Die „dokumenta“ macht Physik zur Kunst

0

KASSEL. Der Physiker Anton Zeilinger (67) wird zur „documenta“ eingeladen und zeigt dort Experimente: Die wichtigste Ausstellung zeitgenössischer Kunst hat dem österreichischen Experimentalphysiker und Quantenforscher  im Fridericianum, dem Hauptgebäude, einen ganzen Saal freigeräumt.

Wir sprachen mit dem Professor der Universität Wien und Direktor des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der österreichischen Akademie der Wissenschaften über die Frage, was Physik und Kunst miteinander zu tun haben.

Präsentiert Experimente auf der "didacta": Der österreichische Physiker Anton Zeilinger. Foto: Jaqueline Godany / Wikimedia Commons (CC BY 2.5)
Präsentiert Experimente auf der "didacta": Der österreichische Physiker Anton Zeilinger. Foto: Jaqueline Godany / Wikimedia Commons (CC BY 2.5)

Als die documenta auf Sie zukam – was haben Sie da gedacht?

Zeilinger: «Ich fand das sehr interessant. Die künstlerische Leiterin und die Co-Kuratorin sind zu mir zu Besuch gekommen, in meinen Urlaubsort. Wir haben den ganzen Tag diskutiert, von Physik bis Philosophie. Zuerst haben sie gefragt, ob ich Berater der documenta sein könnte. Nach einiger Zeit kam die Frage, ob wir uns auch vorstellen könnten, Experimente zu zeigen.»

Was hat ein Physiker auf einer Kunstausstellung eigentlich verloren?

Zeilinger: «Das haben sie mir nicht erklärt und diese Erklärung wollte ich auch nicht. Wenn Sie das wissen wollen, müssen sie die documenta fragen.»

Die künstlerische Leiterin sagt: «Die Grenze zwischen dem, was Kunst ist und was nicht, wird unwichtiger.» Bei Kunst und bei Wissenschaft gehe es «um die Übung, sich die Welt anders vorzustellen».

Anzeige

Zeilinger: «Sich die Welt anders vorstellen – das ist in der Wissenschaft ganz wichtig, das ist schon eine Gemeinsamkeit. Auch die Rolle der Kreativität, die Suche nach neuen Ideen und neuen Konzepten… Das ist in den Naturwissenschaften und Künsten etwas Gemeinsames.»

Sie haben einmal gesagt, in der Physik gehe es um Schönheit…

Zeilinger: «Die Quantenmechanik ist von unglaublicher Schönheit! Wobei wir in der theoretischen Physik unter Schönheit verstehen, wenn mit sehr wenigen Symbolen sehr viel ausgedrückt wird und wenn die Gleichungen eine Symmetrie besitzen. Ein schönes Experiment muss einen Pfiff haben, es muss etwas Interessantes dahinterstecken – noch eine Parallele zur Kunst. Es geht auch bei uns häufig um Reduktion: so einfach wie möglich zu realisieren, was man zeigen will. Das hat mit der ästhetischen Reduktion in der Kunst zu tun.»

Bei so vielen Parallelen: Wo liegen die Unterschiede?

Zeilinger: «Es gibt eine ganz klare Trennungslinie: Dass wir in der Physik den Bezug zur überprüfbaren Wirklichkeit haben. Es ist etwas nur dann wissenschaftlich, wenn wir es im Experiment überprüfen können. In der Kunst hört man dann wahrscheinlich: „Das kann man aus einem anderen Winkel sehen“ und so weiter und so fort.»

Haben Sie schon den Rest der Ausstellung gesehen? Was hat Ihnen am besten gefallen?

Zeilinger: «Was ich interessant gefunden habe, waren diese Motoren von Thomas Bayrle in der documenta-Halle und dieser nachgebaute Rechner in der Orangerie. Der wurde gebaut, um Liebesbriefe zu schreiben, das finde ich recht witzig. Ich habe auch gelernt, dass Konrad Zuse (Anm.: der Erfinder des Computers) gemalt hat. Aber ob er gut gemalt hat, weiß ich nicht, das kann ich nicht beurteilen.» Gespräch: SANDRA TRAUNER; dpa

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments