Personalmangel an Schulen: Landesregierung will Ex-Pionierleiter Lehrern gleichstellen

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SCHWERIN. Lehrer ohne Studium – das soll nach Vorstellung der Landesregierung künftig in Mecklenburg-Vorpommern kein Problem mehr sein. So sollen ehemalige Pionierleiter mit Grundschullehrern gleichgestellt werden. Die Opposition sorgt sich um die Qualität des Unterrichts.

Pionierleiter gehörten zu DDR-Zeiten der FDJ an. Foto (von 1952): Rössing / Deutsche Fotothek / Wikimedia Commons  (CC BY-SA 3.0 DE)
Pionierleiter gehörten zu DDR-Zeiten der FDJ an. Foto (von 1952): Rössing / Deutsche Fotothek / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Die Landesregierung will Lehramts-Absolventen aus anderen Bundesländern und Seiteneinsteigern den Weg an die Schulen Mecklenburg-Vorpommerns erleichtern. Dazu soll das Lehrerbildungsgesetz geändert werden. Bei der Einbringung des Entwurfes in den Landtag entzündete sich jedoch an den Seiteneinsteigern – Bildungsminister Mathias Brodkorb (SPD) nannte als Beispiel ehemalige DDR-Pionierleiter – eine heftige Diskussion.

Linke und Grüne äußerten die Befürchtung, das Land wolle künftig in größerem Stil Lehrkräfte einstellen, die kein Studium mit pädagogischer Ausbildung absolviert haben. Seiteneinsteiger könnten das Problem des Lehrermangels im Land nicht lösen, sagte die Grünen-Abgeordnete Ulrike Berger. Die Bildungsexpertin der Linken, Simone Oldenburg, betonte: «Wer an der Qualität der Ausbildung spart, spart an der Bildung der Schülerinnen und Schüler, und das werden wir unter keinen Umständen dulden.»

Der Freundschaftspionierleiter war laut „Wikipedia“ ein in allen Polytechnischen Oberschulen der DDR hauptamtlich beschäftigter Funktionär der Freien Deutschen Jugend (FDJ), deren Kreisleitung er unterstellt war. Seine Hauptaufgabe bestand darin, die Kinder und Jugendlichen zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ zu erziehen bzw. diese Erziehung durch sein ideologisches Zutun zu untermauern.

Laut Oldenburg arbeiten bereits jetzt mindestens 230 Seiteneinsteiger ohne Lehramtsstudium an den Schulen des Landes. «Ohne berufsbegleitende Qualifizierung und ohne Fortbildungen in Didaktik und Methodik», wie sie sagte. Die Betroffenen würden auch nicht durch Mentoren unterstützt. «Dieses unkoordinierte, mangelhafte Vorgehen wird durch die nun vorliegenden Novelle gesetzlich festgeschrieben», kritisierte die einstige Schulleiterin. Acht Jahre müssten künftig Seiteneinsteiger ohne Hochschulabschluss mit den Kindern experimentieren, ehe sie eine berufsbegleitende Qualifizierung bekommen könnten, so Oldenburg.

Auch die Direktorin des Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung im Land, Carolin Retzlaff-Fürst, sieht die Qualität des Schulunterrichts in Gefahr. «Bundesweit akzeptierte Qualitätsmaßstäbe für Lehrerbildung, Unterricht und Schulentwicklung werden durch diese Planungen gefährdet und unterschritten, Studierende demotiviert und frustriert», hatte Retzlaff-Fürst Anfang September in Rostock erklärt.

Bildungsminister Brodkorb verteidigte sein Vorhaben. Es gehe darum, bewährten Seiteneinsteigern die gleiche Bezahlung wie ihren Kollegen zu ermöglichen, sagte er. Ein Beispiel seien Lehrkräfte, die in der DDR als Pionierleiter ausgebildet worden sind. Ihre Ausbildung habe sich fachlich nicht wesentlich von der Ausbildung zum Grundschullehrer unterschieden. Bis heute seien die Betroffenen jedoch mehrere Einkommensgruppen niedriger eingestuft. Das könne man 24 Jahre nach der Wende nicht mehr machen. Bei neuen Seiteneinsteigern seien die Schulleiter verantwortlich, ihn oder sie auch zu begleiten. Der Landtag überwies den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung in die Ausschüsse. dpa

 

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Heidrun Rulsch
8 Jahre zuvor

