Beamte in Schleswig-Holstein bekommen doch mehr Geld – Kritik vom Rechnungshof

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KIEL. Im Streit um die Besoldung der Beamten lenkt die Rot-Grün-Blaue Koalition unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) in Kiel ein: Alle bekommen deutlich mehr Geld. Darüber hinaus rügt der Landesrechnungshof die Koalition aus SPD, Grünen und SSW für ihre Haushaltspolitik.

Die Beamten erhalten nun doch für 2013 und 2014 Gehaltserhöhungen wie die Angestellten im Öffentlichen Dienst, aber mit bis zu neunmonatiger Verzögerung. Das teilten die Fraktionschefs Ralf Stegner (SPD), Eka von Kalben (Grüne) und Lars Harms (SSW) nach Gesprächen mit den Gewerkschaften mit. Die Bezüge steigen um insgesamt 5,2 Prozent, zusätzlich gehen 0,4 Prozent in Versorgungsrücklagen. Hinzu kommen Einmalzahlungen für einen Teil der Beamten und bessere Zulagen. Der Landtag muss noch zustimmen.

Damit rückt die Koalition von der Absicht ab, den Tarifabschluss nicht auf für die Beamten zu übertragen und bei den hohen Besoldungsgruppen starke Abstriche vorzunehmen. Das Vorhaben hatte heftige Proteste ausgelöst. Erleichtert wurde der Rückzieher durch die Korrekturen der Bevölkerungszahlen in Deutschland, aus denen sich für das Land ein Einnahmen-Plus im Länderfinanzausgleich von jährlich bis zu 60 Millionen Euro ergibt. Er freue sich darüber, dass der Tarifabschluss nun im Herbst wirkungsgleich für alle Beamten übernommen werden könne, sagte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD).

Steuert bei der Beamtenbesoldung um: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), hier bei einem Besuch der Gorch Fock. Foto. Kielonline/Thomas Eisenkrätzer / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Steuert bei der Beamtenbesoldung um: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), hier bei einem Besuch der Gorch Fock. Foto. Kielonline/Thomas Eisenkrätzer / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Bevor die Beamten die frohe Botschaft erfuhren, verkündete der Rechnungshof eine schlechte: Mit Zahlen, Diagrammen und verbalen Analysen rügte die Behörde massiv die Haushaltspolitik der Koalition. Sie habe wichtige Einsparerfolge zurückgenommen, treffe keine ausreichende Vorsorge für finanzielle Risiken und gebe zu viel Geld aus. Die Chancen aus hohen Steuereinnahmen und Niedrigzinsen seien nicht genutzt worden. 2012 hätte das Land wegen der guten Rahmenbedingungen keine neuen Schulden machen müssen, habe aber 65,6 Millionen Euro aufgenommen. Regierung und Parlament müssten mehr Ehrgeiz beim Abbau des strukturellen Finanzierungsdefizits zeigen.

Rechnungshof-Vizepräsident Aike Dopp zog ein bitteres Fazit: «Seit über 40 Jahren gibt das Land mehr Geld aus, als es eingenommen hat.» Auf mehr als 27 Milliarden Euro wuchs der Schuldenberg. Das ist auf Dauer extrem teuer, denn die Zinsen kosteten das Land von 1970 bis 2011 rund 25 Milliarden Euro. Das wird noch schlimmer: «Die Zinszahlungen werden demnächst den Schuldenstand übersteigen», sagte Dopp voraus. Die Koalition verfolge nicht das Ziel, so schnell wie möglich das strukturelle Finanzierungsdefizit abzubauen, sondern nehme Kredite bis zur zulässigen Höchstgrenze auf. Dies sei nicht der richtige Weg.

Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) widersprach dem Rechnungshof in Teilen: Es nütze nichts, die Schuldenbremse drei Jahre früher einzuhalten, dafür aber marode Hochschulbauten, zu geringe Unterrichtsversorgung, kaputte Straßen und nicht genügend Kita-Plätze zu haben.

Aus Sicht des Rechnungshofes sollte das Land nicht am Personal sparen – Stichwort Beamtengehälter -, sondern mit Stellenabbau die Personalkosten senken, die einstigen Tabus Lehrer und Polizisten eingeschlossen. Trotz sinkender Schülerzahlen sei die Zahl der Lehrer in früheren Jahren gestiegen. 2020 würden etwas über 18 000 benötigt, das Bildungsministerium plane aber fast 20 000. Es habe keine nachvollziehbaren Berechnungen vorgelegt, wofür die zusätzlichen Lehrer benötigt werden. Das Bildungsministerium erklärte, um die Stundentafel einzuhalten, fehlten 1250 Lehrerstellen.

