Immer mehr Menschen mit Zuwanderergeschichte leben in Deutschland

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WIESBADEN. Jedes dritte Kind in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, in der gesamten Bevölkerung sind es  16,0 Millionen Menschen. Das entspricht einem Anteil von 19,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung Deutschlands, teilte das Statistische Bundesamt in seiner jüngsten Erhebung mit.

Fußball-Star Podolski, Schauspielerin Kekilli und Deutsche-Bank-Chef Jain gehören dazu: Immer mehr Menschen haben Wurzeln im Ausland – besonders Großstädter und junge Leute.  Fachleute fordern dringend Reformen des Bildungssystems.

Vor allem die zweite und dritte Generation der Zuwanderer sowie Ausländer – insbesondere aus Ost- und Südeuropa – haben zu dem Plus beigetragen. Auf diese Entwicklung müssen Kitas und Schulen nach Einschätzung von Fachleuten viel stärker reagieren. «Menschen mit Migrationshintergrund sind keine Minderheit mehr», betont Ulrich Kober von der Bertelsmann-Stiftung. «Die Vielfalt wird immer mehr zur Normalität.»

«Das drängende Problem ist nach wie vor, dass 14,1 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund keinen Schulabschluss und 40,6 Prozent keinen berufsqualifizierenden Abschluss haben», sagt die Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Christine Langenfeld. «In der Folge sind sie anderthalbmal so häufig arbeitslos wie Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund.»

«Die Schulen müssen sich verstärkt darauf einstellen, dass Klassen mit einem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund der Normalfall sind», fordert die Jura-Professorin. «Wichtig ist daher eine kontinuierliche Sprachförderung. Außerdem sollten Ganztagsschulen mit Nachmittagsunterricht weiter ausgebaut werden. Dies kommt vor allem Schülern zugute, die aus bildungsfernen Familien stammen oder einen Migrationshintergrund haben.»

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Mehr, kontinuierlichere und bessere Deutsch-Förderung – und das über die gesamte Schullaufbahn hinweg – hält auch die Migrations- und Bildungsforscherin Janina Söhn von der Universität Bremen für entscheidend. «Bildung muss besser finanziert werden. Dazu gehören auch kleinere Klassen und für heterogene Lerngruppen besser ausgebildete Lehrer.» Kinder aus ärmeren Familien, ob zugewandert oder nicht, profitierten davon besonders. Eine Hürde für den Kita-Besuch seien in solchen Familien auch die Kosten. «Für arme Familien können 30 Euro im Monat schon viel sein.» Söhn warnt jedoch auch: «Menschen mit Migrationshintergrund sind aber nicht per se eine Problemgruppe.»

«Je jünger die Menschen sind, desto bunter», sagt Ulrich Kober von der Bertelsmann-Stiftung. Dass deutlich weniger Kleinkinder aus Zuwandererfamilien in die Kita gehen, hänge auch damit zusammen, dass diese Einrichtungen noch nicht so auf die Vielfalt eingestellt seien. «Man muss in die Familien und in die Stadtteile gehen.» So sollten etwa Moschee-Gemeinden und türkische Elternvereine gezielt angesprochen werden.

Die Frankfurter Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) stellte kürzlich fest: «Wir erreichen viele Eltern nicht.» Notwendig seien beispielsweise Hilfen für Mütter und Väter, die wegen ihrer mangelnden Deutschkenntnisse nicht zum Elternabend kämen.     Der Kindergartenbesuch sollte nach Ansicht von Steffen Kröhnert vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung möglichst verbindlich werden. Neben der frühkindlichen Bildung hält er die Ganztagsbetreuung in der Schule für das A und O. «Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern profitieren vom Lernumfeld mehr als wenn sie zu Hause vorm Fernseher sitzen.» Wichtig seien zudem mehr Migranten als Erzieher und Lehrer. Denn: «Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland wird weiter steigen.» dpa

(19.9.2012)

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Kehrhelm Kröger
10 Jahre zuvor

«Menschen mit Migrationshintergrund sind keine Minderheit mehr»

Dann stimmt es doch, dass die Deutschen zur Minderheit im eigenen Land werden, ganz so wie von Konservativen immer vorausgesagt wurde!

«Je jünger die Menschen sind, desto bunter»

Also immer weniger Deutsche unter den Neugeborenen. Die Deutschen werden zur Minderheit im eigenen Land, eine Tatsache, die heute noch vielerorts als krankhaftes Hirngespinst und verantwortungslose Stimmungsmache diffamiert wird!

«Man muss in die Familien und in die Stadtteile gehen.» So sollten etwa Moschee-Gemeinden und türkische Elternvereine gezielt angesprochen werden.

