KMK bringt ein „Deutschland-Abitur“ auf den Weg – ein kleines

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BERLIN. 225 Jahre ist das deutsche Abitur alt. Schon zu Preußens Zeiten gab es von Provinz zu Provinz große Unterschiede bei der Reifeprüfung. Jetzt wollen die 16 Kultusminister mehr Gemeinsamkeit wagen – und eine Art „Deutschland-Abitur“ auf den Weg bringen, ein kleines jedenfalls.

Zentrale Abituraufgaben für ganz Deutschland sollen Qualitatsstandards sichern. Foto: alangong / Flickr (CC BY-NC 2.0)
Ein zentraler Pool von Abituraufgaben für ganz Deutschland soll Qualitatsstandards sichern. Foto: alangong / Flickr (CC BY-NC 2.0)

Nein, ein deutsches Einheitsabitur von der Nordsee bis zu den Alpen wollen die Kultusminister nicht. Gleichwohl streben sie bei ihrem Treffen ab diesem Donnerstag in der Lutherstadt Wittenberg den Aufbau eines gemeinsamen Aufgabenpools und einheitliche Prüfkriterien für das begehrte Zeugnis der Reife an, so dass trotzdem von einem „Deutschland-Abitur“ gesprochen werden kann. Beim Abitur rücken die 16 Bundesländer so eng zusammen wie noch nie in der 225-jährigen Geschichte der Allgemeinen Hochschulreife. Das Vorhaben gilt für viele als die größte Reform des deutschen Abiturs seit Einführung der gymnasialen Oberstufe 1972.

Der Titel der Beschlussvorlage klingt zunächst bürokratisch und wenig spannend: «Konzeption für die Entwicklung und Nutzung eines Pools von Abiturprüfungsaufgaben sowie zur Beschreibung allgemeiner Kriterien für die Gestaltung, Korrektur und Bewertung standardbasierter Abiturprüfungsaufgaben.» Doch was sich dahinter verbirgt, ist ein neues kompliziertes System, mit dem die Kultusminister die Qualität des Abiturs künftig von Bundesland zu Bundesland vergleichbarer machen wollen.

Konkret heißt das: Zwar keine gleichen, zentral gestellten Prüfaufgaben, wohl aber gleichwertige für alle Bundesländer – abgesichert durch wissenschaftliche Begleitung des ländereigenen Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin. Die Aufgaben dazu können sich die Länder aus einem Pool beim IQB fischen. 15 Millionen Euro machen die Kultusminister dafür in den nächsten beiden Jahren extra locker.

Der alte Katalog mit den noch relativ leger gefassten «Einheitlichen Prüfungsanforderungen» (EPA) für die gymnasiale Oberstufe wird abgelöst durch die neuen bundeseinheitlichen Bildungsstandards für die Kernfächer Deutsch, Mathematik und Englisch/Französisch. Die Naturwissenschaften folgen.

Von 2016 an sollen dann Abi-Klausuren und Prüfungen nach bundesweiten Kriterien und einem einheitlichem «Erwartungshorizont» erfolgen. Für das ein oder andere Bundesland bedeutet dies auch die Preisgabe spezieller, oft seit Jahrzehnten gepflegter Eigenarten.

Für die empirische Schulforschung ist die gymnasiale Oberstufe mit dem Abitur bisher ein Buch mit sieben Siegeln – anders als die Grundschule und die Sekundarstufe I (Klassen fünf bis zehn). Durch die vielen IGLU- und PISA-Tests liegen inzwischen eine Fülle auch länderspezifischer Ergebnisse vor, die etwa den großen Lernvorsprung 15-Jähriger aus Bayern im Vergleich zu Gleichaltrigen aus Bremen aufzeigen. Dass nun auch das Abitur im Süden der Republik zu einer besseren Studierfähigkeit führt als die Reifeprüfung im Norden – dafür gibt es allerdings bislang keine harten wissenschaftlichen Belege.

Einen ersten, vagen Anhaltspunkt über den unterschiedlichen Studienerfolg von Abiturienten aus verschiedenen Bundesländern könnte eine bislang nahezu unbeachtete Übersicht des Statistischen Bundesamtes liefern. Danach haben Abiturienten aus Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein acht Jahre nach Studienbeginn bei den akademischen Abschlüssen im Bundesvergleich die Nase vorn – während Abiturienten aus Sachsen und Thüringen trotz der guten PISA-Ergebnisse in diesen Ländern eher unterdurchschnittlich abschneiden.

Abiturienten aus Berlin dagegen, dessen Schulsystem immer wieder in der heftigen Kritik steht, schaffen dagegen häufiger einen akademischen Abschluss als im Bundesschnitt.

Gleichwohl sind die Daten mit Vorsicht zu interpretieren. Denn unberücksichtigt bleiben in der Erfolgs-Statistik soziale Herkunft und materielle Förderung der Abiturienten während ihres Studiums – ebenso wie der mögliche Nutzen von Auslandssemestern, Praktika oder einer vorgeschalteten betrieblichen Lehre. KARL-HEINZ REITH; dpa

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