Tullner stellt Lehrern „Willkommenspaket“ in Aussicht – samt Bauland

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MAGDEBURG. Das Schlagwort Lehrermangel wird derzeit hitzig diskutiert – doch es trifft Stadt und Land unterschiedlich hart. Wie gewinnt man die Nachwuchspädagogen für abgelegene Standorte? Sachsen-Anhalts Bildungsminister Tullner denkt an Zulagen – und an Rundumsorglospakete.

Sachsen-Anhalts neuer Schulminister Marco Tullner (CDU) will kreative Wege gehen um mehr Lehrer zu gewinnen. Foto: EvDa13 / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)
Tullner will kreative Wege gehen um, mehr Lehrer zu gewinnen.            Foto: EvDa13 / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)

Viele Bundesländer denken fieberhaft nach, wie sie den deutschlandweiten Lehrermangel zuerst in ihren eigenen Klassenzimmern beheben können. Sachsen überlegt, Lehrerinnen künftig auch den Beamtenstatus zu geben, auch bessere Bezahlung von Grundschullehrern ist vielerorts im Gespräch. Doch geht es immer nur mit Geld – und wenn ja wie? Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner (CDU) hat verschiedene Pläne, wie er im Interview berichtet.

Die Bundesländer konkurrieren um neue Lehrer. Mehrere Nachbarn planen neue Anreize. Beunruhigt sie das?

Tullner: Ich sehe uns im Konkurrenzkampf mit den neuen Ländern zwar nicht in einer komfortablen, aber durchaus in einer guten Position. Wir haben mit der Verbeamtung ein lange bewährtes Instrumentarium. Die anderen müssen erst einmal liefern. Dass es immer schwieriger wird, geeignete Bewerber anzusprechen und auch dahin zu bringen, wo die Bedarfe bestehen, bleibt aber in jedem Fall das zentrale Thema. Regional denke ich da etwa an die Altmark oder den Wittenberger Raum. Aber insgesamt bin ich verhalten optimistisch.

Also sehen Sie nicht, dass Sachsen-Anhalt unter Zugzwang kommt und auch neue Bonbons verteilen muss?

Tullner: Darüber müssen wir ständig nachdenken. Denn wir stellen ja faktisch permanent ein, mit kurzen Unterbrechungen. Etwas, das ich jetzt stärker in den Blick nehmen will, ist das Thema Bedarfsregionen. Das können Schulen in bestimmten Stadtteilen sein, aber auch im ländlichen Raum. Da könnte ich mir Zulagen vorstellen.

Wie soll der Anreiz mit den Zulagen funktionieren?

Tullner: Zunächst geht es um Finanzmittel aus dem Haushalt, wir können also frühestens 2019 damit starten. Wir müssen auch noch klären, wie sich das mit dem relativ starren Beamtenrecht vereinbaren lässt. Es nützt nichts, wenn ich für alle eine Zulage ausreiche, so wie das jetzt die Brandenburger machen. Dann verpufft der Effekt. Die Zulage soll ja gezielt da wirken, wo sie gebraucht wird. Es gab nach 1990 schon mal etwas Ähnliches.

Kann es denn aus Ihrer Sicht nur über Geld gelingen?

Tullner: Nein. Was wir auch in den Blick nehmen wollen, und zwar zunächst am Beispiel Gardelegen, ist neben den Zulagen die Frage nach einem attraktiven Gesamtpaket. Damit wollen wir einerseits dafür werben, Lehrer zu werden. Anderseits wollen wir aber auch gezielt Personal aufs Land kriegen. In Gardelegen hat sich schon der Stadtrat mit der Idee befasst. Es geht um einen ganzen Strauß an Ideen: von Bauland, Kindergartenplatz, Arbeitsplatz für den Partner und solche Dinge, die man zu einem Willkommenspaket schnüren kann. Das wollen wir ausprobieren. Lehrer haben derzeit komplett freie Auswahl beim Arbeitsort. Da ist es gut, wenn man mit ein paar weichen Faktoren an der Ecke steht. Das Angebot soll schon für Referendare greifen.

Haben Sie nach den vielen hitzigen Lehrer-Debatten schon mal bereut, dass Sie ausgerechnet Bildungsminister geworden sind?

Tullner: Ganz klar: nein. Hätten Sie mich am Anfang gefragt, hätte ich im Wissenschafts- oder Finanzbereich schon stärkere Präferenz gesehen. Aber nach 20 Monaten muss ich sagen, dass es mir wirklich Spaß macht. Das ist zwar keine Harmonieveranstaltung, aber welcher Teil des politischen Betriebs ist das schon? Im Vergleich zu meinen Vorgängern habe ich es dahingehend leichter, dass ich nicht darum kämpfen muss, dass möglichst wenig gespart wird, sondern sich zumindest alle einig sind, dass wir mehr Ressourcen brauchen.

Wenn Sie sagen, Ihre Einstellung hat sich gewandelt, was war der größte Aha-Effekt?

Tullner: Ich habe vorher Wissenschaftspolitik gemacht. Da geht man sehr gepflegt und freundlich miteinander um und ringt um die großen strategischen Linien, die über zehn oder zwanzig Jahre reichen oder gleich die großen Zukunftsfragen der Menschheit betreffen. Das hat viele Vorteile. Aber Schule ist ganz praktisch, ganz real und akut. Mit den Schülern, den Kolleginnen und Kollegen und Eltern erreiche ich einen Großteil der Bevölkerung. Daher bin ich gezwungen, mich wirklich immer zu erden und die konkreten Probleme in den Blick zu nehmen. Durch die neuen Einstellungsoptionen kann ich auch wirklich Lösungen herbeischaffen. Das ist konkreter als die Frage, ob es den Klimawandel wirklich gibt oder der Weltfrieden in Gefahr ist. dpa

Zur Person

Marco Tullner ist seit Frühjahr 2016 Bildungsminister in Sachsen-Anhalt. Der 49-Jährige ist bereits seit 1991 in der CDU, sitzt für die Union seit 2002 im Landtag – mit Unterbrechung: In der vorherigen Wahlperiode tauschte er den Parlamentarierstuhl gegen den Posten als Staatssekretär im Wissenschaftsministerium. Als Minister kann der Hallenser wieder gleichzeitig Abgeordneter sein. 

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