Das läuft mit Sicherheit darauf hinaus, dass orientalische Ernährungsvorstellungen und Feiertagsregelungen in den staatlichen Kita-Einrichtungen Einzug erhalten und weitergehend auf ausländische Kulturbefindlichkeiten Rücksicht genommen wird. Ganz so, wie Konservative es Jahren vorhersagen. Eine Islamisierung, eine Balkanisierung der deutschen Heimat, ein Vielvölkergemisch.

mehrnachdenken
10 Jahre zuvor

Ach, sehen Sie es doch ‚mal so: Die Wiege aller Menschen liegt in Afrika, und wir haben alle noch einige Prozent Neandertaler in uns. Irgendwie doch beruhigend, dass wir alle miteinander verwandt sind.
Spaß beiseite, Ihre warnende Stimme habe ich schon verstanden. Was würden sich die Christen in der Türkei freuen, wenn sie auch dort ihren Glauben sanktionsfrei praktizieren und problemlos neue Kirchen bauen könnten!
Wenn die Deutschen auch weiterhin so wenige Kinder kriegen, werden sie tatsächlich irgendwann in der fernen Zukunft Fremde im eigenen Land sein. Allerdings können die hier lebenden Ausländer mit oder ohne muslimische Wurzeln nichts dafür. Was schlagen Sie also vor?

Ursula Prasuhn
10 Jahre zuvor

Probleme mit der Integration scheinen mir in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung. Leider werden sie sowohl von Politikern als auch von den Mainstream-Medien sehr einseitig zugunsten der Migranten unter den Teppich gekehrt, entschuldigt und sogar schöngeredet. Dass solches Vorgehen Unmut weckt in der einheimischen Bevölkerung, scheinen die Verantwortlichen nicht zu bemerken. Sie legen sogar nach, indem sie Kritik am Verhalten von Migranten unter den permanenten Verdacht von Rechtsextremismus stellen. So wird Integration eher behindert als gefördert und gegenseitiges Misstrauen eher geschürt statt abgebaut.
Der türkischstämmige Bestseller Autor Akif Pirincci berichtet in einem Interview, wie es für ihn war, als er mit 10 Jahren nach Deutschland kam. Hier ein passender Ausschnitt:
Oft wird behauptet, Deutschland oder die Deutschen würden eine bessere Integration der türkischen Immigranten verhindern. Teilen Sie diese Auffassung? Was würden Sie einem türkischen Immigranten raten?
Nein, diese Meinung teile ich in keiner Weise. Der Hauptgrund für das Erstarken des Islam und für die Abkoppelung der Menschen aus islamischen Ländern von der deutschen Gesellschaft ist das Sozialhilfe-Wunderland-Syndrom. Denen geht es einfach zu gut, um sich mit weltlichen Problemen zu beschäftigen. Junge Leute, denen noch das ganze Leben bevorsteht, haben nichts Besseres zu tun, als Buspassagiere in die Fresse zu hauen. Was soll das? Warum nicht besser die Talente und Fähigkeiten in sich entdecken? Irgendwann ist es zu spät. Doch in unserer Keine-Arbeit-trotzdem-Geld-Gesellschaft fehlt es halt an Konsequenz. Und die Politiker tolerieren es, weil sie allmählich ahnen, daß diese Menschengruppe ihr künftiges Wahlvolk sein wird. Ganz zu schweigen von der Integrationsindustrie, von der mittlerweile und schätzungsweise einige Hunderttausend Deutsche finanziell abhängig sind. So oder so, es geht immer nur um die Staatsknete. Sowohl für die einen als auch für die anderen.
http://www.pi-news.net/2009/02/akif-pirincci-ich-bin-mit-jeder-faser-deutscher/

mehrnachdenken
10 Jahre zuvor

Ich schätze Ihre Beiträge. Bei diesem Thema muss aber sehr genau differenziert werden. Es gibt viele sehr hervorragend integrierte Ausländer mit mulsimischem Hintergrund. Das bestätigen Sie ja auch prima mit Ihrem Link. An anderer Stelle schrieb ich bereits, dass ich als Lehrkraft nur gute Erfahrungen mit z.B. türkischen Eltern und Kindern gemacht habe. Deren Arbeitseifer hätte ich mir gerne von so manchem deutschen Kind gewünscht! Unser Sozialsystem wird nicht nur von Migranten missbraucht, sondern auch von Deutschen. Was schlagen Sie also vor, damit die Integration auf der „ganzen Linie“ gelingt?

