Immer mehr Gewalt an Thüringer Schulen

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ERFURT. An Thüringer Schulen gibt es immer mehr «besondere Vorkommnisse». Die Zahl der Körperverletzungen steigt erschreckend schnell.

An den Schulen in Thüringen ist es seit dem Jahr 2008 immer häufiger zu Gewalt gekommen. Das zeigt die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Thüringer Landtag. Demnach stieg die Zahl der gemeldeten sogenannten «besonderen Vorkommnisse» kontinuierlich von 307 vor fünf Jahren auf 522 im vergangenen Jahr.

So kletterte zwischen 2008 und 2010 die Zahl der Körperverletzungen kräftig. Wurden im ersten Jahr des Betrachtungszeitraums noch 22 Fälle gezählt, waren es 2010 mit 66 Fällen bereits dreimal so viele. Auch für die Jahre 2011 und 2012 verzeichnet die Statistik eine weitere Steigerung. Wegen einer veränderten Zählweise lassen sich diese Zahlen jedoch nicht mit denen der Vorjahre vergleichen. Körperverletzung gehört laut Statistik neben Bedrohung und «Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten» zu den häufigsten besonderen Vorkommnissen.

Seit 2011 werden Amokläufe gesondert erfasst. Zu solchen blutigen Zwischenfällen kam es in der Zeit zum Glück nicht, allerdings wurde in den beiden vergangenen Jahren jeweils 18 Mal Amokalarm ausgelöst. Für «Erpressung im Social Network» – also in von vielen Schülern genutzte Soziale Netzwerke im Internet wie Facebook – gibt es in der Fünf-Jahres-Statistik nur einen Fall.

«Wir sind noch sensibler für dieses Thema geworden», erklärte Bildungsminister Christoph Matschie (SPD). Er setze mit all jenen, die für die Sicherheit an Schulen Verantwortung tragen, auf Prävention. Das Ministerium habe deshalb ein intensives Meldesystem eingeführt, in dem Vorkommnisse an Schulen erfasst und weitergemeldet würden. Es enthalte nicht nur tätliche Auseinandersetzungen oder Straftaten, sondern auch Unfälle, Naturkatastrophen und meldepflichtige Krankheiten.

Matschie verwies auf eine Reihe von Programmen, mit denen Schüler gegen Gewalt sensibilisiert werden sollen. Das Projekt «buddY» bringe Schülern den gewaltlosen Umgang mit Konflikten nahe. «Faustlos» ist ein Gewaltpräventionsprogramm an Grundschulen. Das Projekt «Hauen ist doof» vermittle mediative Konfliktlösungen. Zum Schuljahresanfang sei zudem die Zahl der Schulsozialarbeiter auf mehr als 200 verdoppelt worden.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) setzt auf Prävention und auf Soforthilfe in Krisensituationen. Schule sei ein Abbild der gesellschaftlichen Wirklichkeit, erklärte der Vorsitzende Torsten Wolf. «Wir müssen Pädagogen stärken, die ersten Anzeichen von Konflikten ernst zu nehmen.» Gemeinsam mit Schulsozialarbeitern und Schulpsychologen müsse im Kollegium gegengesteuert werden. Die GEW plädiert deshalb für den Ausbau der Schulsozialarbeit auf mindestens eine halbe Vollzeitstelle pro Schule und den schulnahen Einsatz von Psychologen und längere Laufzeiten.

Als besondere Vorkommnisse werden zum einen verschiedene Vorfälle verzeichnet, die Straftatbestände wie Körperverletzung, Diebstahl oder Bedrohung erfüllen. Zum anderen werden aber auch Unfälle, meldepflichtige Krankheiten oder Schülerstreiks als besondere Vorkommnisse erfasst. Insgesamt gibt es in Thüringen 233 000 Schüler, die sich auf 1000 Schulen verteilen. dpa

Zum Bericht: „Zahl der Gewalttaten an Hamburgs Schulen erneut gestiegen“

 

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Angelika
3 Jahre zuvor

Nach über sieben Jahren noch kein einziger Kommentar? Bedeutet das Zustimmung zu den Förderprogrammen oder mag keiner den Anfang machen?

Ich kenne „Faustlos“ für Kindergartenkinder und auch das Buch „Hauen ist doof“. Über das Projekt „buddY“ haben Kinder schon herrliche Witze gemacht. Ein Erstklässler mit Englischkenntnissen zu seiner Schwester „Na, was macht dein Bodybuilder?“ – Deren Freundin musste ihr „Gutes tun“.

Und immer noch werden eifrig Pseudo-Urkunden ausgedruckt, um Kinder als Urkundenhalter ablichten zu können.

Das Buch „Hauen ist doof“ ist übrigens eine kabarettreife Lektüre.