Psychologin: „Die Grundschule ist eine problematische Phase für Hochbegabte“

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TÜBINGEN. Wer schlau ist, hat es einfacher im Leben, ist aber oft komisch. Auf diesen kurzen Nenner lassen sich die Vorteile bringen, mit denen sich Hochbegabte herumschlagen müssen. Dabei seien die meisten von ihnen ganz normal – nur eben etwas schlauer, sagen Experten.

Menschen mit hoher Intelligenz sehen sich häufig mit Vorurteilen konfrontiert. «Oft werden sie als komisch und sozial inkompetent angesehen», sagte Diplompsychologin Regine Lang vom Tübinger Institut für Hochbegabung. «Da schwingt immer diese Idee von Genie und Wahnsinn mit.» Laut Studien seien hochbegabte Menschen im Schnitt aber genauso sozial eingestellt wie Normalbegabte, nur eben etwas schlauer. «Deshalb müssen wir immer wieder aufklären, damit sich solche Vorurteile insbesondere bei Lehrern nicht verhärten», sagte Lang.

Natürlich gebe es Sonderbegabte, die sich schwer in der Gesellschaft zurechtfänden. «Diese Extreme wie in dem Film „Beautiful Mind“ über den Mathematiker John Forbes Nash prägen das Bild, das aber auf die Mehrzahl der Hochbegabten nicht zutrifft», erläuterte die Psychologin.

Besonders intelligente Menschen seien auch nicht arroganter als andere. «Ein solches Verhalten ist eine Frage des Temperaments.» Allerdings würden sie oft als Besserwisser wahrgenommen werden. «Was eben auch daran liegt, dass sie es oft besser wissen.» An dieser Stelle seien Hochbegabte gut beraten, manchmal einfach den Mund zu halten.

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Als weiteres Vorurteil nannte Lang, dass Hochbegabten alles zufliege und sie und ihre Angehörigen sich keine Sorgen um die Zukunft machen müssten. «Von besonders begabten Menschen im Sport und in der Musik wissen wir aber, dass es ohne Training nicht geht.» Auch Hochbegabte müssten üben, erst dann entfalte sich ihr Können. «Es ist wie bei einem Computer: Was nutzt ein großer Prozessor, wenn keine Programme aufgespielt sind.»

Als problematische Phase nannte Lang die Grundschule, wo sich Hochbegabte häufig durchlavieren könnten. «Sie lernen nicht das Lernen, und meinen, das könnte das ganze Leben so weitergehen. Wenn dann im Gymnasium die ersten Anforderungen kommen, wird es schwierig.» Hier müssten Lehrer der Grundschule stärker auf die unterschiedlichen Begabungen der Schüler eingehen und sie fördern.

Hochbegabung sei eben keineswegs kein Garant für ein glückliches und erfolgreiches Leben. «Intelligenz ist im Beruf höchstens ein Einstiegskriterium. Danach zählen soziale Eigenschaften wie Durchsetzungs- oder Einfühlungsvermögen, Entscheidungskraft und Engagement», erläuterte Lang. Wenn ein Hochbegabter auch darüber verfüge, könne er es allerdings weit bringen. dpa

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3 Kommentare
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kritisch
10 Jahre zuvor

Wenn jedes Bundesland genügend Schulpsychologen hätte, die die Hochbegabung, wenn sie im Verdacht steht, durch einen Tests näher bestimmen würden, statt dass Eltern diese Tests finanzieren und weite Wege auf sich nehmen müssen, und wenn alle Hochbagabten in der Klassenzusammensetzung doppelt gezählt würden oder aber Rucksackstunden bekämen, könnte die Förderung sicherlich besser sein.
Auch ein Aspekt, der im Rahmen einer inklusiven Beschulung, die darin besteht, alle Kinder in einen Raum zu setzen und ein „nun lernt mal schön aneinander und voneinander“ und ein „die Lehrerin macht das schon“ auszusprechen, lediglich zum Sparfaktor verkommt.

Reinhard
10 Jahre zuvor

Was hier zur Grundschule steht, spricht nicht dafür, die Grundschule auf 6 Jahre zu verlängern.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Die 6-jährige Grundschule ist gerade in Berlin (West), wo sie seit Kriegsende praktiziert wird, zu einem politischen Zankapfel geworden. Es gab und gibt dort auch grundständige Gymnasien ab Klasse 5, aber die Plätze dort werden oder wurden zeitweise künstlich verknappt, und zwar ausschließlich aus politischen Gründen, weil die Regierung die 6-jährige Grundschule „stärken“ wollte:

https://www.berliner-zeitung.de/ab-der-fuenften-klasse-aufs-gymnasium—das-rennen-laeuft-kommt-in-die-lostrommel–kommt-nicht-in-die-lostrommel-16440328

Jetzt plötzlich ist man bereit, auch die Begabten mal zu „fördern“, vorher wollte man nur die anderen fördern. Dabei war es nie Bedingung bei einem grundständigen Gymnasium, wirklich hochbegabt zu sein, es genügten gute Noten und Leistungs- und Lernbereitschaft. Aber die Regierung argwöhnte, dass mal wieder das Bildungsbürgertum unter sich sein wollte. Aber die eigenen Kinder haben die führenden Genossen dann doch lieber auf solche grundständigen Gymnasien (oder Waldorfschulen) geschickt statt auf die hochgelobten Gesamtschulen, die es in Berlin seit ca. 1970 gibt.