Ist Abschreiben schon Betrug? In welchen Fällen die Uni den Staatsanwalt ruft

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BONN. Universitäten unterscheiden in der Regel zwischen einfachem Abschreiben und echtem Betrug. In einer für einen Schein relevanten Hausarbeit Passagen als eigene auszugeben, die in Wahrheit von jemand anderem stammen, lasse Studenten durchfallen, sagte Prof. Wolfgang Löwer von der Universität Bonn. Aber sie fliegen nicht sofort von der Uni. Auch mit einer Anzeige wegen Betrugs müssten sie nicht rechnen, beruhigt der Wissenschaftler. Er leitet die Geschäftsstelle «Ombudsman für die Wissenschaft» an der Universität.

Nur in den seltensten Fällen dürften Universitäten Studenten vor Gericht bringen. Fürs Abschreiben jedenfalls noch nicht. Foto: Florentine / pixelio.de
Nur in den seltensten Fällen dürften Universitäten Studenten vor Gericht bringen. Fürs Abschreiben jedenfalls noch nicht. Foto: Florentine / pixelio.de

Mit einfachem Abschreiben meint Löwer schülerhaftes Täuschungsverhalten: «der übliche Fall des Abschreibens sozusagen, diese Dinge, die man aus der Schule kennt». Die Gesetzeslage erlaube dagegen deutlich weitergehende Sanktionen, erhebliche Zahlungen bei einer entsprechenden Ordnungswidrigkeit, erklärte Löwer.

Wo ist Schluss mit der Nachsicht? «Bei krimineller Energie halten wir natürlich nicht still», sagte Löwer. Er erinnert sich an einen Fall, in dem ein Student die bemängelten Stellen in seiner Arbeit einfach korrigierte und die Randnotizen des Prüfers daneben sauber wieder hineinkopierte. Damit standen die Fehleranmerkungen des Professors neben einer inhaltlich einwandfreien Arbeit – und der Absolvent beschwerte sich auf den ersten Blick zurecht. «Da denken wir dann schon daran, das an die Staatsanwaltschaft abzugeben.»

Auch wenn Geld fließt, kann die Uni kein Auge zudrücken. Bezahlt ein Student einen anderen, damit der seine Examensarbeit verfasst, lege die Uni den Fall ebenfalls dem Staatsanwalt vor. «Das hat einen höheren Unrechtsgehalt, als wenn einer sich von jemandem die Hausarbeit ausborgt, die abschreibt und dann als eigene einreicht.»

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Die Chancen, mit Betrügereien durchzukommen, sind wegen der prominenten Plagiatsverfahren der vergangenen Jahre gesunken. Die Professoren sind wachsamer geworden. «Die Regel, dass die Arbeiten digital vorzulegen sind, ist ja Frucht des Guttenberg-Verfahrens», sagte Löwer. Digitale Arbeiten können sie viel leichter vergleichen und so Dopplungen aufdecken.

Die Uni Düsseldorf entzog der Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Dienstag wegen «vorsätzlicher Täuschung» in ihrer Promotionsarbeit den vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel. Dass ein Absolvent nach mehr als 30 Jahren noch fürchten muss, seinen ersten Studienabschluss aberkannt zu bekommen, ist allerdings unwahrscheinlich. An vielen Universitäten verjährt die Anfechtbarkeit nach fünf Jahren. «Egal, was Sie getan haben, nach fünf Jahren ist das Examenszeugnis nicht mehr angreifbar, die Akten werden übrigens auch vernichtet», erklärte Löwer. Die Anfechtbarkeit für Promotionen verjährt dagegen laut vielen Prüfungsordnungen gar nicht. JOHANNA UCHTMANN, dpa

Zum Bericht: “Copy & Paste”: Schülern fehlt bei Plagiaten oft das Unrechtbewusstsein

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