WIESBADEN. Hauen und Stechen in der hessischen Regierungskoalition um die Schulpolitik. Vorläufiger Höhepunkt: Der bisherige bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Hans-Jürgen Irmer, ist aus Protest gegen die Politik von Kultusministerin Nicola Beer (FDP) zurückgetreten.
In dürren Worten erläuterte Irmer seinen Rücktritt. «Da ich die Entscheidungen zur möglichen Einführung des islamischen Religionsunterrichts und eines Landesschulamtes inhaltlich für die Fraktion nicht vertreten kann, habe ich mein Amt als bildungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion zur Verfügung gestellt », so teilte er mit.
Der streitbare Oberstudienrat Irmer aus Wetzlar hatte mehrfach mit islamkritischen Äußerungen Aufsehen erregt. Die CDU-Fraktion hatte sich aber zuletzt im Schulausschuss hinter ihn gestellt. Der Fraktionsvize teilt nicht die Auffassung von Beer, dass der Islam zu Hessen gehört. Sie möchte Islamunterricht in Hessen einführen.
Er hatte der Kultusministerin auch vergeblich nahegelegt, über ein Moratorium bei der Schulverwaltungsreform nachzudenken. In einem zentralen Landesschulamt sollen die staatlichen Schulämter, die Studienseminare, das Amt für Lehrerbildung und das Institut für Qualitätsentwicklung zusammengefasst werden.
Der Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Günter Rudolph, kritisierte: «Irmer irrlichtert mit seinem völlig überholten Weltbild schon viel zu lange durch die Hessische Bildungspolitik. Bouffier hätte schon vor langem ein Machtwort sprechen und seinen Rechtsaußen in die Schranken weisen müssen.»
Allerdings liegt auch Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) offenbar im Clinch mit der FDP-Kultusministerin. Schon zum zweiten Mal brüskierte er Beer, indem er schulpolitische Änderungen vor der liberalen Fachfrau öffentlich machte. Offenbar eine Retourkutsche. Ihr blieben, Details zu nennen, wie Hessen bei der umstrittenen Schulzeitverkürzung nachbessert.
Zwei Wege zurück zum G9
Nämlich: Die Landesregierung will den Gymnasien auf zwei Wegen eine Rückkehr zum Abitur nach dreizehn Schuljahren (G9) ermöglichen. Grundsätzlich bleibe es bei der verkürzten Gymnasialzeit G8, an der es Verbesserungen geben werde, erläuterte Beer heute. Ein Weg ist die grundsätzliche Wahl für Gymnasien, von G8 zu G9 zurück zu wechseln. Die zweite Variante hatte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) gestern in einem Online-Chat erwähnt: ein Schulversuch an großen Gymnasien mit mindestens vier Parallelklassen, G8 wie G9 anzubieten.
Die Ministerin konnte nur noch Details nachliefern. Die vollständige Rückkehr zu G9 kann mit dem kommenden Schuljahr 2013/14 beginnen. Nötig sei ein Mehrheitsbeschluss der Schulkonferenz der Gymnasien, Eltern- und Schülervertreter und vor allem die Schulträger müssten einverstanden sein, erläuterte Beer.
Ein Vorpreschen des CDU-Regierungschefs wollte sie nicht sehen: «Wir sind da doch absolut parallel gelaufen.» Die eilige Vorstellung ihres Gesetzentwurfs begründete Beer damit, dass das Vorhaben kommende Woche im Landtagsplenum beraten werden soll. Bouffier hatte schon im Juni als erster die Wahlfreiheit für Gymnasien angekündigt und seine gerade erst ins Amt gekommene FDP-Kultusministerin vor vollendete Tatsachen gestellt.
Die SPD nannte Beers Entwurf Flickschusterei: G8 sei gescheitert, die Eltern in Hessen lehnten es ab. Die Ministerin habe sich wieder durch Bouffier das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen, erklärten die Grünen. bibo / mit Material von dpa
(19.9.2012)
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