Lehrerverbände in Baden-Württemberg empört über Sparpläne

0

STUTTGART (Mit Kommentar). Wenige Tage nach der Ankündigung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, fast 12.000 Lehrerstellen zu streichen, laufen baden-württembergischen Lehrerverbände Sturm gegen die Pläne der Landesregierung.

„Seit heute sind die 18 Seiten zum Thema Bildungspolitik im grün-roten Koalitionsvertrag nicht mehr das Papier wert, auf das sie gedruckt wurden. Die Landesregierung hat ‚bessere Bildung für alle‘ versprochen und wird es jetzt mit der geplanten Streichung von 11.600 Lehrerstellen nicht einmal schaffen, den Status quo der schlechten Bildungspolitik von CDU und FDP zu halten“, sagte Doro Moritz, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg. Das sei eine bildungspolitische Bankrotterklärung zu Lasten der Jüngsten im Lande. Schüler, Eltern und Lehrkräfte hätten nicht erwartet, dass die Bildungspolitik nach dem Politikwechsel so unter die Räder komme.

In eine ähnliche Richtung zielt die Kritik des Philologenverbands. Die Vereinigung der Gymnasiallehrer fühlt sich auf Kosten der Gemeinschaftsschulen benachteiligt. 680 Gymnasiallehrerstellen sollen bis zum Jahr 2014 offenbar von den Gymnasien an die Gemeinschaftsschulen umgeschichtet werden. „So also sieht es aus, wenn keine Schulart benachteiligt wird. Wie soll das funktionieren bei wachsenden Schülerzahlen an den Gymnasien?“ fragt verärgert der Vorsitzende Bernd Saur. „Wie soll die rechtlich zustehende, versprochene und immer wieder verschobene Rückgabe der Überstundenbugwelle im Umfang von 1.400 Lehrerstellen (entsprechend 70 Millionen Euro) bei einer solchen Stellenkürzung im gymnasialen Bereich noch umgesetzt werden?“

Das Kultusministerium weist die Vorwürfe des Philologenverbands als nicht nachvollziehbar und irreführend zurück. Der Verband habe offenbar nicht erkannt, dass auch der Bildungsbereich angesichts der Finanzsituation des Landes einen Einsparbeitrag leisten müsse, erklärte ein Sprecher.

Die Lehrerverbände sind nicht gut auf Winfried Kretschmanns Sparpläne zu sprechen.  (Foto: BÜNDNIS 90/Die Grünen/Flickr CC BY 2.0)
Die Lehrerverbände sind nicht gut auf Winfried Kretschmanns Sparpläne zu sprechen. (Foto: BÜNDNIS 90/Die Grünen/Flickr CC BY 2.0)

Angesichts des allgemeinen Schülerrückgangs sei es nicht mehr möglich, alle vorhandenen Stellen im Gymnasial- und insgesamt im Schulbereich zu bewahren. Zudem müsse die Gemeinschaftsschule wie jede andere gesetzliche Schulart auch mit ausreichend Lehrerstellen versorgt werden. „Das Ministerium nimmt beim Einsatz der Stellen auf die Gesamtentwicklung in allen Schularten Rücksicht und wird selbstverständlich keine Schulart bevorzugen.“ Das Kultusministerium lege oberste Priorität auf eine gute Unterrichtsversorgung, betonte der Sprecher. So werde sich die Situation im kommenden Schuljahr voraussichtlich sogar verbessern, da die demografische Rendite im System bleibt und die Krankheitsvertretungen ausgebaut werden.

Frust unter den Lehrern ist riesig

Die Beteuerungen scheinen die Lehrerverbände nicht zu beruhigen. Die Vorsitzende des Verbands der Berufsschullehrer Margarete Schaefer erinnerte die heutigen Regierungsfraktionen an ihr Minderheiten-Votum in der Enquete-Kommission kurz vor der Landtagswahl. Hier hätten SPD und Grüne beantragt, im Bereich der beruflichen Schulen in den nächsten drei Jahren jährlich 400 zusätzliche Lehrerstellen zu schaffen. Jetzt werden im Gegenteil Stellen gesperrt und Stellenstreichungen angekündigt. Dadurch erzeuge man Politikverdrossenheit. Der Frust unter der Lehrerschaft an beruflichen Schulen über dieses Verhalten sei riesig. Mit einer chronischen Unterversorgung der beruflichen Schulen und damit auch der beruflichen Bildung gefährde man auch den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg, so BLV-Vorsitzende Schaefer.

Der einzige Verband, der ansatzweise Verständnis für die Landesregierung zeigt, ist der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg. Es sei verständlich, dass das Land aufgrund der immensen Schuldenlast sparen müsse. Sie erwarteten jedoch, dass Sparmaßnahmen nicht zu Schnellschüssen füh­ren, sondern, wenn überhaupt, dann ausgewogen und wohl überlegt durch­geführt würden. Der Verband bedauere jedoch außerordentlich, dass durch die Schrift des Rechnungshofes und die entsprechenden Äußerungen von Ministerpräsident Winfried Kretsch­mann der Anschein erweckt werde, dass jetzt bei den Lehrerstellen ein Kahlschlag ungeheuren Ausmaßes drohe. „Sparwut tut selten gut“, sagt VBE-Chef Gerhard Brand mit Blick auf die vielen tausend wackligen Lehrerstellen. nin

(12.7.2012)

 

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments