Willkommen in der schulpolitischen Realität, liebe CDU

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Ein Kommentar von NINA BRAUN

Die Bildungsjournalistin Nina Braun. Foto: Bildungsjournalisten.de
Die Bildungsjournalistin Nina Braun. Foto: Bildungsjournalisten.de

Die CDU tut sich schwer mit dem Abschied von der Doktrin der Dreigliedrigkeit. Das mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass die Christdemokraten in letzter Zeit so manche Bastion haben räumen müssen: Atomausstieg, Wehrpflicht, solide Staatsfinanzen – und jetzt noch die Schulpolitik? So mancher Konservative in der CDU wird sich fragen, warum er seine Parteiführung überhaupt noch unterstützen soll. Trotzdem hatte Ex-Bundesbildungsministerin Annette Schavan auch aus innerparteilicher Perspektive Recht, wenn sie die Schere an einem solch alten Zopf wie der Teilung des Schulsystems in Hauptschule, Realschule und Gymnasium ansetzte (mit ihrem Vorstoß allerdings seinerzeit scheiterte). Konservativ zu sein heißt ja nun nicht, an allem Altem nur aus Prinzip festzuhalten. Schon gar nicht, wenn sich dieses Alte als überkommen erwiesen hat. Die CDU hat ja schon vor Jahren ihren Frieden mit dem Ganztag gemacht. Jetzt hoffentlich mit der Abschaffung der Hauptschule. So gut die Arbeit der Kollegien dort auch sein mag, das Stigma der Verliererschule wird sie nicht mehr abstreifen können.

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Die Haupt- und die Realschule nun aber durch eine „Mittelschule“ ersetzen zu wollen (ein Euphemismus, denn bei zwei Schulformen gibt es keine „mittlere“), löst das Problem nicht. Denn das würde einfach in die neue Schulform transportiert. In einem Schulsystem, in dem es vermeintlich „oben“ (= Gymnasien) und „unten“ (= der Rest) gibt, ist klar, auf welcher Schulform Eltern ihre Kinder sehen wollen. Die einzige dauerhafte Lösung und – nebenbei – der einzig vernünftige Kompromiss mit den Streitern für ein integratives Schulsystem wäre eine Zweigliedrigkeit auf Augenhöhe: Gesamtschule samt Oberstufe neben dem in Deutschland unausrottbaren Gymnasium. Ließe sich an beiden Schulformen, die das System bereithält, alle Abschlüsse machen, gerne am Gymnasium mit seinem mittlerweile eingeführten G8 auch etwas schneller, dann verlöre die Schulwahl am Ende der Grundschulzeit alles Schicksalhafte – und die seit Jahrzehnten nervende Strukturdebatte endlich ihre Nahrung.

Zum Bericht: „Späte Genugtuung für Schavan: CDU gibt die Hauptschule auf“

 

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Ursula Prasuhn
10 Jahre zuvor

Warum soll sich die CDU auf eine hausgemachte Realität einlassen, liebe Frau Braun, wie sie lebensfremder nicht sein könnte? Wahrscheinlich wird sie es sogar tun, aber nicht aus besserer Einsicht, sondern weil das religiöse Glaubensbekenntnis unserer Tage sie dazu zwingt, das da lautet: „Ich glaube an den überragenden Wert der Gerechtigkeit und daran, dass alle Menschen gleichbehandelt und gleichgemacht werden müssen. Darum sollen Kinder so früh und so lange wie möglich in institutionellen, unterschiedlosen Einrichtungen aufwachsen, denn Elternhäuser agieren nicht netzwerkkonform. Sie transportieren überkommene Ungerechtigkeiten weiter und schaden der Gerechtigkeit ebenso wie unterschiedliche Schulformen, die ebenso wie die Eltern Schicksal spielen.“
Auf einen Ihrer Sätze möchte ich noch kurz eingehen. Sie sagen: „Konservativ zu sein heißt ja nun nicht, an allem Altem nur aus Prinzip festzuhalten. Schon gar nicht, wenn sich dieses Alte als überkommen erwiesen hat.“
Sie meinen mit „überkommen“ offensichtlich „überholt“. Ist das wirklich so? Der Begriff „überkommen“ steht nämlich auch für „ausgereift, ausgewogen, beispielhaft, mustergültig, nachahmenswert, perfekt“ oder einfach nur „traditionell“.
http://synonyme.woxikon.de/synonyme/%C3%BCberkommen.php

Aber klar, wer „Überkommenes“ nicht als wertvolles Erfahrungswissen, sondern ausschließlich als Irrtum vergangener Tage ansieht, kann diesen Begriff nur als „überholt“ verstehen.