STUTTGART. Der baden-württembergische Kultusminister Stoch bekommt zum Schuljahresbeginn Saures: Die GEW verlangt von dem SPD-Politiker statt «Stückwerk und konzeptlosem Sparen» endlich vernünftige Weichenstellungen – weiterer Ärger scheint programmiert.
Die Lehrergewerkschaft GEW hat die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg zu Schuljahresbeginn davor gewarnt, weiter auf dem Rücken der Lehrer zu sparen. Insbesondere dürfe die Altersermäßigung für Pädagogen nicht gestrichen werden, forderte Landeschefin Doro Moritz in Stuttgart. «Wenn die Landesregierung das wagen sollte, ist der Ofen aus», betonte sie eine Woche vor Beginn des Schuljahres, in dem die folgenschwere Entscheidung fallen soll. Ein solcher Schritt sei nicht mit den wachsenden Aufgaben und geplanten Reformen zu vereinbaren und führe zu schwindender Motivation. «Die angemessene Wertschätzung fehlt den Lehrern weiterhin.» Moritz drohte Kultusminister Andreas Stoch (SPD) sogar, ihm ihre Unterstützung aufzukündigen.
Grün-Rot will, dass die Lehrer vom Schuljahr 2014/15 an die bisherige Entlastung von Unterrichtspflichten vom 58. Lebensjahr an um eine und vom 60. Lebensjahr um zwei Stunden selbst zahlen – oder darauf verzichten. Bereits vom neuen Schuljahr an wird die von den Lehrerverbänden heftig kritisierte Entlastung für außerunterrichtliche Tätigkeiten um 14 Prozent gekürzt. Stoch ließ wissen, dass sich auch der Schulbereich angesichts der Verschuldung des Landeshaushaltes an den Einsparungen beteiligen müsse. «Leider müssen wir sparen, aber nicht zulasten der pädagogischen Qualität und der Unterrichtsversorgung.» Bei den aufgeworfenen kritischen Fragen werde er ebenfalls das Gespräch mit der Gewerkschaft suchen.
Moritz erläuterte, in den beruflichen Schulen habe sich die Unterrichtsversorgung zwar verbessert, doch vor allem bei den Grundschulen seien dafür Löcher weiter offen. Als einzige Schulart erhielten sie keine Poolstunden, etwa für Förderung von Kindern mit Rechen- oder Lese-Rechtschreib-Schwäche. Diese sowie kulturelle Angebote seien «zwingend notwendige Dinge» und gehörten nicht zur verzichtbaren Kür. Für eine Poolstunde in der Woche pro Grundschulklasse wären 642 Lehrerstellen nötig. Indem die Landesregierung diese verweigere, ignoriere sie den wichtigen Grundsatz «auf den Anfang kommt es an», meinte Moritz. Dies bestritt Stoch und betonte, er habe bei den Stellenzuweisungen die Bedürfnisse aller Schularten im Blick gehabt.
Wegen der von Grün-Rot angekündigten Projekte – vom Ausbau der Ganztagsschulen bis zur Eingliederung behinderter Schüler in Regelschulen – müssten Stellenstreichungen tabu sein, meinte die Gewerkschafterin. «Wenn die Landesregierung mehr als die Hälfte der im Koalitionsvertrag vereinbarten bildungspolitischen Reformen umsetzen würde, dürfte keine der zur Streichung vorgesehenen 11 600 Lehrerstellen gestrichen werden.» Allerdings fallen bereits in diesem Jahr 1000, im kommenden 1200 Lehrerstellen weg.
FDP-Landeschefin Birgit Homburger meinte: «Die Kritik der GEW, die sich sonst gerne als Sprachrohr grün-roter Bildungspolitik geriert, sollte die Landesregierung aufschrecken.» Grün-Rot habe innerhalb kürzester Zeit die gesamte Lehrerschaft demotiviert.
Es reicht weder aus Homburgers noch aus Moritz’ Sicht nicht, wenn Grün-Rot auf Hilfe vom Bund für die im Koalitionsvertrag angekündigten Projekte warte. Deshalb sei es auch nicht verständlich, dass die Grünen im Landtag den muttersprachlichen Unterricht in staatliche Verantwortung stellen und damit neue Kosten verursachen wollten, meinte Moritz. «Die müssen aus den Träumen aufwachen.»
Die GEW-Chefin stellte sich grundsätzlich hinter die Gemeinschaftsschule, für sie müsse aber auch genügend Geld vorhanden sein. Für die Fortbildung der Lehrkräfte dieser neuen Schulart stelle das Land mittlerweile weniger Geld bereit als Stiftungen. Auch in der Lehrerbildung dürfe nicht der Rotstift regieren. So sei es «ungeheuerlich», wenn Finanzminister Nils Schmid (SPD) sich gegen längere Ausbildungszeiten für Lehrer stemme, weil dadurch Einspareffekte aufgefressen würden. Sie forderte Stoch und sein neues Team auf, die Interessen von Schulen und Lehrern bei Haushaltsentscheidungen zu vertreten und damit zu beweisen, «dass die grün-rote Bildungspolitik nicht in der Sackgasse steckt».