Abgesang auf eine Ära: Es gibt bald keinen CDU-Kultusminister mehr

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HANNOVER. Mit Bernd Althusmanns bevorstehendem Ausscheiden aus dem Amt des Kultusministers von Niedersachsen endet eine Ära – zumindest vorläufig. Es gibt dann keinen Christdemokraten mehr, der für die Schulpolitik eines Bundeslandes verantwortlich zeichnet. Dabei stellte die CDU zahlreiche Charakterköpfe als Kultusminister: Roman Herzog etwa, Bernhard Vogel oder Paul Mikat (den Erfinder der „Mikätzchen“ – Seiteneinsteiger im Schuldienst). An drei weitere wollen wir hier erinnern.

Die Temperamentvolle: Hanna-Renate Laurien

Hanna "Granata" Laurien war Schulleiterin in Köln und später Kultusministerin in Rheinland-Pfalz. Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F054635-0016 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA
Hanna „Granata“ Laurien war Schulleiterin in Köln und später Kultusministerin in Rheinland-Pfalz. Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F054635-0016 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA

„Einer meiner Fehler ist, dass ich den Menschen immer ins Wort falle“, räumte Hanna-Renate Laurien einmal ein – eine Eigenschaft, die ihrem impulsiven Temperament geschuldet war. Die resolute Politikerin, Oberstudienrätin von Beruf, wurde wegen ihres Durchsetzungsvermögens „Hanna Granata“ genannt, was keineswegs despektierlich gemeint war. Man mutmaßte, dass sie im Schuldienst ihre Klassen ebenso gut im Griff hatte wie später das Berliner Abgeordnetenhaus, dem sie als bislang einzige Frau als Präsidentin diente.

Laurien war bekennende Katholikin. Sie hatte als Laiendominikanerin das Gelübde der Ganzhingabe abgelegt und blieb unverheiratet. Sie vertrat als Kultusministerin von Rheinland-Pfalz und spätere Schulsenatorin in Berlin eine wertkonservative Bildungspolitik. Andererseits hatte sie als Leiterin eines Mädchengymnasiums in Köln dafür gesorgt, dass eine schwangere Schülerin zum Abitur zugelassen wurde – für damalige Verhältnisse ein Skandal. Hanna-Renate Laurien, die sich als Christdemokratin stets auch gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit engagierte, verstarb 2010 mit 82 Jahren in Berlin.

Der Umstrittene: Gerhard Mayer-Vorfelder

Gerhard Mayer-Vorfelder war Kultusminister von Baden-Württemberg: Foto: Memorino / Wikimedia Commons(CC BY-SA 3.0)
Gerhard Mayer-Vorfelder war Kultusminister von Baden-Württemberg: Foto: Memorino / Wikimedia Commons(CC BY-SA 3.0)

„Wann immer ich ihn auf dem Stuttgarter Bahnhof oder dem Frankfurter Flughafen sehe, erzählt er mir: Ich hab’ doch in Nürtingen auf’m Landratsamt angfangen. Immer.“ Das hat Harald Schmidt einmal über den heute fast 80-jährigen Gerhard Mayer-Vorfelder erzählt – und ironisch-respektvoll ergänzt:  „Ich mag ihn ja sehr, weil er einer ist, der nicht gleich die Nerven verliert. Mein Lieblingsfoto von ihm ist das, als er 2004 bei der EM in Portugal am Pool sitzt – mit blauem Anzug und braunen Schuhen. Da war mindestens Weltuntergang, die Queen hätte in solch einem Fall zurücktreten müssen, aber er war ganz entspannt und wusste: Es geht vorbei.“

Nicht ganz so lässig, wie er als DFB-Präsident das Ausscheiden der deutschen Mannschaft hinnahm, hatte er zuvor als Kultusminister von Baden-Württemberg gewirkt. Meyer-Vorfelder war als Politiker, vor allem was den Umgang mit der deutschen Geschichte betraf, nie vor peinlichen Aktionen gefeit: Er ließ trotz empörter Proteste Unterrichtseinheiten wie „Christentum, Judentum und Antisemitismus“ aus den Lehrplänen streichen, verstieg sich in abenteuerlichen Nazi-Vergleichen („Die Chaoten in Wackersdorf springen schlimmer herum als die SA jemals“) und pflegte sein Image als Rechtsaußen der Union („Hans Filbinger war kein Nationalsozialist.“). Sein bildungspolitisches Vermächtnis: Er verbannte als erster Kultusminister die Mengenlehre aus der Grundschule.

