Stand der Inklusion in Hessen umstritten

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WIESBADEN. In Hessen gibt es erhebliche Differenzen zum Fortschritt der Inklusion. Bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention unterstreichen das Kultus- und Sozialministerium in Wiesbaden zwar ihr Bemühen, harsche Kritik kassiert die Landesregierung aber von Verbänden, Gewerkschaften und der Opposition.

Die Inklusion soll zum Beispiel in der Schule gleichwertige Bedingungen für Behinderte und Nicht-Behinderte schaffen, etwa mit gemeinsamen Unterricht. Deutschland will damit eine UN-Regel aus dem Jahr 2009 umsetzen. Am 17. August wird in Wiesbaden ein hessischer Aktionsplan für mehr Teilhabe der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist seit der UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 zwar ein Menschenrecht. Aber im Alltag gibt es für Menschen mit Behinderung noch etliche Hindernisse. Das gilt auch für öffentliche Einrichtungen, die eigentlich auch für die erreichbar sein sollten, die keine Treppen steigen oder schlecht sehen können.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gibt dem Land, das sich selbst auf einem guten Weg sieht, miserable Noten für die Inklusion. «Was bisher gelaufen ist, ist ein Armutszeugnis», urteilt der Landesvorsitzende Jochen Nagel. «Es wird höchste Zeit, mit der Inklusion anzufangen, denn es ist ein Gewinn für alle. Die Aufgabe des Landesregierung ist es, dass die bessere Alternative auch als solche anerkannt wird.»

Die Landesregierung setze wohl darauf, dass viele auf die Inklusion verzichten, weil die Rahmenbedingungen so schlecht seien, so die GEW. Viele Menschen hätten Bedenken. «Die Lehrerstellen werden nicht ausgeweitet und Ressourcen nicht zur Verfügung gestellt», bemängelte Nagel. Abgesehen von wenigen Leuchtturm-Projekten sei die Inklusion noch überhaupt nicht richtig angelaufen.

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Unzufrieden mit dem Engagement Hessens bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention ist auch der Landeswohlfahrtsverband (LWV). «Es besteht großer Nachholbedarf bei der Inklusion an Schulen», kritisierte der Erste Beigeordnete Andreas Jürgens. Ziel müsse es sein, dass behinderte Menschen problemlos dorthin gehen können, wo andere auch lernen, arbeiten und wohnen. Jürgens hat den Eindruck: «Da muss sich noch einiges tun; bei der Landesregierung, den Schulen und Lehrern. Wenn die Voraussetzungen stimmen würden, würden wohl die meisten das Angebot auf normalen Schulen annehmen.»

Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet Deutschland zum gemeinsamen Unterricht. Foto: Honza Soukup / Flickr (CC BY 2.0)
Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet Deutschland zum gemeinsamen Unterricht. Foto: Honza Soukup / Flickr (CC BY 2.0)

Auch in Studien der Bertelsmann-Stiftung kommt Hessen bei der Inklusion nicht gut weg. So heißt es etwa: «Hessen ist im Ländervergleich eines der Schlusslichter bei der Inklusion.» Das Kultusministerium wies die Vorwürfe zurück und bemängelte die Methodik der Erhebung. Das Land misst der Behindertenpolitik hingegen nach eigenem Bekunden seit Jahren große Bedeutung bei. «Das hessische Schulgesetz und die Verordnung haben die Voraussetzungen geschaffen für eine zielgerichtete und qualitativ hochwertige Entwicklung hin zu mehr inklusivem Unterricht», sagte eine Sprecherin des Ministeriums.

Der Aktionsplan, der am 17. August präsentiert wird, sei in enger Abstimmung mit Verbänden und Interessenvertretungen aufgestellt worden. Dabei gehe es um Themen wie Zugänglichkeit und Barrierefreiheit, Bildung, Arbeit und Beschäftigung und Bewusstseinsbildung. dpa

(5.8.2012)

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