„Verzerrt“: Philologen-Chef Meidinger kritisiert „Chancenspiegel“

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BERLIN. Keinerlei neue Erkenntnisse und verzerrte Maßstäbe – dies hat der Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, der unlängst vorgestellten Neuauflage des „Chancenspiegels“ der Bertelsmann-Stiftung vorgeworfen.

Weist die Kritik der Bertelsmann Stiftung am deutschen Schulsystem zurück: Heinz-Peter Meidinger. Foto: Deutscher Philologenverband
Weist die Kritik der Bertelsmann Stiftung am deutschen Schulsystem zurück: Heinz-Peter Meidinger. Foto: Deutscher Philologenverband

„Der Chancenspiegel suggeriert zum Beispiel, dass man schulische Auf- und Abstiege an horizontalen Schulartwechseln messen könne. Das ist allerdings falsch, weil die meisten Aufstiege über die vertikale Durchlässigkeit erfolgen, also etwa über den Erwerb der Mittleren Reife nach dem Hauptschulabschluss oder wenn ein Realschulabsolvent in eine gymnasiale Oberstufe übertritt. Da gibt es deutlich mehr Auf- als Abstiege. Das blendet aber Bertelsmann komplett aus“, betonte Meidinger.

Auch die Anzahl der Quote von Hochschulzugangsberechtigungen als absoluten Maßstab für Chancengerechtigkeit zu nehmen, hält der Philologen-Chef für irreführend. Es komme vor allem darauf an, ob hinter der Studienberechtigung auch die Studienbefähigung stehe und da zeige eine neue Studie, dass beispielsweise Abiturienten aus Bayern erheblich weniger Studienabbrüche hätten als Abiturienten aus Bundesländern mit deutlich höheren Abiturquoten. Bertelsmann suggeriere, dass Bildungsgerechtigkeit dann erreicht sei, wenn alle das Abitur hätten. Das sei aber Unfug, wie das Beispiel von Ländern mit scheinbarer Vollakademisierung zeigten.

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Es nütze auch nichts, bestimmten Bundesländern einen Mangel an Ganztagsschulplätzen anzukreiden, wenn man andererseits feststelle, dass gerade in ländlichen Gegenden Ganztagsschulen kaum nachgefragt würden. Viele Studien belegten, dass die Möglichkeiten der Schule, die unterschiedliche Bildungsnähe und Förderung seitens der Elternhäuser auszugleichen, begrenzt seien. Deshalb müsse einer intensiven Frühförderung mit Sprachstandstests und anschließenden Intensivsprachkursen Priorität eingeräumt werden, so Meidinger. News4teachers

Zum Bericht: „Wenig Fortschritte bei der Chancengerechtigkeit in Schulen“

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4 Kommentare
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Reinhard
10 Jahre zuvor

Die Bertelsmann-Stiftung hat ihre eigenen Interessen, wenn sie Studien macht.

Aufmüpfer
10 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard
mehrnachdenken
10 Jahre zuvor

@ Aufmüpfer
Vielen Dank für den sehr aufschlussreichen Link.

Die Bertelsmann-Stiftung und ihre wohlgefälligen so genannten Bildungsexperten scheinen vor keinem Mittel zurückzuschrecken, um ihre Vorstellungen von einer ihnen genehmen Bildungslandschaft zu erreichen. Politisch umgesetzt wird diese „schöne neue Schulwelt“ dann von der SPD und den Grünen mit tatkräftiger Unterstützung des Lehrerverbandes GEW.
Wo bleibt der massive Widerstand? Gut finde ich deshalb die klare Stellungnahme der Bildungsministerin Wanka.

Aufmüpfer
10 Jahre zuvor

@ mehrnachdenken
Ich teile Ihre Ansicht der Dinge und frage mich auch immer wieder: „Wo bleibt der massive Widerstand?“
Die wahrscheinlichste Erklärung ist wohl mangelnde Aufmerksamkeit für das, was in den vergangenen Jahrzehnten zuerst schleichend und jetzt galoppierend in der Politik und den Einheitsmedien vor sich geht. Eigentlich müsste jedem auffallen, wie eintönig, fast schon abgesprochen, nicht nur die Nachrichten klingen, sondern auch die Stellungnahmen. Es herrscht z.B. fast absolute Einigkeit in Gesellschafts- und Bildungsfragen oder auch in der Beurteilung der Grünen. Sie enthält so gut wie keine Kritik mehr, so als sei diese Partei über alle Zweifel erhaben. Sogar die kürzliche Offenlegung ihrer pädophilen Vergangenheit konnte ihr nichts anhaben, obwohl diese für andere Kreise das Aus bedeutet hätte. Sie fand entweder kein Echo in den tonangebenden Medien oder wurde verharmlost.
Mich hat das Buch des Forsa-Chefs Manfred Güllner über die Grünen und deren rätselhafte Meinungshoheit im Lande (besonders auch bei Journalisten und Lehrern) weitergebracht. Es wurde von vielen Seiten kritisiert oder gar nicht erst erwähnt.
Erstaunlich, dass der „Spiegel“ Herrn Güllner ein Interview gewährte, denn diese Wochenzeitschrift ist auch nicht mehr das, was sie mal war, nämlich ein investigatives, kritisches Nachrichtenmagazin. Hier das Interview:
http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/forsa-chef-guellner-gruene-gefaehrden-die-demokratie-a-857375.html