Auslandslehrer: „In Japan ist die 80-Stunden-Woche die Regel“

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TOKIO. Rund 2000 deutsche Lehrer befinden sich ständig im Ausland. Einer davon ist Peter J. Alexander. Für News4teachers.de berichtet er von seinem Leben in Japan und seiner Arbeit an der Deutschen Schule in Tokio/Yokohama, Japan:

Peter J. Alexander ist schon zum zweiten Mal als Lehrer in Japan. (Foto: Privat.)
Peter J. Alexander ist schon zum zweiten Mal als Lehrer in Japan. (Foto: Privat)

„In Japan gefällt mir fast alles. Es ist mein zweiter Japanaufenthalt, der erste war von 1987 bis 1993, jetzt bin ich seit 2008 hier. Das Kollegium hier ist einfach super. Allein der Krankheitsstand ist äußerst niedrig; 98 Prozent unseres Unterrichts werden erteilt. Der Arbeitseinsatz ist zwar hoch, eine 60- bis 80-Stunden-Woche ist die Regel, wird aber belohnt durch eine sehr interessante und abwechslungsreiche Tätigkeit. Die Schule hier ist schon wegen seiner Interkulturalität interessant; über 70 Prozent unserer Schüler sind zweistaatlich (die meisten haben eine japanische Mutter und einen deutschen Vater; zu dieser Kategorie gehöre ich auch, unsere drei Kinder wachsen bilingual auf). Überhaupt mag ich die sehr freundlichen und friedlichen Menschen, die positive Lebenseinstellung, die ‚contenance‘ in Krisensituationen (etwa nach der Katastrophe in Fukushima), die japanische Sprache und die Esskultur. Die Harmoniebedürftigkeit der Japaner hat aber auch Schattenseiten; es gibt so gut wie keinerlei Diskussionskultur. Bei debattierenden Deutschen etwa haben sie das Gefühl, dass man sich streitet. Gewöhnungsbedürftig ist außerdem der Verkehr, der nicht ganz regelgerecht läuft.

Besuchern empfehle ich die Reisemonate April/Mai und den Herbst. In diesen Monaten sind die Temperaturen warm; der Sommer dagegen ist tropisch heiß, der Winter ungemütlich. Auf jeden Fall sollte man sich einen Railpass besorgen; alles ist hier per Bahn problemlos erreichbar Japan ist meine zweite Heimat: Gerne würde ich hier bleiben, gehe aber auch gerne wieder zurück nach Deutschland. Das ist eine Angelegenheit, die ich von meiner Familie abhängig mache. Meine Frau und unsere Söhne zieht es wieder nach Deutschland, unsere Tochter würde gerne noch bleiben. Vermissen werde ich alles, was mit Japan, zu tun hat.“

Bewerbung und Finanzierung

Lebenshaltungskosten: Etwa 50 Prozent höher als in Deutschland.

Miete: Häuser in Yokohama für eine fünfköpfige Familie kosten rund 5000 Euro/Monat.

Beste Reisezeit Japan: April/Mai und Herbst.

Da Auslandslehrer nur maximal sechs Jahre bleiben dürfen, ist der Bedarf eigentlich nie gedeckt, berichtet die Zentralstelle für das Auslandschulwesen. Besonders gute Chancen haben Deutschlehrer aus der Sekundarstufe II. Es gibt zwei Möglichkeiten für Lehrer, sich bei Schulen im Ausland zu bewerben: Entweder über den üblichen Bewerbungsweg bei der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) als ‚entsandte Lehrkraft‘ oder direkt bei den Schulen (zum Beispiel als ‚Ortslehrkraft‘). Die Auslandsbezüge setzen sich in der Regel aus zwei Teilen zusammen: Dem steuerpflichtigen Grundgehalt entsprechend der Besoldungsgruppen und Dienstalterstufen sowie gegebenenfalls einem Mietzuschuss und Auslandszulagen wie Kaufkraftausgleich, Zuschüsse für Ehepartner und Kinder. Die Auslandszuwendungen reichen aus, um einen angemessenen Lebensunterhalt, selbst in der zweitteuersten Stadt der Welt Tokio, zu bestreiten. nin

(25.7.2012)

Zum Bericht Nr. 2 von Rolf Linse aus dem Silicon Valley/Kalifornien: „Das Wort ‚Problem“ ist tabu“

Zum Bericht Nr.3 von Sybill Ravens aus Kopenhagen/Dänemark: „Der Kontakt mit den Schülern ist unbefangener“

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4 Kommentare
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sofawolf
11 Jahre zuvor

Wow, da packt mich sofort das Fernweh. Habe während des Studiums schon mal im Ausland gelebt und möchte es gerne noch mal für ’ne Zeit. Leider gibt es später immer Gründe, warum es gerade nicht geht (und irgendwann ist es zu spät). Danke für diesen „Tipp“. Ich sollte mich vielleicht doch noch mal umschauen.

sofawolf
11 Jahre zuvor

… 80-Stunden-Woche, ich weiß nicht. Wir müssen ja nicht alles nachmachen, was die anderen so treiben.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

80-Stunden-Woche vielleicht auch für Schüler? Hieß es nicht immer, Japan hätte unter Schülern eine besonders hohe Selbstmordrate? Zur Belohnung hat man mehr PISA-Punkte, kann sich aber leider dafür nichts kaufen. Das ungegliederte Schulsystem hat übrigens in Japan seine Schattenseiten: Es gibt Aufnahmeprüfungen für die weiterführenden Schulen nach Klasse 9 oder 10. Und dafür muss mit viel Nachhilfeunterricht extra gebüffelt werden, besonders bei den bevorzugten Elite-Schulen. Da lobe ich mir doch unsere Gymnasien, die im Normalfall keine Aufnahmeprüfung haben.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Den japanischen Drill halte ich für genauso übertrieben wie die Bückkultur gegenüber Vorgesetzten. Allerdings sind Lehrer und überhaupt Lernen in Japan hoch angesehen. Nicht umsonst zählen Japaner nicht als Migranten, wenn es um die Erklärung schlechter Schulleistungen geht. Das sind eher die aus dem türkisch-arabischen Raum.