Schavans Rücktritt bekümmert Merkel

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BERLIN. Nur schweren Herzens habe Sie den Rücktritt angenommen, bekennt Angela Merkel. Schavan bekräftigt indes, gegen die Entscheidung der Uni Düsseldorf klagen zu wollen. Niedersachsens scheidende Wissenschaftsministerin Johanna Wanka tritt die Nachfolge an.

Noch bei keinem Rücktritt eines Kabinettsmitglieds hat die Bundeskanzlerin so viel Gefühl gezeigt. «Sehr schweren Herzens nur habe ich den Rücktritt angenommen», sagt Angela Merkel, als sie mit ihrer Freundin Annette Schavan im Kanzleramt deren Verzicht auf das Amt der Bundesbildungsministerin mitteilt. «Sehr schweren Herzens», betont sie noch einmal. «Ich danke ihr von ganzem Herzen», sagt sie zum Schluss und lächelt Schavan dabei an. Es ist das einzige Lächeln während dieses siebenminütigen Auftritts. Beide sind dunkel gekleidet, beide wirken gefasst, aber angeschlagen.

Annette Schavan
„Das Amt darf nicht beschädigt werden.“ Bildungsministerin Schavan erklärt ihren Rücktritt. Foto: www.dts-Nachrichtenagentur.de / Wikimedia Commons

Schavan zieht die Konsequenzen aus der Aberkennung ihres Doktortitels am vorigen Dienstag. «Die Vorwürfe treffen mich tief», bekennt die 57-Jährige. Sie wird klagen gegen die Entscheidung der Universität Düsseldorf, die ihr vorsätzliche Täuschung in ihrer vor 33 Jahren geschriebenen Promotionsarbeit vorwirft. «Ich habe in meiner Dissertation weder abgeschrieben noch getäuscht», sie noch einmal. Sie wirkt entschlossen.

Die Kanzlerin und ihre Ministerin hatten sich noch am Freitagabend besprochen. Merkel war gerade von einem Gipfel-Marathon aus Brüssel zurückgekommen und Schavan von einer anstrengenden Südafrika-Dienstreise. Beide Frauen sehen bei ihrer Erklärung im Kanzleramt erschöpft und blass aus. Kein Wunder nach dem Programm, das sie in den vergangenen Tagen absolvieren mussten. Aber es ist auch Ausdruck davon, wie schwer es beiden fällt, diesen Schritt zu gehen. Hätte Merkel eine Möglichkeit gehabt, Schavan zu halten – sie hätte es getan.

Während ihrer Dienstreise habe sie gründlich über die politischen Konsequenzen nachgedacht, erzählt Schavan – und liefert selbst den Grund, warum sie im Amt nicht zu halten war: «Wenn eine Forschungsministerin gegen eine Universität klagt, dann ist das mit Belastungen verbunden für mein Amt, für das Ministerium, die Bundesregierung und auch die CDU. (…) Es geht nicht, das Amt darf nicht beschädigt werden.»

Nicht nur das Amt wäre beschädigt worden, sondern auch Merkel. Sie hatte vor zwei Jahren bereits den Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als Verteidigungsminister angenommen, dem ebenfalls der Doktortitel entzogen worden war. Da nützt es wenig, dass Guttenberg nachweislich in viel größerem Umfang kopiert und getäuscht hatte. Und 2013 ist Bundestagswahljahr. Die Kanzlerin hätte sich immer wieder den Vorwurf anhören müssen, dass sie an der Spitze des Bildungsministeriums kein Vorbild für Schule, Wissenschaft und Forschung beschäftigt.

Aber gerade ein Vorbild sieht Merkel in Schavan. Sie sei die anerkannteste und profilierteste Bildungspolitikerin in Deutschland. Auf die Doktortitel-Affäre geht die Kanzlerin am Samstag mit keinem Wort ein. Vielleicht kann sie glauben, dass Schavan Flüchtigkeitsfehler gemacht hat – aber eine vorsätzliche Täuschung traut sie ihr nicht zu.

17 Jahre stand Schavan im Dienst der Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Erst zehn Jahre als Kultusministerin in Baden-Württemberg und dann sieben Jahre als Bundesbildungsministerin. «Gute Jahre, für die ich sehr dankbar bin», sagt Schavan und bezieht ihrer Mitarbeiter in Berlin und Stuttgart ein. Ihre Nachfolgerin wird die promovierte ostdeutsche Mathematikerin Johanna Wanka, zuvor schon Ministerin in Brandenburg und Niedersachsen. Sie passt in Merkels Schema. Sie habe beste Voraussetzungen, sagt die Kanzlerin.

Das «Zeit»-Magazin» fragte Schavan für die Ausgabe Ende Januar, wie man sie in Erinnerung behalten solle. «Als eine Politikerin, die ihre Verantwortung wahrgenommen hat», antwortete Schavan damals. In dem Gespräch gab sie auch preis, dass sie schon über ihr Leben nach der Politik nachgedacht hat. Wenn es vorbei sei, wolle sie sich ins Auto setzen und nach Hause fahren. Zuerst ins Rheinland zu ihrer Mutter und ihren Brüdern nach Neuss. Danach könnte sie sich drei Monate Rom vorstellen. Und danach drei Monate Paris.

Schavan dankt Merkel noch für ihre Worte, für ihr Vertrauen und für ihre Freundschaft. «Freundschaften hängen nicht an Amtszeiten und gehen über diesen Tag hinaus.» Vielleicht fahren sie später einmal gemeinsam nach Paris. Merkel will Französisch lernen, wenn sie einmal nicht mehr Kanzlerin ist. (dpa)

(09.02.2013)

Statements von Angela Merkel und Anette Schavan im Wortlaut (Bundespresseamt)

zum Bericht: „Johanna Wanka: Die neue Bildungsministerin“

Mitteilung der Anwaltskanzlei Schavans zur Entscheidung der Universität Düsseldorf

Presserklärung der Uni Düsseldorf vom 05.02.2013

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sofawolf
11 Jahre zuvor

Ich finde es irgendwie schade, dass sie gehen muss; aber ich finde es richtig, dass sie geht. Es ist komisch für mich, wenn sie sagt, sie habe nicht gemerkt, dass sie in ihrer Doktorarbeit nicht alles korrekt war. Sie hat nicht gemerkt, dass sie Zitate nicht gekennzeichnet hat und nicht gewusst, dass sie sich dadurch mit fremden Federn schmückt? Das haben wir im Studium als Erstes gelernt: richtiges Zitieren. Naja, wie gesagt, ich mag sie ja irgendwie trotzdem, aber warum sie, wie Angela Merkel sagt, „die bildungspolitische Kapazität“ in unserem Land sein soll, „weeß ick ooch nich“. Mir ist nichts bekannt, was sie so Tolles geleistet haben soll, zumal Bildungspolitik ja meist von den Ländern gemacht wird. Aber egal, ich mag sie trotzdem. Sie macht eine gute Figur in ihrem Amt und sie hat ein sympathisches Auftreten. So wie die Ex von Christian Wulff im Amt der Bundespräsidentin. Ok, dafür dürft ihr mich jetzt mal naiv nennen. 😉