Debatte um Integration: Schweizer Wohnsitz, deutsche Schule?

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KONSTANZ. Kinder mit Wohnsitz in der Schweiz sollen in Konstanz nur noch in Ausnahmefällen an den Grundschulen lernen dürfen. Der Vorstoß der Stadt sorgt unter Deutschen auf Schweizer Seite für Unmut. Und wirft die Frage auf: Wie gut sind sie dort eigentlich integriert?

Die Schweiz - offenbar nicht immer ein Idyll für Zugezogene. Foto: Elisabeth Belik / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.5)
Die Schweiz – offenbar nicht immer ein Idyll für Zugezogene. Foto: Elisabeth Belik / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.5)

Wenn sich am frühen Morgen die Grenzgänger von Kreuzlingen auf den Weg nach Konstanz machen, sind darunter auch Dutzende Kinder und Jugendliche. Sie überqueren die Grenze der beiden Städte am Bodensee, um zur Schule zu gehen. Insgesamt 305 Schüler mit Wohnsitz in der Schweiz haben nach Angaben der Stadt Konstanz im Schuljahr 2012/2013 dortige Schulen besucht – darunter mit 85 Grundschülern auch die Kleinsten. Wie mit diesem «Bildungstourismus» künftig umgegangen wird, darüber streitet Konstanz seit Wochen.

Hintergrund der Debatte ist ein Beschlussantrag, über den der Konstanzer Gemeinderat am Donnerstag entscheiden will. Vom kommenden Schuljahr an sollen die Grundschulplätze zunächst an Schüler aus Baden-Württemberg – beziehungsweise Konstanz – vergeben werden. Wenn dann noch Kapazitäten an den Schulen frei seien, könnten diese auch von Kindern aus der Schweiz in Anspruch genommen werden, sagt der zuständige Bürgermeister Andreas Osner am Montag.

Ursprünglich war die Linie noch härter: «Ab dem Schuljahr 2014/15 werden keine Kinder mehr mit Wohnsitz Schweiz in Klassen von Konstanzer Grundschulen aufgenommen», hieß es im ersten Antrag. Dieser hatte für viel Unmut gesorgt – eine Online-Petition sammelte in wenigen Tagen rund 500 Unterschriften dagegen. Nach zahlreichen Gesprächen habe man den Antrag schließlich noch einmal geändert, sagt Osner. Er spricht dabei von einem Entgegenkommen.

Die Unterzeichner der Petition fordern freie Schulwahl für die Kinder. «Der eklatante Mangel an Wohnraum – insbesondere für Familien – sowie qualifizierten Arbeitsplätzen ist vielfach Motivation, den nicht ganz leichten Schritt ins Nachbarland zu gehen», schreiben die Initiatoren. «Für viele Familien ist dieser Weg die einzige Möglichkeit, um überhaupt in der Region bleiben zu können.»

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Die Stadt wiederum verweist zum einen auf die Kosten, welche durch die Kinder aus der Schweiz verursacht werden. Elf Schulklassen habe man zusätzlich einrichten müssen, fünf davon an Grundschulen, sagt Osner. Das Regierungspräsidium beziffere die Kosten pro Klasse und Schuljahr mit 50 000 Euro. Zudem gebe es auf Schweizer Seite den Wunsch nach mehr Integration der Kinder in die Kommunen.

Denn für die betroffenen Eltern geht es zwar primär um Fragen, wie: Wo bekommt mein Kind die beste Schulbildung? Mit welchem Abschluss hat es Chancen auf einen Hochschul- oder Arbeitsplatz? Welche Ferienzeiten sind für unsere Familie am günstigsten? Gleichzeitig wirft die Debatte aber auch die Frage auf, wie integriert die Deutschen in der Schweizer Nachbargemeinde Kreuzlingen – und auch in anderen Grenzregionen – eigentlich sind.

Gut ein Viertel der Kreuzlinger Bevölkerung habe einen deutschen Pass, sagt Zeljka Blank-Antakli von der dortigen Integrationsstelle. Dabei stelle sie fest, dass Deutsche, die von weiter her kämen – beispielsweise aus Ostdeutschland -, sich schneller in alle Bereiche des Lebens fügten. «Integration hat auch mit der Dauer des Aufenthalts und der Entfernung zum Heimatort zu tun. Deutsche aus Konstanz haben die Möglichkeit, ihr soziales Umfeld weiter zu pflegen, oder aber auch noch in Deutschland berufstätig zu sein.»

Sie würde Eltern von neu einzuschulenden Kindern empfehlen, das Schweizer Schulsystem als eine Option wahrzunehmen, sagt Blank-Antakli. Der gemeinsame Schulweg mit Klassenkameraden sei ein wichtiger Teil der sozialen Integration in der nächsten Umgebung.

Wie wenig die deutschen Nachbarn in der 20.000-Einwohner-Stadt Kreuzlingen bislang angekommen sind, hat auch eine Studie der Universität Konstanz im Jahr 2011 festgestellt. Die Wissenschaftler hatten das Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen in Konstanz und Kreuzlingen untersucht – demnach fühlt sich nicht einmal jeder zehnte Deutsche in Kreuzlingen gut integriert. dpa

 

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