Größtes Islaminstitut in Deutschland geht an den Start

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OSNABRÜCK. Mit sieben Professorenstellen geht bald das Institut für Islamische Theologie an den Start. „Eine Willkommenserklärung auf höchster Ebene“, so der Vorsitzende des niedersächsischen Landesverbandes der Muslime. 

Die heilige Schrift des Islam: Der Koran Foto; Suzanne Chapman / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Die heilige Schrift des Islam: Der Koran; Foto: Suzanne Chapman / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Die Eröffnung eines wissenschaftlichen Instituts interessiert meistens nur ein eher kleines akademisches Publikum. Wenn aber am Dienstag in Osnabrück das Institut für Islamische Theologie (IIT) an den Start geht, erfüllt das viele Muslime in Norddeutschland mit Stolz. «Es ist eine Willkommenserklärung auf höchster Ebene», sagt der Vorsitzende der Schura Niedersachsen, dem Landesverband der Muslime, Avni Altiner. Der Staat erkenne damit die Muslime als Bürger an und ihre kulturell-religiösen Bedürfnisse. Gemessen an den vorgesehenen Professorenstellen – sieben an der Zahl – entsteht in Osnabrück Deutschlands größtes islamisches Institut.

Ein Blick auf die Gästeliste zeigt, dass es auch über die Grenzen Deutschlands hinaus Aufmerksamkeit erregt. Der Großmufti von Istanbul, Rahmi Yaran, hat sich angekündigt, ebenso die Rektorin der Internationalen Islamischen Universität von Malaysia, Zaleha bz. Kamaruddin. Das Interesse in den arabischen Ländern, aber auch den USA und Großbritannien sei groß, sagt der Osnabrücker Religionswissenschaftler Rauf Ceylan. «Wir haben einen Nerv getroffen. Da entsteht etwas, was im Grunde schon vor langer Zeit hätte passieren müssen.»

Annette Schavan gibt den Startschuss

Angesichts vier Millionen in Deutschland lebender Muslime hatte der Wissenschaftsrat 2010 die Empfehlung ausgesprochen, an deutschen Universitäten Institute für Islamische Theologie zu gründen. Der Bund fördert vier Zentren. Anfang des Jahres eröffnete Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) das erste in Tübingen. Das Institut im fränkischen Erlangen folgte im September. Nun nehmen die Einrichtungen in Münster und Osnabrück ihre Arbeit auf – sie betreiben eigenständige Institute, die aber unter einem gemeinsamen Dach kooperieren. Den Startschuss dafür gibt Schavan am Dienstag in Münster.

Für Institutsdirektor Bülent Ucar ist die Etablierung der islamischen Theologie in Deutschland ein «epochaler Durchbruch». Er spricht von einem Kampf der Muslime um Gleichberechtigung und Anerkennung. Ucar und Ceylan betonen, dass ihr Institut in Osnabrück auf Augenhöhe mit den katholischen und evangelischen Fachbereichen sei. In Osnabrück sollen islamische Geistliche und Religionslehrer ausgebildet werden, vor allem für den norddeutschen Raum.

Prävention gegen drohenden Einfluss von Salafisten

Für die Muslime in Deutschland biete sich nun die Chance, sich mit ihrer Lebenssituation als gläubige Menschen in einem nicht-islamischen Land akademisch auseinanderzusetzen, sagt Ucar. «Über Jahrzehnte hinweg hatten Muslime keine theologischen Sprachorgane in Deutschland.» Unter den Muslimen in Deutschland gebe es einen Emanzipationsprozess, ergänzt Ceylan. «Ein Diaspora-Islam entsteht, wenn man so will.» Auch mit Blick auf den drohenden Einfluss etwa salafistischer Prediger sei es daher wichtig, wissenschaftlich fundierte Ausbildungsstätten für muslimische Autoritäten anzubieten.

Die Mehrheit der muslimischen Basis – die Gläubigen in den norddeutschen Moschee-Gemeinden – vertrauten dem neuen Institut in Osnabrück, sagt Ceylan. Dafür hätten er und Ucar in den vergangenen Jahren viele Reisen unternommen und Gespräche geführt. Es gibt mehr Anfragen als Studienplätze. Rund 140 Studenten sind zum Start dabei, laut Ceylan überwiegend Frauen.

Natürlich gebe es auch unter Muslimen noch Vorbehalte gegen das Institut, räumt Ucar ein. Da sei die Sorge, der deutsche Staat wolle ihnen vorschreiben, was sie glauben sollen. «Die Salafisten sagen, was wir hier machen, ist kein richtiger Islam. Das wundert mich aber nicht», sagt der Religionspädagoge. Wenn er Anerkennung aus dieser Ecke bekäme, würde er sich fragen, was er falsch mache. Elmar Stephan, dpa

(29.10.2012)

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