Zufällig habe ich diesen Beitrag gelesen und finde den „Vorstoß“ von Herrn Brodkorb richtig toll. Selber wollte ich seit 5. Lebensjahr Lehrerin werden, weil meine Mutter mir großes Vorbild war, was allerdings scheiterte. Ich vermasselte eine Biologieprüfung immer wieder und so kam es, dass mir die letzte Chance (4. Prüfüng) versagt blieb, obwohl ich mein großes Schulpraktikum mit sehr guten Noten abschloss. Die Akten „sprachen“ Jahre später bei Einsicht eine „andere Sprache“, nichts stand da von gut und sehr gut. Aber die Hauptprüfung Pädagogik und Psychologie konnte ich erfolgreich nach dem 2. Studienjahr abschließen, was ich auch nachweisen kann. Ich wollte nicht locker lassen, unbedingt als Lehrerin arbeiten, also folgten weitere Ausbildungen. Erst der „Erziehungshelfer“ mit einem sehr guten Abschluss und dann das Fachschulstudium zum Pionierleiter mit Lehrbefähigung Deutsch und Werken unterer Klassen in Droyßig, trotz Berufstätigkeit und inzwischen eines kleinen Kindes. Aber ich war glücklich, dies geschafft zu haben. Dann kamen Wende und eine vorübergehende Berufsunfähigkeit bezüglich Stimmknoten gleichzeitig. Als die Berufsunfähigkeit nicht mehr bestand, wollte die „rote Socke“ keiner mehr in der Bildung einstellen. Über Umwege landete ich, sicher auch geschuldet durch mein nebenberufliches FS-Studium zur „anerkannten Heilpädagogin“, wieder in der Schule im Hort. Durch die Ganztagsangebote habe ich seit 4 Jahren wieder selber geschult (in Kleingruppen die Lehrer unterstützt oder eigene GTA angeboten) Ich möchte unbedingt wieder als Lehrer arbeiten dürfen, aber trotz riesigem Bedarf, wird es einem schwer gemacht und nicht angerkannt.
Um so wichtiger finde ich, gerade in der jetzigen Zeit, wo so viele „Deutschlehrer“ benötigt werden, um den ankommenden Flüchtlingen die Integration zu erleichtern, dass man den Pionierleiter nicht mehr als „staatsfeindlich“ sieht, sondern seine Fähigkeiten und Fertigkeiten auch heute noch nutzt.
Vielleicht habe ich ja noch eine Chance trotz fortgeschrittenen Alters,dafür mehr Berufserfahrung, Durchsetzungsfähigkeit, Stärke und Ausdauer, meinen Traumberuf der „Lehererin“ zugute kommen zu lassen.

Jürgen Prüser
7 Jahre zuvor

In Sachsen-Anhalt wird diese Vorgehensweise doch schon länger praktiziert, gibt es nicht sogar einen Passus im Einigungsgesetz, dass die neuen Länder so verfahren können? Die Praxis belegt nun oft das Gegenteil, es gibt Beschwerden der Eltern über diese „Lehrer“, die von der jeweiligen Schulleitung nicht weiterverfolgt werden, da die Kapazität (quantitativ, nicht qualitativ gemeint) benötigt wird. Es gibt sogar ehemalige Pionierleiter, die die sie besuchenden Enkel 2 Wochen nicht vom Grundstück lassen bzw. nur einmal am Anfang der Ferien, um gemeinsam Spielzeugwaffen zu kaufen. Wie früher halt, nur in kleinerem Rahmen. Wie kann man solche Leute auf unsere Kleinsten loslassen? Die haben keinerlei pädagogische Bildung außer Stänkern, Schikanieren, Spionieren, Druck erzeugen. Wenn also eine Anpassung an Stati im Westen wie z. B. Rente, dann auch Anpassung bei den Eingangsanforderungen für bestimmte Berufe.

Heidrun Rulsch
7 Jahre zuvor
Antwortet  Jürgen Prüser

Ich dachte beim Lesen der obigen Zeilen, dass heute der 1. April sei, denn so ein Unwissen zu diesem Thema und Unterstellungen von Dingen, die in keinster Weise beweisbar sind, kann doch nur als Scherz gemeint sein. Erst lesen und sich informieren, dann bitte urteilen. Als inzwischen erfolgreich agierende und von Eltern sehr geschätzte Lehrerin, kann ich nur mit dem Kopf schütteln, wenn Personen sich einbilden, alle Menschen einer Berufsgruppe über „einen Kamm zu scheren“ und und mit anderen Berufen zu vergleichen. Jeder ist etwas Besonderes und einzigartig und kann nicht mit irgendetwas verglichen werden. Unsere Kinder der Gesellschaft sind das Wertvollste, was wir haben und sollten von allen geschätzt werden und wir als deren „Wegbegleiter“ sollten gemeinsam an einem Strang ziehen statt sich gegenseitig zu „beschimpfen“.

sofawolf
7 Jahre zuvor

ZITAT: „Ein Beispiel seien Lehrkräfte, die in der DDR als Pionierleiter ausgebildet worden sind. Ihre Ausbildung habe sich fachlich nicht wesentlich von der Ausbildung zum Grundschullehrer unterschieden. Bis heute seien die Betroffenen jedoch mehrere Einkommensgruppen niedriger eingestuft. Das könne man 24 Jahre nach der Wende nicht mehr machen.“

Ich kenne mich damit nicht aus, aber wenn es so ist, dann ist die Argumentation doch stimmig!

ysnp
7 Jahre zuvor

Ich kenne mich zwar nicht aus (bis auf: ich habe die DDR damals öfter besucht und ich hatte dort vieles als unfrei und gelenkt empfunden), aber wie sieht es denn mit der ideologischen Einstellung dieser Ex-Pionierleiter aus, die die Aufgabe hatten, den sozialistischen Nachwuchs zu erziehen? Alles Schnee von gestern? Kann man das einfach so abschütteln? Ich wundere mich immer wieder, wie die 180 Grad Wende in den östlichen Bundesländern vonstatten ging. Wie ist deren pädagogische Einstellung und – wie schon oben angeklungen – ihre Möglichkeiten im erziehlichen Bereich? So wie Jürgen berichtet, scheint das nicht so gut zu laufen.
(@Heidrun Rulsch: Sie sind da wahrscheinlich eine Ausnahme, für Sie war ja die Ausbildung eine Notlösung wie Sie schrieben.)