Erst Betreuungsgeld, jetzt Elterngeld: Koalition streitet über Familienpolitik

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BERLIN (Mit Leserkommentar). Der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel läuft die Familienpolitik aus dem Ruder: Erst der Streit ums Betreuungsgeld, nun debattiert die schwarz-gelbe Koalition über Sinn und Nutzen des Elterngeldes. Die Liberalen wollen gern das eine mit dem anderen verbinden. Verlässlichkeit sieht anders aus, meint nicht nur die Opposition.

Das Thema Familienpolitik droht ihr den Sommer zu verhageln: Angela Merkel. Foto: Rudolf Simon / Wikimedia Commons (CC-BY-3.0)
Das Thema Familienpolitik droht ihr den Sommer zu verhageln: Angela Merkel. Foto: Rudolf Simon / Wikimedia Commons (CC-BY-3.0)

Der Vorstoß von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) zum Elterngeld sorgt in der schwarz-gelben Koalition für neue Debatten über Leistungen für Familien. Die FDP fordert, nicht nur die Wirksamkeit des Elterngeldes zu überprüfen, sondern auch die des umstrittenen Betreuungsgeldes. «Da gehört alles auf den Tisch – also nicht nur das Elterngeld, sondern dann auch das Betreuungsgeld», sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring der Zeitung «Die Welt». Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) mahnte in der «Rheinischen Post» Verlässlichkeit in der Familienpolitik an, «anstatt junge Familien durch Kürzungsdiskussionen zu verunsichern».

Kauder hatte angesichts der weiter sinkenden Geburtenzahlen eine Überprüfung des von der großen Koalition eingeführten Elterngeldes nach der Bundestagswahl angekündigt.

Die Grünen werfen dem Unions-Fraktionschef vor, die Leistung zur sehr an den Geburtenzahlen festzumachen. «Einerseits wehrt sich die Union gegen den Begriff Herdprämie für ihr Betreuungsgeld, andererseits stuft Kauder das Elterngeld nun zur reinen Gebärprämie herab», sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Anstatt es grundsätzlich infrage zu stellen, müsse das Teilelterngeld endlich eingeführt werden.

Für eine zeitliche Ausdehnung der Elterngeldzahlungen sprach sich Haderthauer aus: «Unser mittelfristiges Ziel sollte sein, das Elterngeld auf 24 Monate auszuweiten, davon sollten zwölf Monate als Partnermonate reserviert werden.» Sie wisse, dass ein längeres Elterngeld derzeit finanziell nicht zu verwirklichen sei, verwies aber zugleich darauf, dass «Länder mit erfolgreicher Familienpolitik» bereits heute die ersten zwei Lebensjahre des Kindes finanziell abpuffern würden. Dies entspreche den Bedürfnissen der Familien. Deshalb solle die Politik «auf diesem Feld endlich mal Verlässlichkeit vermitteln».

Bund der Steuerzahler fordert Aus für Elterngeld

Geld sei «nur ein wichtiger Baustein» für junge Eltern auf dem Weg zur Familie, sagte der Hamburger CDU-Landesvorsitzende Marcus Weinberg dem «Hamburger Abendblatt». Genauso wichtig seien Kita-Plätze und die Wertschätzung der Familie in der Gesellschaft. Das Elterngeld bezeichnete er als «großen Erfolg». «Es wäre fatal, nur die Geburtenrate als Indikator für Misserfolg oder Erfolg dieser politischen Maßnahme zu nehmen», sagte Weinberg.

Döring erinnerte daran, dass in der Koalition bereits für diese Legislaturperiode eine umfassende Evaluierung aller familienpolitischen Leistungen vereinbart worden sei. Dabei sei auch das Betreuungsgeld «wie alle anderen Leistungen darauf zu überprüfen, ob es den Zielen einer modernen Familienpolitik gerecht wird».

Der Bund der Steuerzahler fordert bereits das Aus für das Elterngeld. «Das Elterngeld hat seine Wirkung voll und ganz verfehlt, das Vorhaben ist gescheitert», sagte der neue Präsident des Bundes, Reiner Holznagel, den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. Er forderte eine Rückkehr zum alten Erziehungsgeld: «Dann würde der Bund 2,9 Milliarden Euro im Jahr sparen.»

Holznagel begrüßte den Vorstoß Kauders. Es sei gut, dass die Politik jetzt die Fakten wahrnehme. Die Anreize für potenzielle Eltern hätten nichts gebracht. dpa
(7.7.2012)

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sofawolf
11 Jahre zuvor

In einem Artikel las ich neulich von 153 familienpolitischen Leistungen der Bundesregierung. Das ist toll, – nur „gebärfreudiger“ hat das die Deutschen auch nicht gemacht, hieß es. Ich fände es besser, dafür zu sorgen, dass Leistungen für Kinder auch bei den Kindern ankommen! Z.B. durch kostenlose oder extrem verbilligte Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Freizeitangeboten, Mittagessen in und Lehrmittel für die Schule usw. Die Politik, einfach nur „Geld auszuschütten“, ist offensichtlich gescheitert.