Eine Liebeserklärung an meine alte Schule: Warum das „Annette“ den Deutschen Schulpreis mehr als verdient hat

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MÜNSTER. Der Deutsche Schulpreis 2018 wurde verliehen – und wie immer gibt es auch kritische Stimmen: Hätten nicht viel mehr Schulen in Deutschland eine Auszeichnung verdient als die wenigen Preisträger? Das wird so sein. Trotzdem kann die Bildungsjournalistin Laura Millmann voller Überzeugung sagen: Das Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium, eine der Gewinnerschulen, ist tatsächlich preiswürdig. Laura Millmann war selbst Schülerin dort. Eine Liebeserklärung ans „Annette“ (die sich sicher auf viele andere Schulen in Deutschland übertragen lässt).

Deutscher Schulpreis 2018, 14.05.2018, Preisträger Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium, Münster. Foto: Robert Bosch Stiftung

Es sind genau zehn Jahre vergangen, seitdem ich mein Abitur am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium in Münster gemacht habe. Seitdem habe ich mich oft gefragt, ob ich meine eigene Schulzeit durch eine rosarote Brille sehe – vor allem, wenn die Kollegen bei meinen Erzählungen immer ungläubig den Kopf schütteln. Nun hat das „Annette“, wie es liebevoll genannt wird, den zweiten Platz beim Deutschen Schulpreis 2018 belegt. Und seitdem weiß ich: Ich verkläre nichts, ich hatte einfach Glück!

Natürlich hat das Annette-Gymnasium denkbar gute Voraussetzungen, um guten Unterricht zu machen, mitten in der Altstadt von Münster gelegen – weit weg von sozialen Brennpunkten –, mit größtenteils motivierten Schülerinnen und Schülern. Aber es geht mir hier nicht um einen Vergleich mit anderen Schulen. Es geht um eine meine persönliche Erfahrung, die mich sagen lässt: Meine alte Schule hat diesen Schulpreis definitiv verdient.

Entfaltung: Check!

Eine kleine Geschichte zu Beginn: Letztes Jahr habe ich einen Wochenendausflug nach Erfurt gemacht. In der Stadt, mitten auf der Karlsbrücke, kam mir plötzlich ein bekanntes Gesicht entgegen. Eine ehemalige Referendarin der Schule – inzwischen Lehrerin dort – war zufällig auch zu Besuch in der Stadt. Wir sind uns lachend in die Arme gefallen. All die schönen Erinnerungen kamen sofort zurück: die Kursfahrt nach Rom, das Geschichts-Projekt in der Oberstufe, die Treffen mit ehemaligen Zwangsarbeitern in der Ukraine, die langen Abende und Diskussionen.

In der Laudatio heißt es über das Annette-Gymnasium: „Das ‚Annette‘ zeigt sich als Haus, in dem viele Begabungen zur Entfaltung kommen, viele Interessen verfolgt werden können – auch über den Lehrplan hinaus. Mit Unterstützung eines höchst engagierten Kollegiums.“ All das kann ich so unterschreiben. Das Konzept für das selbstgesteuerte Fremdsprachenlernen, das in der Laudatio erwähnt wird, gab es zwar noch nicht, doch schon zu meiner Zeit hatten wir in der Oberstufe die Möglichkeit, Chinesisch als Fach zu wählen. Die Schule gehörte bereits damals zu den MINT-EC-Schulen, das Angebot an Austauschprogrammen mit anderen Ländern war groß, ebenso die Auswahl an Leistungskursen: Kunst, Physik, Wirtschaft – wir konnten definitiv nach Begabung und Interesse entscheiden.

Das erwähnte Geschichtsprojekt, an dem ich teilgenommen habe, war in seiner Form einmalig und für mich etwas ganz Besonderes. Wir hatten in der Oberstufe die Möglichkeit, im Rahmen einer Geschichts-AG Briefe und Fotos aus dem zweiten Weltkrieg auszuwerten, die ein Soldat aus der Ukraine an seine Familie in Deutschland geschickt hatte. Gemeinsam mit einer Partnerschule in der Ukraine präsentierten wir die Ergebnisse der Auswertung sowohl in der Stadt Ivankiv als auch in Münster. Wir konnten also die Orte besuchen, die wir zuvor auf 55 Jahre alten Fotos betrachtet hatten. Die Motivation, die ich aus diesem Projekt für den normalen Unterricht gezogen habe, war unbezahlbar.

