Lehrer-Verbände streiten um das Fach «Wirtschaft» an Realschulen

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DÜSSELDORF. Die Pädagogen-Organisation „lehrer nrw“ will das Fach „Wirtschaft“ als festes Unterrichtsfach an Realschulen verankern – die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält dagegen.

„Die Probleme heute liegen im wirtschaftlichen Bereich, die Schule muss darauf vorbereiten», sagt Brigitte Balbach, Vorsitzende von „lehrer nrw“, dem früheren Realschullehrer-Verband. Die zu behandelnden Themen sollten vom Euro-Rettungsschirm bis zum Abschluss von Mobilfunkverträgen reichen. Die Wochenstundenzahl für Schüler solle sich dadurch aber nicht erhöhen. Die Prioritäten müssten die Schulen selbst setzen. In den vergangenen drei Jahren hatten sich in Nordrhein-Westfalen 70 der insgesamt 564 Realschulen an einem Modellversuch zum Unterrichtsfach „Wirtschaft“ beteiligt. Das Projekt, das um ein Jahr bis Sommer 2014 verlängert wurde, habe „herausragende Zustimmungswerte“, berichtete „lehrer nrw“ über eine Befragung von Lehrern, Schülern und Eltern.

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Auch die FDP-Fraktion im Düsseldorfer Landtag sprach sich für die Verankerung des Fachs an Realschulen aus. «Es geht um Stärkung der ökonomischen Kompetenz», sagte Yvonne Gebauer, die bildungspolitische Sprecherin der liberalen Fraktion.

Die GEW hält ein Fach „Wirtschaft“ hingegen „weder für zweckdienlich noch für zeitgemäß“. Es müsse darum gehen, Schüler bestmöglich auf die Arbeitswelt vorzubereiten – und dabei seien sozialpolitische Zusammenhänge wichtiger als eine „ökonomische Engführung“. „Die hinter der Forderung nach einem Fach Wirtschaft liegende Vorstellung, die wirtschaftliche Kompetenz von Schülerinnen und Schülern zu fördern, ist einseitig und unzureichend“, meinte die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern. Ökonomische Fragestellungen seien immer auch im politischen und sozialen Kontext zu betrachten. „Wir sehen die Gefahr, dass die Einführung eines Faches Wirtschaft zu einer Verdrängung des Faches Sozialwissenschaften führt“, warnte Finnern. Dieses habe sich aber mit seinem umfassenden Verständnis von sozioökonomischer Bildung bewährt. News4teachers / mit Material der dpa

 

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6 Kommentare
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klexel
10 Jahre zuvor

Ich verstehe diesen Eiertanz in NRW nicht. In Niedersachsen gibt es das Fach Arbeit/Wirtschaft seit Jahrzehnten. In diesem Fach wird sehr gründlich auf die Berufswahl vorbereitet, Betriebe besucht, die Praktika in Klasse 9 und 10 eingebettet, Referenten der Krankenkassen und der Sozialversicherung kommen in die Schulen, Es ist eines der wichtigsten Fächer überhaupt.
Es kann doch nicht angehen, dass Fachkollegen anderer Fächer das Praktikum betreuen, die Praktikumsmappen bewerten müssen, und das alles so nebenbei zu Lasten der anderen Fächer. Und genau so läuft es bisher in NRW.
Es ist oft erschreckend, wie unwissend Schüler in Klasse 8-10 im Bereich Wirtschaft / Sozialversicherung / Berufswahl / Geldverkehr / Versicherungen etc. sind. Und gerade die HS- und RS-Schüler sind es doch, die nach Klasse 10 ins Berufsleben / Ausbildung losgelassen werden.

Norbert Wichmann
10 Jahre zuvor

Ziemlich einseitig und kurzsichtig, was uns FDP und Lehrer NRW da verkaufen wollen.
Klar: wir brauchen eine bessere ökonomische Bildung an Schulen, (übrigens auch eine bessere politische, historische, kulturelle und soziale Bildung) aber kein neues Unterrichtsfach. Das Pflichtfach Wirtschaft führt zu einer Zersplitterung der Stundentafel. Warum nicht gleich andere – ebenfalls gesellschaftlich relevante – Fächer hinzufügen: Gesundheit, Medien, Technik? An den Schulen entstünde ein zersplitterter Fachunterricht, das Denken in Zusammenhängen käme definitiv zu kurz. Die Bestrebungen ein eigenständiges Fach Wirtschaft einzuführen sind nicht neu. Unterschiedliche Wirtschaftsverbände fordern dies seit langem. Es geht auch darum, kritische Themen, wie die Präkarisierung von Arbeit, soziale und politische Verwerfungen als Konsequenz ökonomischen Handelns aus dem Unterricht hinaus zu drängen. Deshalb bin ich dafür, die ökonomische Bildung in so genannten Integrationsfächern wie Sozialwissenschaften zu belassen.

Aufmüpfer
10 Jahre zuvor
Antwortet  Norbert Wichmann

Volle Zustimmung!
Neue Fächer werden in der Regel durch starke lobbyistische Interessensgruppen in den Stundenplan hineingedrückt und gehen immer zu Lasten des bereits bestehenden Fächerkanons. Schon heute tummeln sich reichlich viele Fremdinteressen in den Schulen, die weniger den Schülern als den Lobbyisten zugute kommen.

klexel
10 Jahre zuvor

Warum erscheint mein Kommentar hier nicht?

Grias Di
10 Jahre zuvor

Auch hier wird man feststellen, dass sich das Unwissen der Schüler in wirtschaftlichen Fragen nicht großartig ändern wird. So lange es Schüler nicht selbst betrifft und zwar direkt selbst betrifft, werden sie diese Inhalte genau so sehen, wie die anderer Fächer. Zu Schulzeiten werden sämtliche wirtschaftliche Fragen für die Schüler von den Eltern erledigt (außer Schüler sind schon 18) und damit sind die Fragen des Wirtschaftsunterrichts für die meisten Schüler nicht von Belang.

sofawolf
10 Jahre zuvor

Meiner Meinung nach gibt es zwei (!) Bedingungen dafür, dass man etwas lernt. Zum einen die Wiederholung, zum anderen das persönliche Interesse. Wiederholung kann man organisieren und das tut die Schule zum Teil ja auch. Bestimmte Themen (in Deutsch) kehren immer wieder. In einigen Fächern (Geschichte) geht das aber nicht. Persönliches Interesse kann die Schule schlecht organisieren. Egal, was man alles „veranstaltet“, es wird immer jemanden geben, den etwas nicht interessiert. Wenn es keine Wiederholung gibt und wenn kein Interesse vorhanden ist, wird auch nichts gelernt.