Gewaltbereite Jugendliche – wie man die Gefahr erkennt und bannt

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BERLIN. Raufbolde gab es schon immer. Für viele gehört das Austesten der eigenen Grenzen auch durch körperliche Auseinandersetzungen im Laufe des Erwachsenwerdens dazu. Solange bestimmte Grenzen dabei nicht überschritten werden, bringt dies auch keine größeren Probleme mit sich. Doch wo liegen diese Grenzen und wie können gewaltbereite Jugendliche auf einen guten Weg gebracht werden?

Harmlose Rauferei oder schon problematische Auseinandersetzung mit körperlicher Gewalt? Die Grenzen sind hier nicht immer klar zu ziehen. Foto: Fotolia, © Monkey Business

Trotz der vielen erschreckenden Pressemeldungen ist die Gewaltkriminalität bei Jugendlichen in den letzten Jahren tendenziell leicht zurückgegangen. Die öffentliche Wahrnehmung ist durch die Präsenz einzelner herausstechender Fälle in den Medien hier verfälscht. Dennoch sind gewaltbereite Jugendliche für die Gesellschaft nach wie vor eine Herausforderung.

Einbruch, Diebstahl, Sachbeschädigung und auch Erpressung zählen zu den Delikten, die zum Thema Jugendkriminalität erfasst werden. Manche schrecken überdies nicht vor körperlichen Angriffen zurück. Viele Lehrkräfte berichten zudem über einen Rückgang an Respekt und einer Zunahme an Angriffen auf die Lehrer.

Vandalismus als Ventil

Oftmals entladen sich angestaute Aggressionen auch in spontaner Sachbeschädigung. Vandalismus ist in den seltensten Fällen geplant, sondern findet aus der Situation heraus statt. Ein häufiges Grundproblem ist, dass sich die Täter nicht beobachtet fühlen. Daher kann die Platzierung von Überwachungskameras bereits einen großen Beitrag dafür leisten, dass die Vandalen ihre Tat überdenken, da sie dann Konsequenzen fürchten.

Die Maßnahmen gegen die Zerstörungswut sollten jedoch direkt bei den Ursachen ansetzen. Langeweile oder Mutproben unter den Jugendlichen sind mögliche Auslöser dafür. Eine Überwachung und starke Sanktionierung könnte dann überflüssig werden, wenn das Gewaltpotential bereits im Keim erstickt wird. Hierfür muss nicht nur auf die betreffende Person eingewirkt werden. Genügend Freizeitmöglichkeiten, Aufklärungskampagnen oder das Schaffen eines lebenswerten Umfeldes, das den Vandalismus unattraktiv macht, sind verschiedene Möglichkeiten.

Vielfältige Ansatzpunkte zur Prävention

Den Tätern ist die Tragweite ihrer Handlung zumeist nicht bewusst. Sie geben sich dem inneren Drang hin, wollen zu einer kriminellen Gang gehören oder einfach selbst mal etwas besitzen, was sie sich bislang nicht leisten konnten. Eltern, Lehrer und Erzieher stehen vor einer großen Herausforderung und scheitern nicht selten daran, einen Schützling erneut auf die richtige Bahn zu bringen.

Das ist kein Wunder: Liegt bei dem Heranwachsenden bereits ein hohes Aggressionspotenzial vor, gestaltet sich das Anti-Aggressionstraining schwierig. Sehr wichtig ist es daher, auf Früherkennungsmerkmale zu achten, die Unausgeglichenheit der eigenen Schüler oder Kinder rechtzeitig zu erkennen und zu hinterfragen. Nur so entsteht keine Abwärtsspirale. Doch was ist es, was den pubertären Kindern den Alltag zur Zerreißprobe macht?

Der Anstieg der Anforderungen an junge Menschen

Jugendliche stehen heute unter einem enormen Leistungsdruck. Immer wieder suggerieren die Medien, aber auch Eltern und ältere Freunde, dass lediglich die höchste Schulausbildung zu einem gesicherten Einkommen und damit zu einer adäquaten Rente führt.

Der Leistungsdruck sowie das Gefühl auf dem Abstellgleis zu landen, wenn die Noten nicht stimmen, steigt. Nicht jeder Jugendliche hat das geistige Potenzial oder auch die Motivation, einen höheren Schulabschluss zu erreichen. Mitunter stehen Prokrastination oder behindernde Alltagssituationen in der Wohnumgebung des Jugendlichen im Konflikt zu seinem Vorhaben. Die Folgen äußern sich dann oftmals in Frustration und Aggression.

Auswirkungen des sozialen Umfelds

Das soziale Umfeld der Kinder und Jugendlichen übt einen großen Einfluss auf ihre Entwicklung aus. Wer eine behütete Kindheit mit einem an Bildung interessierten Elternhaus genießt und pädagogisch gefördert wird, entwickelt sich in vielen Fällen in eine positive und von Gewalttaten befreite Richtung.

Er sieht anhand des Beispiels der Eltern und an den Kontakten der Familie, dass auch sein Leben bei Bemühung von Erfolg gekrönt ist. Durchsetzungsvermögen, Motivation und ein wenig Perfektionismus gehören unbedingt dazu. Interessierte Eltern unterstützen ihre Kinder. Sie ermöglichen ihnen den Besuch von Vereinen, begleiten zu Turnieren, erwarten Rückmeldungen von den Lehrern und setzen sich für das Kind ein.

Besonders strenge Eltern erreichen bei ihren Kindern allerdings oft das Gegenteil. Fühlt sich der Jugendliche in seiner Freiheit eingeschränkt, erhält er zu viele Aufgaben und ist sein ganzer Tag auf Leistung ausgerichtet, bricht er irgendwann aus. Auch hierbei sind häufig Gewalttaten zu beobachten.