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Die Unterschätzte: Barbara Sommer

Barbara Sommer war Schulministerin von Nordrhein-Westfalen. Foto: CDU Bielefeld
Barbara Sommer war Schulministerin von Nordrhein-Westfalen. Foto: CDU Bielefeld

Als Barbara Sommer 2005 als Kultusministerin von Nordrhein-Westfalen antrat, hätten wohl nur äußerst risikobereite Zocker mehr als zehn Euro auf einen längeren Verbleib im Amt gesetzt. Zu unsicher, zu wenig professionell, zu wenig politikerhaft wirkte die Schulrätin aus dem westfälischen Bielefeld auf dem glatten Düsseldorfer Parkett. Und doch sollte sie die volle Legislaturperiode, also fünf Jahre lang, dort bestehen. Und das, obwohl sie die umfangreichsten schulpolitischen Reformen seit Jahrzehnten in Nordrhein-Westfalen zu vertreten hatte: Von G8 über die Einführung des Zentralabiturs bis hin zur freien Grundschulwahl für Eltern und einem Rechtsanspruch auf individuelle Förderung reichte die Palette der von ihr durchgebrachten Projekte. Klar, dass so viel Programm für Wirbel sorgte.

Ernstgenommen wurde die Mutter von fünf Kindern (von deren Berufung sich Ministerpräsident Jürgen Rüttgers offenbar einen Ursula-von-der-Leyen-Effekt versprochen hatte) im politischen Betrieb nie wirklich – ihr fehlte der  Stallgeruch eines Berufspolitikers; sie hatte nie um ein politisches Amt bewerben müssen. Ihre herzliche und vertrauensvolle Art, mit Menschen umzugehen, wurde ihr deshalb oft als Naivität ausgelegt. Ein Fehlurteil. News4teachers

(8.2.2013)

Zum Bericht: „Mit Althusmann verliert der letzte CDU-Kultusminister sein Amt

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Knut M.
11 Jahre zuvor

Diese Tatsache habe ich mir ja noch gar nicht klargemacht.
Überall jetzt linke Köpfe für die Schulpolitik!
Der GEW mag das gefallen, mir aber nicht. Im Gegenteil, ich erwarte noch Schlimmeres als bisher schon. Noch weniger Anforderungen, noch mehr Chaos, noch mehr Zensureninflation, noch lebensfremdere Bildungsziele, noch mehr Verfall des Sozialverhaltens trotz Beschwörung gegenteiliger Ziele…usw.
Am besten, man denkt gar nicht darüber nach.

mehrnachdenken
11 Jahre zuvor

@ Knut M.
Ihre Bedenken teile ich, aber wie sah denn die CDU/FDP-Schulpolitik z.B. in Niedersachsen in den letzten 10 Jahren aus? Sie war doch teilweise kaum noch von der SPD zu unterscheiden. Allein der freie Elternwille bei der Wahl der weiterführenden Schule bedeutete für viele Hauptschulen das Ende. Damit der negativ besetzte Name „Hauptschule“ gar nicht mehr auftaucht, zauberte Kultusminster Althusmann die „Oberschule“ aus dem Hut – ein Zusammenschluss von HS/RS – . SchülerInnen, die im Juni eines Schuljahres noch zur HS gingen, wurden in den Sommerferien quasi schultechnisch „befördert“ und saßen plötzlich in einer „Oberschule“. Steht die „Oberschule“ nicht eigentlich für höhere Bildung? Die Entwicklung zum zweigliedrigen Schulsystem ging in Niedersachsen von einer CDU/FDP geführten Regierung aus. Durch den freien Elternwillen gehen die meisten GS-SchülerInnen auf die RS oder das Gymnasium mit der Folge eines stetig sinkenden Leistungsniveaus.
In Niedersachsen gab es über 20 Jahre lang die Schulform „Orientierungsstufe“ (5./6. Klasse), in die alle GS-SchülerInnen gingen. Diese Schulform lernte ich kennen und auch schätzen. Übrigens fanden unsere Empfehlungen am Ende der 6. Klasse eine hohe Akzeptanz in der Elternschaft. Englisch/Mathematik wurde in Kursen unterrichtet. Leider wurde diese Schulform 2004 vom damaligen Ministerpräsidenten Wulff und seiner CDU abgeschafft. Auf der Orientierungsstufe konnten wir jedenfalls ein deutlich höheres Leistungsniveau „fahren“, als ich es danach auf der Realschule erlebte.

Knut M.
11 Jahre zuvor

Niedersachsen ist von der Tradition her mehr ein SPD- als CDU-regiertes Land.
Ich vermute, dass ein Zwischenspiel unter Wulff daran wenig ändern konnte. Außerdem läuft die CDU nicht nur in Bildungsfragen dem Gedankengut von ROT/GRÜN hinterher – sehr zum Bedauern ihrer Stammwähler, die sich im Stich gelassen fühlen und immer mehr zu Nichtwählern werden.
Meiner Erfahrung nach tendiert die Lehrerschaft in Niedersachsen auch traditionsgemäß zur SPD, was ich nie verstanden habe und auch nie verstehen werde. Eine plausible Erklärung konnten mir Kollegen nie nennen.