Deutscher Lehrertag: Liebe Politiker, schaut auf dieses Engagement

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Ein Kommentar von NINA BRAUN.

Die Bildungsjournalistin Nina Braun. Foto: Bildungsjournalisten.de
Die Bildungsjournalistin Nina Braun. Foto: Bildungsjournalisten.de

Individuelle Förderung galt jahrelang als das Thema der Bildungspolitik. Kaum ein Schulminister, der die Forderung nicht zum zentralen Motiv seiner Sonntagsreden machte. Individuelle Förderung fand  sogar als Schülerrecht Eingang in so manches Schulgesetz, etwa in Nordrhein-Westfalen. Allerdings als nicht einklagbare Klausel. Also ein Gummi-Paragraph. Sonst hätte es ja auch einen kräftigen Personal-Zuschlag für die Schulen geben müssen.

Die Lehrer in Deutschland waren mehrheitlich zunächst skeptisch, wie Individuelle Förderung denn in Klassen von 30 und mehr Kindern bewerkstelligt werden sollte. Das sind sie wohl noch heute. Umfragen zeigen jedoch auch, dass das Gros der Lehrerschaft das pädagogische Prinzip mittlerweile anerkannt hat und dort, wo es möglich erscheint, auch tatsächlich praktiziert. In vielen Grundschulen beispielsweise.

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Die Politik ist allerdings kleinlauter geworden. Individuelle Förderung wurde in so manchem Bundesland, Mecklenburg-Vorpommern etwa, unauffällig aus dem Pflichtenkatalog der Pädagogen gestrichen. Klar, sonst hätte es ja auch mal einen kräftigen Personal-Zuschlag für die Schulen geben müssen. Tatsächlich passiert in vielen Bundesländern das Gegenteil: Lehrerstellen werden gestrichen, Fortbildungsmittel auch. Dabei ist das Thema heute so aktuell wie vor zehn Jahren, sogar noch aktueller: Wie soll denn die Inklusion ohne Individuelle Förderung funktionieren? Wie sollen die vielerorts neu entstehenden integrierten Schulen ohne Individuelle Förderung sinnvoll arbeiten?

So mancher Politiker scheint den Zusammenhang nicht (mehr) zu sehen und zückt den Rotstift. Vielen Lehrern ist dagegen bewusst, dass jeweils das eine nicht ohne das andere zu haben ist. Und dass es dafür des besonderen Einsatzes auf Pädagogenseite bedarf, wenn schon von der Politik nicht genügend Unterstützung kommt. Einen eindrucksvollen Beleg für ein solches Engagement bot der Deutsche Lehrertag, der sich mit dem Thema Individuelle Förderung beschäftigte – und der mehr als 1000 Pädagogen aus ganz Deutschland nach Dortmund zog. Das zeigt Verantwortungsbewusstsein. Und ist vorbildlich. Liebe Politiker, schaut mal drauf.

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3 Kommentare
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Ursula Prasuhn
10 Jahre zuvor

Dass „individuelle Förderung“ durch innere Differenzierung in jahrzehntelangen Versuchen nie wirklich gelungen ist, gehört zu den unangenehmen Erfahrungen der Lehrer. Nun setzen Ideologen mit Hilfe von Politikern und Gewerkschaften dennoch verstärkt auf diese Hypothese, weil die Inklusion sie braucht. Mehr Geld, Personal und Fortbildung sollen endlich das Unmögliche möglich machen.
Gesamtschulen mit besonders heterogenen Klassen (auch ohne Inklusion) sind schon lange bekannt für schwache Schülerleistungen. Diese Tatsache wurde jedoch erfolgreich schöngeredet mit angeblichen Leistungsstärken auf verschwommenen Gebieten wie „soziale Kompetenz“ oder „Toleranz“. Wohlklingende Worthülsen ersetzten Argumente und machten Meinungsgegner zu unsympathischen Zeitgenossen.
Der Erfolg: Heute wagen Lehrer meiner Beobachtung nach kaum mehr offene Meinungsäußerung oder gar Widerspruch. Wenn doch, geschieht das meist anonym oder im Kreis von Vertrauten.
Es gibt leider auch Lehrkräfte, die gelernt haben, nur an der eigenen Person zu zweifeln anstatt an Aufgaben und Zielen, vor die sie und die Schüler gestellt sind. Aus Furcht, dass andere – wozu auch Kollegen zählen – ihr „Versagen“ bemerken, arbeiten sie sich halbtot und tun alles, um Probleme zu verschleiern. Jeder weiß, dass deren Offenlegung in den vergangenen Jahren immer häufiger zum Bumerang wurde, der die eigene Person trifft.
Als Inklusions-Skeptikerin betrachte ich das von Ihnen beschriebene „Engagement“ der Lehrer, Frau Braun, nicht unbedingt als Zeichen der Zustimmung oder gar Begeisterung für die Inklusion. Diese gibt es sicherlich, doch gibt es m. E. noch häufiger Motive, die berechtigt, aber auch bedrückend sind und Fragen aufwerfen, um die sich kaum jemand kümmert.

Reinhard
10 Jahre zuvor

Sie schreiben, individuelle Förderung werde praktiziert „an Grundschulen beispielsweise.“ Was meinen Sie, könnte dies an Grundschulen vielleicht leichter und plausibler sein, besser funktionieren als bei anderen Schulformen?
Was sagen die Daten der Lehrermeinungen dazu?

Gerald
10 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Reinhard, der ich Sie bisher als Geistesverwandten empfunden habe, warum stellen Sie diese seltsame Frage?
Sind die Daten über die Lehrermeinung wirklich so wichtig? Sie wären es doch nur, wenn sie auf zverlässlicher Basis beruhten.
Warum wollen Sie eine erhoffte Antwort, die für Gymnasiallehrer zwar noch kurzfristiges Entrinnen vor der Inklusion bedeuten könnte, der Grunsdsatzfrage aber ausweicht?
Nehmen Sie doch einfach nur Stellung zur Inklusion, egal ob auf Grundschul- oder Gymnasialebene.
Ihre persönliche Meinung ist wichtig, auch wenn sie herzlich wenig zu einem Kurswechsel in der Bildungspolitik beitragen kann.