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Negativ-Vorbilder in der eigenen Familie

Ähnlich verhält es sich im umgekehrten Fall. In einem von Alkohol, Leichtlebigkeit und unterschwelliger Aggression geprägten Haushalt ist eine auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Entwicklung nur in seltenen Fällen möglich. Die Jugendlichen erleben ein nicht erfolgsorientiertes Elternhaus und passen sich diesem Lebensentwurf oftmals an.

Darüber hinaus versuchen die Kinder die Situation häufig nach außen zu vertuschen. Scham und Hilflosigkeit sind eine zusätzliche große Belastung. Die Schwierigkeit stellt sich ein, wenn die Eltern ihre Kinder für Missetaten loben und auf diese Weise die moralischen Vorstellungen des Kindes in eine ungünstige Richtung verschieben.

Auch beim ständigen Ignorieren der Jugendlichen durch die eigenen Eltern ist mit extremen Verhaltensweisen zu rechnen. Die Jugendlichen möchten, dass ihre Eltern sie wahrnehmen und nehmen dafür auch eine Rüge in Kauf.

Cybermobbing schafft ein hohes Maß an Gewaltpotential unter Jugendlichen. Foto: Fotolia, © Antonioguillem

Gewalt erzeugt Gegengewalt – auch im Schulalltag

Mobbing begleitet alle Generationen durch ihre Schullaufbahn. Wer selbst nicht in der Kritik seiner Mitschüler steht, beobachtet das Mobbing bei mindestens einer Person. Zumeist versprechen Lehrer den Eltern des betroffenen Kindes eine Bestrafung der Täter. In einigen Fällen lassen sich die Attacken dadurch und darüber hinaus durch eine psychologisch fundierte Klassenkonferenz minimieren.

In schweren Fällen hilft lediglich ein Umzug und der damit verbundene Wechsel der Schule. Ein Neuanfang kann die positive Weiterentwicklung des Jugendlichen unterstützen. In einigen Fällen geht die Idee des Schulwechsels nicht so glimpflich aus und der Jugendliche befindet sich immer wieder in der psychischen Gewalt seiner Mitschüler. An dieser Stelle ist der schulpsychologische Dienst gefragt.

Cybermobbing ebenfalls weit verbreitet

Allerdings kann auch er nicht immer helfen. Mittlerweile gibt es nämlich eine deutlich größere Gefahr als das Mobbing auf dem Schulhof. Durch die stark vernetzte Welt haben auch Kinder und Jugendliche Zugang zu zahlreichen Social-Media-Diensten. Facebook, Twitter und Co. stellen bevorzugte Plattformen dar. Jugendliche tauschen sich dort über Trends und lustige Erlebnisse aus. Manchmal kommt es im Zuge der Mitteilungsfreude zu kollektiven Hasskommentaren, die sich gegen einen Jugendlichen richten.

Das Cyber-Mobbing nimmt schnell unkontrollierbare Formen an. Die Täter fühlen sich vor dem Computer sicher und lassen ihren Gedanken freien Lauf. Der Name des Betroffenen ist geschädigt. Mobbing im Internet fordert seinen Tribut und nicht selten schlagen solche Kids zurück. Wer sich in einer derartigen Situation introvertiert verhält, leidet dennoch. Selbstverletzendes Verhalten und Selbstmordabsichten stellen sich ein.

Im Schüler-Lehrer-Gespräch kommt es nicht vorrangig auf das Belehren an. Foto: Fotolia, © Africa Studio

Erkennen des Aktionspotenzials und Abhilfe schaffen

Wie verhalten sich die Jugendlichen untereinander? Bilden sie eine geschlossene Einheit oder sind Unzulänglichkeiten innerhalb der Gruppendynamik erkennbar? Ist ein Glied der Gruppe das Alphatier, wohingegen alle anderen Jugendlichen nur Folge leisten? Oder gibt es womöglich einen Sündenbock? Welche Auswirkungen hat das Verhalten der Anderen auf ihn? Wenn er hin und wieder zu abfälligen Kommentaren neigt, eine Antihaltung zu beobachten ist (passive Aggression), sich seine Noten verschlechtern oder er sonstige destruktive Verhaltensweisen zeigt (gegen die Papierkörbe treten, Dinge gegen Wände werfen, Ignoranz und Mobbing), sind das klare Indizien für Probleme.

Bemerkt das ein Lehrer, sollte er sich mit den anderen Lehrkörpern zusammensetzen. Im gemeinsamen Gespräch kann ermittelt werden, welcher Lehrer den besten Zugang zu dem Jugendlichen hat. Dieser nimmt sich der Sache an.

Beobachten Lehrer bereits ein aggressives Verhalten, das sich vehement gegen andere Schüler oder Lehrer richtet, steht ein Gespräch mit den Eltern an. Manchmal kommen die Beteiligten nicht zu einer einstimmigen Lösung. Hier hilft der schulpsychologische Dienst.

Professionelle Hilfe durch den Schulpsychologen

Die geschulten Psychologen der Einrichtung kennen sich mit Jugendfragen bestens aus und bieten Lehrern und Eltern die optimale Beratung. Oftmals eignen sie sich gerade deshalb für die Lösung des Problems, weil sie unabhängig und nicht in der Sache verstrickt sind. Daher akzeptieren die Jugendlichen sie eher und öffnen sich.

Ganz gleich wer mit dem Jugendlichen spricht, eine Belehrung wirkt sich auf den Gesprächsverlauf hinderlich aus. Wichtig: Profis reden ruhig und nicht erhaben, hören zu (auch zwischen den Zeilen), bieten adäquate Lösungsvorschläge und bewegen sich mit dem Jugendlichen auf gleicher Höhe, das heißt, sie wirken nicht erzieherisch oder oberlehrerhaft.

 

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