.“
Es ist sogar schlimmer, denn dies wird durch flankierende Maßnahmen ganz still und heimlich seit Jahren vorbereitet:

1. Der Einheits-Sekundarstufenlehrer wurde mancherorts eingeführt, andernorts fast eingeführt und überall zumindest diskutiert. Es gab hochrangige Kommissionen dazu, die Gutachten ablieferten.
2. Die Lehrpläne für die Sekundarstufe legen neuerdings (z.B. in Baden-Württemberg) großen Wert auf eine einheitliche Formulierung. Die KMK-Standards unterscheiden sowieso nur noch nach MSA und Abitur. Bei der Erstellung des Bildungsplans 2016 in BW war es eine politische Vorgabe, dass die inhaltlichen Stichworte bei der Gemeinschaftsschule und beim Gymnasium wörtlich übereinstimmen, nur mit dem Unterschied von 9 zu 8 Jahren. Das gilt insbesondere für die beiden dreijährigen Oberstufen. Wenn man wieder G9 einführte und den Einheitslehrer dazu, dann könnte man mit treuem Augenaufschlag argumentieren „wir haben doch nur eine Art Bildungsplan und eine Art Lehrer, wozu denn noch unterschiedliche Schulen?“ und könnte so mit einem Federstrich eine einheitliche Schule in der Sekundarstufe schaffen, wo dann auf drei Niveaus unterrichtet wird (das sehen die Pläne vor). Die drei Niveaus sollen eigentlich den traditionellen drei Schulformen entsprechen, aber das soll ja jetzt alles mit Heterogenität, Binnendifferenzierung und dann auch noch mit Inklusion ganz beiläufig in jeweils einer einzigen Klasse realisiert werden. Der Reklamespruch dazu lautet: „Vielfalt macht schlau“, also „je heterogener, desto besser“.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Reni

Auf der Didacta 2018 gibt es am 23.2. im Forum Bildung eine Podiumsdiskussion zur Inklusion. Im Ankündigungstext steht bemerkenswerterweise: „Die schulische Inklusion gilt gemeinhin als gescheitert.“

xxx
6 Jahre zuvor

Danke für den Link. Tullner hat recht, seine Auffassung teile ich schon von Anfang an. Ich bin gespannt, was die Inklusonsbefürworter davon halten.

Ignaz Wrobel
6 Jahre zuvor

Es ist noch ein langer Weg weg von der praktizierten Inklusion.Inzwischen wird auch deutlich, dass es den Hauptbefürwortern der Inklusion eigentlich um die Einführung der Einheitsschule für alle geht, verbunden mit einem weiteren Absenken des Leistungsniveau auf das von Mindeststandarts, vorgebene Erziehung zur Demokratie in deren Sinne, Abkehr von hohen Leistungsstandarte,totale Durchmischung der Klassen, kurz der ganze Mist sozialistischer Einheitsschulen.