Nach Volksbegehren: FDP beharrt auf Studiengebühren – gegen Seehofer

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MÜNCHEN. Schwarz-Gelb in Bayern steht – nachdem das Volksbegehren gegen Studiengebühren deutlich die entscheidende Hürde übersprungen hat – offenbar ein großer Koalitionskrach bevor. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will das Thema jetzt schnell abräumen, damit es ihm nicht den kommenden Wahlkampf verhagelt. Doch die FDP sperrt sich immer noch.

Bayerns Ministerpräsidetn Horst Seehofer - hier auf dem ökumenischen Kirchentag 2010 - hat den Spaß an Studiengebühren verloren. Foto: Patrick Piecha / www.patrick-fotography.de / flickr (CC BY 2.0)
Bayerns Ministerpräsidetn Horst Seehofer – hier auf dem ökumenischen Kirchentag 2010 – hat den Spaß an Studiengebühren verloren. Foto: Patrick Piecha / www.patrick-fotography.de / flickr (CC BY 2.0)

Nach dem Wahlsieg von Rot-Grün in Niedersachsen stehen dort die Studiengebühren vor dem Aus. Entsprechendes hatten SPD und Grüne im Wahlkampf angekündigt. Bliebe Bayern als letztes Bundesland, in dem Studiengebühren erhoben werden. Allerdings: Nach dem deutlichen Erfolg des Volksbegehrens in Bayern wird es nun im Sommer oder Herbst einen Volksentscheid geben – zumindest dann, wenn die Landesregierung die Studiengebühren nicht vorher schon streicht.  Umfragen zufolge sind bis zu drei Viertel aller Bayern für die Abschaffung.

An dem zweiwöchigen Volksbegehren beteiligten sich nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 14,4 Prozent aller bayerischen Wahlberechtigten, nämlich mehr als 1,35 Millionen Menschen. Damit wurde die entscheidende Zehn-Prozent-Hürde deutlich übersprungen. Die Opposition feierte das Ergebnis als Anfang vom Ende von Schwarz-Gelb.

Der Landtag könnte die Studiengebühren nun auch von sich aus abschaffen.  Zwar will neben der Opposition inzwischen auch die CSU die Abschaffung. Der kleine Koalitionspartner FDP lehnt das allerdings weiterhin strikt ab. Seehofer sagte: «Die Studiengebühren werden abgeschafft – durch den Landtag oder durch das Volk.» Indirekt erhöhte er dabei den Druck auf den Regierungspartner FDP: Das klare Votum der Bevölkerung sei nun Anlass, nochmals in der Koalition zu beraten. «Ich bin zuversichtlich, dass wir zu einem Ergebnis kommen, das dem Wunsch der Bevölkerung Rechnung trägt.»

Heubisch: Volksentscheid zusammen mit Landtagswahl

Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) bekräftigte aber die klare Position der FDP, es nun auf den Volksentscheid ankommen zu lassen. «Unser ganz großes Ziel ist direkte Demokratie», sagte er in München. «Das oberste Prinzip ist: Lasst das Volk entscheiden.» Heubisch hält dabei nach eigenen Worten eine Zusammenlegung des Volksentscheids mit der Landtagswahl am 15. September für sinnvoll.

Dem widersprach die CSU postwendend. «Wir wollen Planungssicherheit für die Hochschulen schaffen», sagte CSU-Fraktionschef Georg Schmid. Er schlug der FDP vor, auf einen Volksentscheid
zu verzichten und die Studiengebühren auf dem parlamentarischen Weg über den Landtag abzuschaffen. «Wir sind der Meinung, dass das der richtige Weg wäre.» Das hänge aber von der Zustimmung der FDP ab. «Wenn die FDP auf die Bindung an den Koalitionsvertrag verzichtet, könnte das ganz schnell im Landtag erledigt werden.» Falls die FDP hingegen nicht zustimmt und es zum Volksentscheid kommt, plädierte Schmid im Gegensatz zu Heubisch für einen möglichst frühen Termin noch vor den Sommerferien. «Wir sollten so schnell wie möglich Planungssicherheit für die Hochschulen erreichen.»

Die FDP hatte die Gebühren bis zuletzt verteidigt – als einzige Partei, nachdem die CSU im Herbst eine 180-Grad-Kehrtwende vollzogen hatte. Der Streit über die Abschaffung hatte Schwarz-Gelb im Herbst in eine schwere Krise gestürzt. Auf einen Koalitionsbruch dürfte es die CSU im Wahljahr allerdings nun nicht mehr ankommen lassen. Im Sommersemester müssen die Studenten in Bayern die Gebühren von 500 Euro pro Semester in jedem Fall noch zahlen. Außer im Freistaat werden derzeit nur noch in Niedersachsen Gebühren verlangt. Die künftige rot-grüne Landesregierung in Hannover will diese aber auch streichen.

„Volk viel klüger als Schwarz-Gelb“

Der Hauptinitiator des Volksbegehrens, Michael Piazolo (Freie Wähler), jubelte: «Ich bin begeistert von der hohen Beteiligung.» Angesichts des deutlichen Triumphs rief er die CSU nun auf, nicht mehr zu taktieren, sondern die Gebühren nun rasch abzuschaffen. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagte zum Ergebnis des Volksbegehrens: «Ein grandioser Erfolg der Freien Wähler zum Nutzen der bayerischen Bürger – und der Anfang vom Ende von Schwarz-Gelb.» SPD-Landtags-Spitzenkandidat Christian Ude sagte: «Das Volk hat wieder einmal bewiesen, dass es so viel klüger und handlungsfähiger ist, als die schwarz-gelbe Regierungskoalition.» Das sei ein großer Erfolg für die Demokratie und den Grundsatz der kostenfreien Bildung.

Nach dem erfolgreichen Volksbegehren planen die Gebührengegner bereits den nächsten Schritt. Freie Wähler, SPD und Grüne überlegen, auch die berufliche Bildung kostenlos zu machen. «Wir werden jetzt natürlich die berufliche Bildung angehen, Meisterschule und Altenpflegeschule», sagte SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen. Zunächst aber verlangte das Bündnis, den Hochschulen die künftig fehlenden Einnahmen von etwa 180 Millionen Euro komplett zu ersetzen.

Die bayerischen Universitäten warnten vor einer Verschlechterung der Studienbedingungen. «Den derzeitigen Standard können die bayerischen Universitäten im Fall der Abschaffung von Studienbeiträgen nur halten, wenn ihnen zum Ausgleich Mittel aus dem Staatshaushalt in vollem Umfang, dauerhaft und an die Entwicklung der realen Studierendenzahlen angepasst zufließen», erklärten die Unipräsidenten in einer Stellungnahme. Den Versprechungen auf vollen Kostenausgleich misstrauen sie aber. Erfahrungen aus anderen Bundesländern seien Anlass zur Skepsis.

Das Volksbegehren gegen die Studiengebühren ist das zweite erfolgreiche binnen weniger Jahre: 2009/2010 hatten Bayerns Bürger bereits einen Volksentscheid über den Nichtraucherschutz durchgesetzt – der dann ein striktes Rauchverbot in der bayerischen Gastronomie brachte. dpa

(31.1.2013)

Zum Bericht: Seehofer: „Wir schaffen sie in jedem Fall ab“

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