Ursula Prasuhn
10 Jahre zuvor

@mehrnachdenken
Oh weh, mit Ihrer Frage bin ich hoffnungslos überfordert.
Auf jeden Fall halte ich eine Gleichbehandlung von Migranten und Deutschen für absolut erforderlich, weil Nachsichtigkeit auf der einen und strenge Forderung von Toleranz auf der anderen Seite zwangsläufig Gräben schafft. Nicht den Türken mache ich eine solche Schieflage zum Vorwurf, sondern unseren Politikern und ihren Helfershelfern in den Medien, der Justiz oder sonst wo.
Mich stört z. B. das Gefühl, auf einem Drahtseil zu balancieren, wenn ich mich am Verhalten eines Muslims stoße und das zum Ausdruck bringe. Dann fühle ich mich fast schon gezwungen hinzuzufügen, dass es aber auch viele Muslime gibt, die sich vorzüglich verhalten und die mir gefallen. Warum muss ich einerseits so ängstlich und verkrampft mit Kritik umgehen, die ich andererseits einem deutschen Mitbürger gegenüber ohne Probleme äußern kann?
Wenn wir frei von Ressentiments zusammenwachsen wollen, darf keine Seite benachteiligt oder geknebelt werden – auch die deutsche nicht –, sonst wird nie etwas aus einem verständnis- und rücksichtsvollen Umgang miteinander. Erzwungenes Stillhalten führt nur zu heimlichen Aggressionen.
Vielleicht sollte ich noch einmal Akif Pirincci zu Worte kommen lassen, der als türkischstämmiger Mitbürger weniger Hemmungen hat, seine Meinung deutlich, ja sogar drastisch zu sagen:
„Nochmal, wieso ist das so? Zunächst einmal ist der sogenannte Migrant in den letzten dreißig Jahren durch eine beispiellose und pathologische Umkehrung der Werte im öffentlichen Diskurs das Objekt der Vergottung geworden, er ist ganz im gegenständlichen Sinne mehr wert als der Einheimische. Selbst seine archaischen und menschenverachtenden Sitten und seine … Religion sind sakrosant und blind zu akzeptieren. Vor allem aber ist er der Fetisch einer kleinen, aber in den Medien, in der Bildung und in der gesellschaftlich anerkannten Geisteshaltung einflußreichsten Partei, nämlich der der Grünen. Der Migrant, namentlich der moslemische Migrant ist per se unentbehrlich, unschuldig, unberührbar und überhaupt eine “Bereicherung”, einfach so. Selbst wenn ein türkischer oder arabischer Migrant es selber nicht so sieht, findet er entweder kein öffentliches Gehör oder wird mit der Nazikeule zum Schweigen gebracht. Es ist eine hippiehafte Alle-Menschen-werden-Brüder-Idiologie, die inzwischen zu einem Wahn ausgeartet ist.“

mehrnachdenken
10 Jahre zuvor

Ja, da ist ‚was dran. Es gibt durchaus nicht wenige türkische Intellektuelle, die ihre Landsleute und deren Unwillen zur Integration massiv kritisieren. Was würde erst passieren, wenn die Grünen im September wieder Regierungsverantwortung bekämen? Mir scheint, vor allem in städtischen Ballungsgebieten haben sich über die Jahre Strukturen gebildet, die eher an einen Staat im Staat erinnern. Die Menschen haben es sich dort wohnlich „eingerichtet“, und als Deutscher kommst du dir tatsächlich wie ein Fremder vor. Sie leben in ihrer Community und kommen da prima klar, auch wenn sie kein Wort Deutsch sprechen. Dass es soweit gekommen ist, haben jedoch ausschließlich die deutschen Behörden zu verantworten. Ich meine, eine Umkehrung der Zustände ist dort so gut wie unmöglich. Was muss also passieren, damit die Kluft zwischen den Kulturen nicht noch größer wird?
Die Frankfurter Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) beklagt in dem Artikel fehlende Deutschkenntnisse bei vielen Eltern. Ja, wenn entsprechende Angebote nicht angenommen werden, muss auch über Sanktionen nachgedacht werden dürfen. Bringt aber eine „grüne“ Integrationsdezernentin dafür die „richtige“ Einstellung mit? Der Kindergartenbesuch sollte nicht nur, sondern müsste verbindlich für die Kinder aus diesen Familien sein. Bei hartnäckiger Weigerung müsste auch hier „nachgeholfen“ werden dürfen. Natürlich sind die Kinder aus bildungsfernen Schichten in einer Ganztagsschule viel besser aufgehoben, als in ihren Familien. Erzieher und Lehrer aus diesen Kulturen wären bestimmt ebenfalls sehr hilfreich.
Ja, aber das wissen wir doch alles schon gaaanz lange. Warum passiert also so wenig?
Ich vermute, dieses ewige Gerede über „sollte“ oder „müsste“ bringt viele Deutsche „auf die Palme“. Leute, redet weniger, handelt dafür mehr!