Allein im Gefängnis: Jura-Studenten proben den Knast-Alltag

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OLDENBURG/HAMBURG. Für einige Tage in die Haut von Gefangenen schlüpfen: 70 angehende Richter und Anwälte haben es gewagt. Sie sitzen ein paar Tage in Oldenburg im Knast.

Das Essen ist streng rationiert, der Platz beengt. Besonders nachts macht sich ein beklemmendes Gefühl breit. Durch die Zellentür dringen die Schritte der Justizbeamten, ab und zu klappert ein Schlüssel, ansonsten herrscht Stille. So richtig gut hat Carolina Harbs nicht geschlafen. Es war ihre erste Nacht im Gefängnis. Am Samstag wird die Jura-Studentin aus Hamburg wieder entlassen. Vergessen wird sie dieses Erlebnis aber wohl ihr Leben lang nicht.

«Wenn die Tür zugeht, merkt man schon deutlich, wie klein die Zelle ist», sagt die 23-Jährige. Für drei Tage und Nächte hat sie sich gemeinsam mit anderen angehenden Juristen in einem Oldenburger Gefängnis einsperren lassen. Bei dem Praxis-Unterricht hinter Gittern sollen die 70 JuraStudenten und Professoren aus Hamburg, Göttingen, Greifswald und Münster den Haftalltag hautnah erleben – wie es sich anfühlt, auf engstem Raum gefangen zu sein, rund um die Uhr bewacht zu werden, kaum Kontakt zur Außenwelt zu haben.

Wie es in einem deutschen Gefängnis zugeht, wollen angehende Juristen am eigenen Leib erfahren. Foto: arne.list / flickr (CC BY-SA 2.0)
Wie es in einem deutschen Gefängnis zugeht, wollen angehende Juristen am eigenen Leib erfahren. Foto: arne.list / flickr (CC BY-SA 2.0)

Um 22.00 Uhr dreht sich der Schlüssel in der Zellentür, Wecken ist um Punkt 6.00 Uhr. Auf den Tisch kommt, was sonst auch im Gefängnis serviert wird. Fernsehen und Radio gibt es nicht. Ihre Handys mussten die Häftlinge auf Probe abgeben. «Man bekommt schon einen Eindruck, was hier den Alltag prägt: die Routine, die Langeweile, die Einsamkeit», sagt Dennis Khakzad. Der 27 Jahre alte Doktorand aus Greifswald haust zurzeit auf acht Quadratmetern, spartanisch möbliert, Toilette inklusive. Ins Bett ging er hungrig: «Es ist nicht Wasser und Brot, aber auch kein kulinarischer Höhepunkt und vor allem etwas wenig.»

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Das Leben im Knast ist kein Zuckerschlecken – darin sind sich die Studenten schnell einig. Eine Erkenntnis, die dem Hamburger Professor Peter Wetzels besonders wichtig ist. «Die Studenten sollen auch das Vorurteil hinterfragen, dass der Strafvollzug möglicherweise zu soft ist.» Gemeinsam mit dem Leiter der Oldenburger Haftanstalt, Gerd Koop, hat er dieses bundesweit einmalige Projekt auf den Weg gebracht. Gerade der Praxisbezug kommt nach Ansicht des Gefängnisdirektors in der Juristenausbildung zu kurz. «Man kann Recht nicht nur aus dem Gesetzbuch heraus sprechen. Es geht schließlich um Menschen», betont er.

Tür an Tür mit echten Verbrechern leben die Studenten während ihrer Probe-Haft allerdings nicht. Seit Ende März ist der mehr als 150 Jahre alte Knast geschlossen. Die letzten Gefangenen sind vor drei Wochen in die nahe gelegene Hauptanstalt umgezogen. «Das hier ist Vollzug light», sagt Wärter Olaf Quandt. Trotzdem soll alles so authentisch wie möglich wirken. Die Studenten schlafen in der ausgeblichenen Bettwäsche, in der schon die Häftlinge lagen. Sie benutzen die gleichen Handtücher und das gleiche Gefängnisgeschirr.

Doch nicht nur das haben die Straftäter zurückgelassen. In der Luft hängt ein strenger Geruch. «Gefängnis riecht immer nach Gefängnis», sagt Quandt. Es ist eine Mischung aus Schweiß, Rauch und etwas anderem – vielleicht Verzweiflung? «Das ist schon sehr stark. In der Zelle ist das richtig unangenehm», findet die Münsteraner Studentin Hannah Wöhrmann. Die 23-Jährige möchte Staatsanwältin werden. Sie ist sich sicher: Die Zeit im Oldenburger Gefängnis wird sie später vor Gericht immer im Hinterkopf haben. «Man bekommt mehr Respekt vor der Gefängnisstrafe.» Irena Güttel/dpa

(19.4.2013)

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