Neues Schulgesetz: Schleswig-Holsteinischen Regionalschulen droht die Schließung

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KIEL. Geht es nach dem Willen von Bildungsministerin Waltraud Wende, werden Haupt- und Realschulabschluss mit der Reform des schleswig-holsteinischen Schulgesetzes zum Schuljahr 2014/15 entfallen. Im Landtag lieferten sich die Parteien erbitterte Wortwechsel.

Die Reform des Schulgesetzes hat zu heftigen Kontroversen im Kieler Landtag geführt. Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) betonte, das Gesetz ermögliche die bestmögliche Förderung jedes Kindes, biete Chancengerechtigkeit und fördere den sozialen Zusammenhalt in Schleswig-Holstein. Außerdem lobte sie den Dialogprozess mit allen Beteiligten: «Das neue Gesetz hat viele Mütter und Väter und darüber freue ich mich sehr.» Während die Regierungsparteien SPD, Grüne, und SSW das Gesetz begrüßten, übte die Opposition von CDU, FDP und Piratenpartei teils massive Kritik. Der Gesetzentwurf wurde zur weiteren Beratung einstimmig in den Bildungsausschuss überwiesen.

Landtag Schleswig-Holstein
Landeshaus Kiel, Sitz des schleswig-holsteinischen Landtags. Foto: arne.list/flickr (CC BY-SA 2.0)

Das Gesetz sieht ein zweigliedriges Schulsystem mit Gemeinschaftsschulen und Gymnasien als weiterführende Schulen vor. Zum Schuljahr 2014/15 soll das Gesetz in Kraft treten. Die bisherigen Regionalschulen werden in Gemeinschaftsschulen umgewandelt. Mindestens 12 der 43 Regionalschulen drohen geschlossen zu werden, weil sie nicht mehr die Mindestzahl von 240 Schülern erreichen. Der Hauptschulabschluss und die Mittlere Reife (Realschulabschluss) fallen weg. Stattdessen werden als neue Abschlüsse die «Berufsbildungsreife» (nach neun Schuljahren) und der «Mittlere Bildungsabschluss» (nach zehn Jahren) eingeführt.

An den Gemeinschaftsschulen soll das Abitur nach neun Jahren (G 9) und an Gymnasien in der Regel nach acht Jahren (G 8) abgelegt werden können. Bisherige Sonderregelungen an Gymnasien haben Bestand – so auch das sogenannte Y-Modell an vier Gymnasien, die das Abitur als G 8 und G9 anbieten.

Der CDU-Bildungsexperte Daniel Günther kritisierte, dass nach dem Gesetz «definitiv weniger Schulstandorte» im Land übrig bleiben. Außerdem werde die pädagogische Freiheit der Schulen eingeschränkt. «Und Sie pflastern das Land mit neuen Oberstufen voll, die keiner will», sagte Günther mit Blick auf die Pläne, an Gemeinschaftsschulen neue Oberstufen einzurichten. Die Ministerin gefährde berufliche Schulen und Gymnasien. Die CDU-Schulexpertin Heike Franzen bestritt, dass das Gesetz vom Dialogprozess geprägt sei. Die rot-grün-blaue Landesregierung habe vielmehr ihre eigenen Vorstellungen aus dem Koalitionsvertrag 1:1 umgesetzt.

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Wende habe ausschließlich die Abiturienten im Blick. «Die Schüler, die kein Abitur anstreben, kommen bei Ihnen nicht vor.» Franzen kritisierte, dass an den Gemeinschaftsschulen abschlussbezogene Klassen nicht mehr vorgesehen sind. Sie könne auch nicht verstehen, dass es zwar Bestandsschutz für Gymnasien mit G9 und den vier Gymnasien mit G8 und G9 gebe, aber nicht für die noch bestehenden Regionalschulen. Die Umsetzung des Gesetzes, das auf Inklusionsunterricht setzt, verlange mehr Lehrer. In den nächsten Jahren plane die Landesregierung aber einen Stellenabbau. «Sie fahren das Schulsystem sehenden Auges an die Wand», kritisierte die Franzen die Ministerin.

Auch FDP und Piratenpartei kritisierten den Gesetzentwurf. Nach Ansicht der FDP-Bildungsexpertin Anita Klahn prägt Ideologie den Gesetzentwurf. Klahn sprach von Zwangs-Inklusion, zudem werde durch die Abschaffung abschlussbezogener Klassen an Gemeinschaftsschulen das Niveau gesenkt. Völlig unverständlich sei die Abschaffung der Wahlfreiheit der Gymnasien, ob sie das Abitur nach acht oder neun Jahren anbieten oder sogar beide Optionen. Andere Bundesländer würden dieses Modell, das noch von der früheren CDU/FDP-Landesregierung im Norden eingeführt wurde, inzwischen übernehmen.

Der Piraten-Abgeordnete Sven Krumbeck forderte ebenfalls mehr Freiheiten für die Schulen. Zudem sei ein landesweiter Schulentwicklungsplan notwendig.

Der SPD-Bildungsexperte Martin Habersaat lobte Wendes Vorlage als «das bestvorbereitete Schulgesetz», das es bisher in Schleswig-Holstein gegeben habe. Wie auch die Grünen-Abgeordnete Anke Erdmann und Jette Waldinger-Thiering vom SSW erwartet Habersaat, dass dank des künftigen Schulsystems mehr Schüler im Norden das Abitur schaffen werden und die soziale Herkunft weniger Einfluss auf den jeweiligen Schulabschluss haben wird als bisher. (dpa)

zum Bericht: Wende stellt Schulgesetz vor – Opposition: «Ideologischer Irrsinn»

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2 Kommentare
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sofawolf
10 Jahre zuvor

ZITAT: „An den Gemeinschaftsschulen soll das Abitur nach neun Jahren (G 9) und an Gymnasien in der Regel nach acht Jahren (G 8) abgelegt werden können.“

Das finde ich gut.

Reinhard
10 Jahre zuvor

«Mittlerer Bildungsabschluss» statt „Mittlere Reife“ – na, wenn das kein bildungspolitischer Fortschritt ist!