Gauck soll bei Demokratiebildung an Schulen helfen

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BERLIN. Der Erziehungswissenschaftler Professor Peter Fauser hat Bundespräsident Joachim Gauck aufgefordert, die Demokratiebildung und den Kampf gegen Rechtsextremismus zur «Chefsache» zu machen.

Demokratiepädagogische Programme vom Präsidialamt aus? Bundespräsident Joachim Gauck. Foto: Tohma / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Demokratiepädagogische Programme vom Präsidialamt aus? Bundespräsident Joachim Gauck. Foto: Tohma / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

«Demokratiepädagogische Programme fristen in Deutschland ein kümmerliches Dasein», sagte Fauser. «Es gibt zwar viele Wettbewerbe und Einzelaktivitäten, aber kein von Bund und Ländern gemeinsam finanziertes Programm zur Demokratieerziehung. Das müsste Chefsache sein.» Diese Aufgabe sollte beim Bundespräsidialamt angesiedelt werden, sagte der Pädagoge von der Universität Jena. «Joachim Gauck wäre dafür zweifellos auch die richtige Person.»

Bislang seien «Demokratie», «Rechtsextremismus», «Rassismus» oft nur Unterrichtsstoffe. «Um Demokratie zu lernen, brauchen wir aber die Erfahrung praktischen Handelns mit anderen, die Erfahrung, Kompromisse zu schließen oder Schwache oder Minderheiten zu schützen.» Diese Erfahrung müssten Schulen vermitteln. «Gute Schulen wissen, wie das geht», sagte Fauser, darunter jene aus dem Förderprogramm Demokratisch Handeln.
«Wir brauchen viel mehr Schulen, die konkret daran arbeiten, dass Demokratie vom abstrakten Unterrichtsstoff und vom Gremien-Leerlauf zum gelebten Alltag und von der Sonntagspredigt zur Werktagspraxis wird», betonte Fauser. Dabei fehle es weder am Wissen noch an Konzepten, aber an Ressourcen wie Lehrerstunden, Geld und Programmen für eine langfristige Arbeit für Demokratieerziehung.
Die Schulen hätten den Auftrag, zur Demokratie zu erziehen und die Menschenrechte zu achten. «Das steht in jedem Schulgesetz», sagte Fauser. «Aber auch in der Schule herrscht zu viel Angst, zu viel Konkurrenz. Sie setzt zu ungebrochen und teilweise verstärkend herkunftsbedingte Unterschiede und Vorurteile fort, sie bietet zu wenig Gelegenheit zum gemeinsamen Handeln», kritisierte er.
Kinder und Jugendliche benötigten aber schützende Zugehörigkeit und Anerkennung. Mangele es daran, entstehe Angst. «Gewalt ist immer eine Folge unbewältigter Angst.» Manche suchten Zugehörigkeit um jeden Preis. «Wir wissen aus der Forschung, dass Jugendliche rechtsextremen Gruppierungen besonders dann gleichsam verfallen, wenn sie dort gemeinsam mit anderen, oft unter Alkoholeinfluss, gewalttätig gegen Dritte geworden sind und dafür Anerkennung erlagen können», beschrieb Fauser die Zusammenhänge. URSULA MOMMSEN-HENNEBERGER, dpa
(10.4.2012)
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Helene Hausmann
12 Jahre zuvor

Der Vorschlag von Herrn Fauser ist nach heutiger Lage Unsinn. Es gibt keine konsistente Didaktik der Demokratie. Die „demokratische“ Mätzchen an den Schulen bilden die Wirklichkeit nicht ab. Demokratie ist für den demokratischen Sozialisten etwas ganz anderes als für den demokratischen Konservativen. Wolfgang Edelstein hat schon Millionen in Brandenburg in Demokratie-Projekte verbraten – ohne jegliche Wirkung. Gebildete Schüler, also solche, die etwas wissen in Mathematik, Physik, Bio, Chemie, Deutsch, Englisch, Geschichte, WiPo etc. wissen um die Strukturen demokratischer Gesellschaften (da gibt es verschiedene Modelle). Wenn sie dann noch eine Unterweisung in die Dimensionen der „Aufklärung“ nach Kant, vor dem Hintergrund der Gedanken z. B. von Locke und Hume, bekommen, sind sie gewappnet für alle Demokratiespielchen und -versprechen in der außerschulischen Realität. Letzteres sind nicht weiter als die traditionellen Unterrichtsinhalte, die weit entfernt von der bildungstötenden „modernen“ Kompetenzorientierung sind.

Helene Hausmann

Marco Schwarz
11 Jahre zuvor
Antwortet  Helene Hausmann

Und ab welchem Alter wollen sie die Ideen von Locke, Hume und Kant unterrichten lassen, wenn diese selbst in Politikstudium nur eine untergeordnete Rolle spielen. Und woher kommt ihre Erkenntnis der fehlenden Wirkung von demokratiepädagogischen Projekten? Unsere Demokratie braucht innovative Ideen der Übung und nicht nur die humanistischen Bildungsvorstellungen des Gymnasiums.