Dramatisch teurer wird die Eingliederungshilfe, mit der Behinderte unterstützt werden, etwa bei Wohnen oder Arbeit. 2010 fielen 570 Millionen Euro an, im laufenden Jahr 634 und 2020 über 800 Millionen. Angesichts dieser Dimensionen bekräftigte der Rechnungshof die Forderung, die Wirtschaftlichkeit der Ausgaben prüfen zu dürfen. Nach seiner Ansicht könnten mit besserer Planung und weiteren Maßnahmen 25 Millionen Euro jährlich eingespart werden. Auch mit niedrigeren Ärztegehältern für außertariflich vergütete Mediziner am defizitären Universitätsklinikum und einer Streichung des Landesblindengeldes könnte das Land laut Rechnungshof bedeutende Millionensummen sparen.

«Wie viele Warnsignale will diese Regierung noch ignorieren?», sagte CDU-Finanzexperte Tobias Koch. Die Politik der Koalition sei zukunftsfeindlich und die Finanzministerin überfordert, meinte Heiner Garg von der FDP. Mit einem kaputtgesparten Land sei kein Staat zu machen, hielt Lars Winter von der SPD dagegen.

GEW-Landeschef Matthias Heidn wertete die Einigung bei der Beamtenbesoldung als Erfolg, auch wenn er gern eine zeitgleiche Übernahme des Tarifabschlusses gehabt hätte. «Das Lohndiktat bis 2018 ist vom Tisch», meinte der DGB-Landesvorsitzende Uwe Polkaehn. Der Widerstand gegen die Ursprungspläne der Koalition habe sich gelohnt. dpa

(7.6.2013)

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Arno Meyer
10 Jahre zuvor

5,2 % mehr, auch für Pensionäre, sind rund 20 x soviel, wie die Rentner mit 0,25 % 2013 mehr bekommen.
Man fragt sich, ob der Begriff “ Schamgefühl “ für Politiker, noch eine feste Größe ist? Wohl eher nicht!
Die geringe Wahlbeteiligung wurde verwundert zu Kenntnis genommen…Es werden sich wohl nun auch die
meisten Rentner voller berechtigter Wut abwenden. SPD und Grüne haben vor Jahren die Renten gekürzt,
CDU und FDP haben es in Folge mit getragen…Alle diese Parteien sind für Rentner nicht mehr wählbar !!!!!
Möge allen Rentnern eine Erleuchtung widerfahren und bei der nächsten Wahl eine Quittung erteilen.

24.06.13 arno meyer

Dr. Michael Pezenburg
10 Jahre zuvor
Antwortet  Arno Meyer

Lieber Herr Meyer,
Sie haben nicht Unrecht, im Beamtenbereich gibt es große Unterschiede, nur schelten Sie zu pauschal, erst differenziert wird ein gerechterer Schuh daraus. Denn ein Pensionär muss erstens seine Pension voll versteuern, derzeit noch im Unterschied zu den Renten, und er muss sich zu 30 % privat versichern. Dass die Frauen und Kinder von Beamten darüber hinaus nicht beitragsfrei mitversichert sind, wie bei Angestellten, schlägt mit erheblichen Beiträgen in der privaten KV zu Buche. Bei ein Beamtenfrau, die nicht versicherungspflichtig tätig ist bzw. war und zwei Kindern bis zum Studium sind das gut und gern zusammen 120 – 150.000 € zusätzliche Beiträge im Leben eines Beamten, die er im Unterschied zum Angestellten mehr zu tragen hat. Dazu kommen monatlich 20,- € pauschale Kürzungen bei der Erstattung von Krankheitskosten in Anlehnung an die Eigenbeiträge bei gesetzlich Versicherten. Das nur mal so zur Realität.
Aber – , dass es bei Beamten und Politikern nach wie vor keine Bemessungsgrenze der Pension gibt, so dass höhere Beamte und Politiker das Mehrfache von einem Rentner bekommen, auch netto, das ist tatsächlich ein Skandal, da haben Sie vollkommen Recht. Also Beamte bis etwa A 13 sind nicht in jedem Fall so bevorteilt, wie Sie das darstellen, erst darüber beginnt der Vorteil und da hat die Landesregierung eigentlich vollkommen zu recht differenziert in der Tarfianpassung handeln und die höhere Gruppen weniger steigern wollen. Das ist anerkennenswert und wäre durchaus gerecht gewesen. Aber die einflussreichen höheren Beamten, Richter und Politiker haben da wohl zu großen Einfluss ausgeübt, wie immer.
Insofern, ja Sie haben Recht, wenn es um bestimmte Beamte und Politiker geht und nein, Sie haben nicht Recht, wenn Sie pauschaul dreinschlagen.

08.05.2013 Dr. Michael Pezenburg