Sportunterricht verfehlt sein Ziel – Studie: Junge Erwachsene sind Bewegungsmuffel

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VILLINGEN-SCHWENNINGEN. Sportunterricht stellt an Schulen vergleichsweise hohe Anforderungen. Der Sport bedarf einer hinreichenden Infrastruktur, in Form von Sporthallen und Plätzen und auch die Anforderungen an die Lehrer sind speziell. Dementsprechend zwiespältig steht es um den Sportunterricht an den Schulen in Deutschland. Theoretisch und von politischer Seite immer wieder betont von höchstem Stellenwert, fällt der Unterricht in der Praxis häufig aus, wird fachfremd unterrichtet und verfehlt das Ziel, junge Menschen nachhaltig für sportliche Aktivität zu begeistern. Die körperliche Fitness ist demnach bei vielen jungen Bundesbürgern nur knapp befriedigend.

Deutschlands Kinder sind zu dick, scheitern an einfachsten motorischen Aufgaben und trauen sich nichts mehr zu. Sie bewegen sich zu wenig und verbringen wesentlich mehr Freizeit mit dem Handy und in sozialen Medien als mit Bewegung an frischer Luft. So pauschal ohne Zweifel ein Zerbild, dennoch bleiben die Fakten erschreckend: Betrachtet man beispielsweise die deutschen Zahlen der HBSC-Studie (Health Behaviour in School-aged Children) der WHO, sind nur noch gut die Hälfte (57,5 Prozent) der Mädchen und zwei Drittel (69,3 Prozent) der Jungen im Alter von 11 bis 15 Jahren regelmäßig (mindestens zwei Stunden pro Woche) sportlich aktiv. 7,8 Prozent (Mädchen) und 10,1 Prozent (Jungen) sind übergewichtig oder adipös.

Die große Mehrheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen wäre gern aktiver. In der Praxis sieht es anders aus. Foto: Wokandapix / pixabay (CC0)
Die große Mehrheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen wäre gern aktiver. In der Praxis sieht es anders aus. Foto: Wokandapix / pixabay (CC0)

Bei der Suche nach Lösungen fällt, wie bei anderen gesellschaftlichen Problemen auch, meist schnell der Ruf nach der Schule und im speziellen Fall nach dem Sportunterricht. Doch mit den meist vorgesehenen zwei bis drei Stunden Sportunterricht pro Woche ist die von Wissenschaftlern empfohlene Zeit von mindestens 90 Minuten körperlicher Bewegung am Tag kaum aufzuholen.

Dazu kommt, dass der Sportunterricht vergleichsweise oft ausfällt. In Hessen beispielsweise hat sich ein Streit an einem internen Dokument des Kultusministeriums entzündet, demzufolge im Schuljahr 2015/2016 von 22.700 vorgesehenen Sportstunden 5700 nicht stattgefunden hätten.

Zu wenige Hallen und Lehrer: Sportunterricht fällt oft aus (vor allem an Grundschulen)

Nichtsdestotrotz sind sich Schulpolitiker aller Couleur einig: «Als Kernelemente einer positiven und nachhaltigen Schulentwicklung und als zentrale Bestandteile der Gesundheitsförderung sind Bewegung, Sport und Spiel unabdingbar», wie Mecklenburg-Vorpommerns Bildungs- und Sportministerin Birgit Hesse (SPD) formuliert. Tatsächlich böten Schulen die beste Möglichkeit, Kinder frühzeitig für regelmäßiges Sporttreiben zu begeistern, betont auch Andreas Bluhm Präsident des Landessportbunds Mecklenburg-Vorpommern.

Das Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Wichtigkeit von sportlicher Betätigung sehr wohl bewusst ist, zeigt auch eine aktuelle Studie der Schwenninger Krankenkasse und der Stiftung „Die Gesundarbeiter“, für die mehr als 1000 Jugendliche im Alter von 14 bis 34 Jahren nach ihrem Gesundheits- und Fitnesszustand befragt wurden. 89 Prozent von ihnen äußerten dabei das Bedürfnis, mehr Sport zu treiben.

In der Praxis fällt es offenbar vielen jungen Menschen schwer, sich zum Sport aufzuraffen. Befragt nach dem eigenen Fitnesszustand gaben sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Schnitt eine 3,3. Lediglich jeder vierte 14- bis 34-Jährige gab sich selbst die Note eins oder zwei. Nur jeder zweite fühlte sich außerdem rundum gesund. Bei Frauen lag der Anteil sogar nur bei 40 Prozent. Bei vielen jungen Menschen habe sich offenbar ein hoher Leidensdruck aufgebaut, so die Autoren, denn mehr als die Hälfte der Befragten führt gesundheitliche Probleme auf Bewegungsmangel zurück.

Um die eigenen guten Vorsätze dennoch umzusetzen, rät Tanja Hantke von der Schwenninger Krankenkasse, die Hürden so gering wie möglich zu halten. „Nehmen Sie die gepackte Sporttasche gleich morgens mit in die Schule, in die Uni oder zur Arbeit. Dann können Sie im Anschluss ohne Umwege zum Sport gehen. Setzen Sie außerdem feste Termine für den Sport oder melden Sie sich bei Vereinen oder Fitnessstudios an.“ Wichtig ist auch, dass der Spaßfaktor stimmt. Hierfür ist Sport mit einem Trainingspartner oder in der Gruppe ideal. „Wer lange nicht aktiv war, sollte sich außerdem am Anfang nicht zu viel vornehmen und sich lieber langsam steigern. Denn Misserfolge demotivieren“, so die Medizinerin. (zab, pm)

Umfrage: Schule und Kita fördern die Bewegung von Kindern zu wenig

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