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Wertschätzung: Check!

Dieses Projekt funktionierte auch deshalb so gut, weil unsere Lehrer mit uns auf Augenhöhe kommunizierten. Das mag sich wie eine billige Floskel anhören, doch genauso fühlte es sich an. Wertschätzend, motivierend und manchmal etwas unkonventionell, so habe ich die meisten Lehrer meiner Schulzeit in Erinnerung. Natürlich gab es auch untalentierte, unfaire oder gelangweilte Pädagogen (was wäre eine Schule ohne sie?). Aber das waren Ausnahmen.

 

Wenn ich an meine Schulzeit denke, denke ich vor allem daran: Der damalige Schulleiter kannte die Namen aller (!) Schülerinnen und Schüler. Mein Spanischlehrer hat mich zwei Runden ums Schulgebäude rennen lassen, wenn ich noch zu viel Energie hatte, um still zu sitzen. Wir hatten einen wirklich witzigen Mathelehrer, der auch Verständnis dafür hatte, wenn jemand einfach kein Talent für Mathe mitbrachte – gerade deshalb konnte er sehr gut erklären. Und eine gute Freundin erzählt noch heute davon, wie unser Englischlehrer sie immer unterstützt und ermutigt hat. Obwohl sie bei ihm sogar einmal in die Nachprüfung musste, hat sie die Motivation nie verloren – und publiziert inzwischen ihre wissenschaftlichen Texte auch auf Englisch.

In der Laudatio des Schulpreises wird das Annette-Gymnasium für „Persönlichkeitsbildung“ gelobt. Auch das passt. Ich hatte während meiner Schulzeit das Gefühl, die Lehrerinnen und Lehrer sehen auch die Personen hinter den Schülern. Ihnen war der Charakter ebenso wichtig wie die Leistung. Es wurden auch Talente im Unterricht hervorgehoben, die nichts mit dem eigentlichen Fach zu tun hatten. Und diese Wertschätzung der Lehrerinnen und Lehrer hat sich meiner Meinung nach auch auf uns Schüler übertragen. Die Klassengemeinschaft war meistens wirklich eine „Gemeinschaft“; Mobbing kenne ich eigentlich nur aus Filmen.

Ein bisschen mag die rosarote Brille meinen Blick auf meine Schulzeit vielleicht schon verschleiern. Doch dass ich heute über Bildungsthemen schreibe, hat wohl auch etwas mit den vielen positiven Erfahrungen zu tun. Ich weiß, wie viel Spaß Lernen machen kann, wenn Lehrerinnen und Lehrer wirklich dafür begeistern – und freue mich, dass das am „Annette“ scheinbar immer noch gelingt. Laura Millmann / Agentur für Bildungsjournalismus

Die Bildungsjournalistin Laura Millmann. Foto: Tina Umlauf
Die Bildungsjournalistin Laura Millmann. Foto: Tina Umlauf

Die Journalistin Laura Millmann ist Redakteurin der Agentur für Bildungsjournalismus in Düsseldorf. Sie ist Preisträgerin des Medienpreises Bildungsjournalismus der Telekom-Stiftung 2016. 

 

 

Der Deutsche Schulpreis 2018
Die Robert Bosch Stiftung vergibt den Deutschen Schulpreis seit dem Jahr 2006 gemeinsam mit der Heidehof Stiftung. Er ist der bekannteste und höchstdotierte Preis für gute Schulen im Land. Seit dem Start des Programms haben sich rund 2.000 Schulen für den Preis beworben. Bei der Entscheidung über die Preisträger bewertet die Jury sechs Qualitätsbereiche: „Leistung“, „Umgang mit Vielfalt“, „Unterrichtsqualität“, „Verantwortung“, „Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner“ und „Schule als lernende Institution“.

Diese Merkmale sind inzwischen als Kennzeichen für gute Schulqualität allgemein anerkannt. Der erste Preis ging dieses Jahr an das Evangelische Schulzentrum Martinschule in Greifswald. Hier geht es zu einem Bericht über die Preisverleihung in dieser Woche.

Der Deutsche Schulpreis wird an herausragende Schulen verliehen – es gibt aber auch Kritik an der Auszeichnung

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