Urteil: Religiöse Beschneidung ist Körperverletzung

3

KÖLN (Mit Leserkommentaren). Ärzte, die allein aus religiösen Gründen Jungen beschneiden, machen sich wegen Körperverletzung strafbar. Das urteilte jetzt das Landgericht Köln (Aktenzeichen 151 Ns 169/11).

Gericht: Religiöse Beschneidung ist Körperverletzung; Foto: dierk schaefer/Flickr (CC BY 2.0)
Gericht: Religiöse Beschneidung ist Körperverletzung (hier eine Darstellung von Jesu' Beschneidung auf einem Gemälde) Foto: dierk schaefer/Flickr (CC BY 2.0)

Nach einem Bericht der „Financial Times Deutschland“ werden in Deutschland jedes Jahr mehrere tausend Jungen in ihren ersten Lebensjahren beschnitten. Weltweit seien es rund ein Viertel aller Männer.

Das Verbot gelte, wenn keine medizinische Notwendigkeit vorliege, und auch, wenn die Eltern des Jungen ihre Einwilligung für die Beschneidung erteilt haben.  Eltern seien nicht zu einer solchen Einwilligung berechtigt. Die körperliche Unversehrtheit überwiege die Grundrechte der Religionsfreiheit und des Erziehungsrechts. Es müsse abgewartet werden, ob sich das Kind später selbst für eine Beschneidung entscheide, berichtet die Juristenseite „ra-online“.

Kölner Arzt wird vor Gericht frei gesprochen

Hintergrund des Urteils ist der Fall eines Kölner Allgemeinmediziners, der im November 2010  die Beschneidung eines vierjährigen Jungen durchgeführt hat, ohne dass eine medizinische Indikation vorlag. Die Eltern des Kindes, die dem islamischen Glauben angehören, hatten zuvor eine Einwilligung erteilt. Zwei Tage nach dem Ritual kam es zu Nachblutungen, die Mutter brachte den Jungen in die Kindernotaufnahme eines Krankenhauses, berichtet die „Financial Times“. Die Staatsanwaltschaft habe davon Kenntnis erlangt und Anklage gegen den Beschneider erhoben.

Anzeige

Der Arzt stand jetzt wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. In erster Instanz hatte das Amtsgericht Köln den Angeklagten freigesprochen. Begründung: Der Eingriff sei aufgrund der wirksamen Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern gerechtfertigt. Die Entscheidung habe sich an dem Wohl des Kindes ausgerichtet, da die Beschneidung als traditionelle Handlungsweise der Dokumentation der kulturellen und religiösen Zugehörigkeit diene. Ferner dürfe nicht verkannt werden, dass das Ritual auch im amerikanischen und angelsächsischen Raum aus hygienischen Gründen einen wichtigen Stellenwert einnehme.

Kind kann sich später selber zur Beschneidung entscheiden

Die seitens der Staatsanwaltschaft Köln gegen das Urteil eingelegte Berufung hat das Landgericht Köln verworfen, so dass der ursprüngliche Freispruch rechtskräftig ist. Die Argumentation lautete diesmal, dass der äußere Tatbestand der einfachen Körperverletzung zwar erfüllt sei. Dieser Eingriff sei insbesondere nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt, weil sie nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Denn im Rahmen einer vorzunehmenden Abwägung überwiege das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit. Die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern würden nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie  abwarten müssten, ob sich das Kind später selbst für eine Beschneidung entscheidet.

Die Kammer hat  im Ergebnis dennoch den Arzt freigesprochen, weil der Angeklagte sich in einem sogenannten „unvermeidbaren Verbotsirrtum“ befunden habe. Er habe angenommen, dass sein Handeln rechtmäßig gewesen sei. Dieser Irrtum sei für ihn unvermeidbar gewesen, da die zugrunde liegenden Rechtsfragen in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet würden. nin

(26.6.2012)

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

3 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
sofawolf
11 Jahre zuvor

Das Urteil finde ich mutig. Aber wenn wir als Gesellschaft die Beschneidung der Geschlechtsorgane von Frauen in Afrika ablehnen, dann müssen wir das wohl auch bei Männern (Jungen) tun. Jedenfalls, wenn es nicht ihrem freien Willen entspricht.

UN-Konvention
11 Jahre zuvor

Schon in der UN-Konvention „Schutz der Rechte der Kinder“(1990 von der BRD unterzeichnet steht, „überlieferte Bräuche“ abzuschaffen die gegenüber den Kindern irreparablen Schaden anrichten. Deshalb ist dieses Urteil längst überfällig. Denn alle Argumente die Genitalverstümmelung (verharmlosend Beschneidung genannt) begrüßen, zielen letztendlich immer darauf ab, den Betroffenen in seiner sexuellen Selbstbestimmtheit zu bevormunden…

sofawolf
11 Jahre zuvor

Wie ich gerade lese, geht im allgemeinen Trubel mal wieder unter, dass das Gericht gar nicht die religiös motivierte Beschneidung verboten hat, sondern einen Aufschub verlangt, bis das Kind selbst bewusst entscheiden kann, ob es das will oder nicht. Das ist doch i.O.

Ich kenne einen Türken, der mir mal gesagt hat, dass sich sein Penis (die Eichel?) aufgrund der Beschneidung oft wundscheuert und deshalb für ihn dann manchmal Unterwäsche unangenehm zu tragen ist.