Niedersachsens Gymnasien streichen Klassenfahrten – Protest gegen Mehrarbeit verschärft sich

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HANNOVER. Ende August haben rund 10 000 Lehrer in Hannover gegen die geplante Mehrarbeit an Gymnasien demonstriert. Viele Schulen haben seither den Boykott von Klassenfahrten beschlossen. Der Landesschülerrat sieht dies kritisch.

Die Proteste gegen die geplante Mehrarbeit der Lehrer an Niedersachsens Gymnasien weiten sich aus. Inzwischen hätten die Personalräte von mindestens 15 Schulen die Streichung von Klassenfahrten und anderen freiwilligen Zusatzarbeiten beschlossen, sagte der Vorsitzende des niedersächsischen Philologenverbandes, Horst Audritz. Vielerorts werde ein Boykott von Klassenfahrten diskutiert. Nach einem Kabinettsbeschluss sollen die Gymnasiallehrer vom Schuljahr 2014/15 an eine Stunde mehr pro Woche unterrichten, außerdem soll die versprochene Altersermäßigung gestrichen werden.

««Wir organisieren keinen Boykott. Die Bewegung kommt aus den Schulen selbst», betonte Audritz. Bisher beteiligen sich vor allem Gymnasien im Großraum Hannover und Hameln daran, aber auch die KGS Rastede im Landkreis Ammerland. Der Philologenverband sowie die Lehrergewerkschaft GEW forderten die Landesregierung auf, die angekündigte Mehrarbeit zurückzunehmen. Demnächst soll eine von mehr als 11 600 Menschen unterzeichnete online-Petition der KGS Rastede Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) überreicht werden. Niedersachsens GEW-Chef Eberhard Brandt sagte: «Die Wut und die Enttäuschung in den Kollegien hat sich gesteigert. Ich kann gut verstehen, dass ein Zeichen gesetzt wird.«

Der Landesschülerrat (LSR) lehnt den Klassenfahrten-Boykott ab. «Es ist ein politischer Streit, und der muss auf politischer Ebene geführt werden», sagte der LSR-Vorsitzende Keven Knipping. «Der Streit darf nicht zulasten der Schüler gehen. Sie werden ein Stück weit instrumentalisiert.»

Klassenfahrten sind pädagogisch wertvoll - und für Lehrer oft Zusatzarbeit. Foto: gostockholmgoeteborg / (CC BY-NC-SA 2.0)
Klassenfahrten sind pädagogisch wertvoll – und für Lehrer oft Zusatzarbeit. Foto: gostockholmgoeteborg / (CC BY-NC-SA 2.0)

Heiligenstadt hatte die geplanten Kürzungen als «vertretbar und verkraftbar» verteidigt. Die Landesregierung plant, mit der Mehrbelastung der Lehrer jährlich rund 80 Millionen Euro zu sparen, die dann im Kultusetat an anderer Stelle ausgegeben werden. Bis 2017 sollen zusätzlich rund 420 Millionen Euro in den Kultusbereich fließen.

Theaterinszenierungen, Weihnachtsfeiern oder Sportfeste stehen nun an vielen Schulen zur Disposition. Eltern bedauern dies. «Wir hätten uns bei allem Verständnis für die Wut der Lehrer einen anderen Weg des Protests gewünscht», sagte Petra Wiedenroth, Geschäftsführerin des Verbands der Elternräte der Gymnasien Niedersachsens.

Bei der Herbsttagung des Verbands in Hannover an diesem Samstag sollte auch über die Arbeitsbelastung der Lehrer diskutiert werden. «Unter der neuen Landesregierung haben sich die Bedingungen an den Gymnasien verschlechtert», meint Wiedenroth. «Wir haben zum Beispiel deutlich weniger Lehrer zugewiesen bekommen.» Die Ministerin sieht im Gegensatz zu der Elternvertreterin den Bestand der niedersächsischen Gymnasien trotz steigender Schülerzahlen an Gesamtschulen keinesfalls gefährdet. dpa

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Grias Di
10 Jahre zuvor

Dieser Protest hat genau die richtige Form. Sonst merkt ja niemand, was an Schulen unentgeltlich läuft. Dass es die Schüler trifft ist ja klar, wen sonst. Bei Ärzteprotesten trifft es die Patienten, bei Pilotenstreiks die Passagiere usw. Wo ist das Problem?