Sexting-Trend – Kultusministerium fordert: Eltern und Schulen müssen handeln

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WIESBADEN. Zuerst ist es „nur“ ein intimes Foto, das Schülerinnen und Schüler einander über Handys und Internet senden. Doch das sogenannte Sexting kann für junge Menschen schnell zum Trauma geraten. Nun will Hessens Kultusministerium den Jugendmedienschutz verbessern.

In Hessen werden immer mehr Fälle von sogenanntem Sexting bekannt. Der Landeselternbeirat schätzt, dass die Zahl der Betroffenen im dreistelligen Bereich liegt. Das Landeskriminalamt (LKA) berichtet von «Dutzenden von Fällen» und einer «enorm hohen Dunkelziffer». Auch die Experten in Wiesbaden zeigen sich «besorgt». Angaben zur genauen Zahl der betroffenen, meist jüngeren Menschen kann das Kultusministerium nicht nennen.

Aus einer Hosentasche ragendes Mobiltelefon
Hessens Kultusministerium will beim Jugendmedienschutz aktiver werden und auf die aktuelle Sexting-Welle reagieren. Foto: Lucie Gerhardt / pixelio.de

Beim «Sexting» lichten sich Jugendliche in erotischer Pose ab. Die intimen Fotos oder pornografischen Videos werden dann über Handys von Schülern verschickt. «Dieses Thema bedarf besonderer Aufmerksamkeit», sagte Eva Dubisch, Sprecherin im Kultusministerium.

«Es kann gravierende persönliche Auswirkungen auf die Schülerinnen und Schüler haben, wenn solche Fotos in die mediale Öffentlichkeit gelangen und zum Beispiel Cybermobbing nach sich ziehen», sagte Dubisch. In einigen Fällen würden Mädchen auch mit den Nacktbildern erpresst, ergänzte Gaby Goebel-Andreas vom LKA. Es seien sogar Fälle von neunjährigen Mädchen bekannt. Da gehe es dann schon um Kinderpornografie. «Wer Fotos weiterleitet, begeht Straftaten», warnte die Präventionsexpertin.

An der Wernher-von-Braun-Schule im osthessischen Neuhof wurden in diesem Jahr bereits vier Fälle von «Sexting» bekannt, wie Rektor Klaus Bente sagte. «Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs, es gibt bestimmt noch etliche unbekannte Fälle.» Die vier Mädchen an der kooperativen Gesamtschule mit ihren mehr als 1000 Schülern seien zwischen 12 und 15 Jahre alt. Von ihnen gelangten erotische Fotos per Handy in Umlauf und kursierten bei den Schülern. «In zwei Fällen ging es auch um Videos, in denen Oralverkehr oder Selbstbefriedigung zu sehen waren», sagte Bente. In einem Fall habe auch die Mutter einer Schülerin Intimfotos der eigenen Tochter geschickt bekommen.

«Sexting» sei aber kein Schulproblem: «Das passiert in der Freizeit», sagte Bente. Ab der 6. Klasse werde nun in Fächern wie etwa Biologie und Religion darüber gesprochen, auch Eltern würden zu Vorträgen eingeladen. Nach Ansicht des Medienpädagogen Jens Wiemken (Vechta) ist das Sich-Selber-Fotografieren ein Mittel, um Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen.

Die Eltern und Schulen müssten handeln, heißt es im Ministerium und beim LKA. Das Problem: «Einige ältere Lehrer kommen mit der Lebensrealität der Schüler heutzutage nicht mehr mit.» Außerdem seien Smartphones immer umfangreicher ausgestattet. Das LKA appelliert an Eltern zu überdenken, ob neunjährige Kinder bereits ein Smartphone besitzen müssen.

Es gebe Schülerinnen, die nach der öffentlichen Bloßstellung vor lauter Scham die Schule wechselten, sagte Schulrektor Bente. Die Mädchen gerieten auf dem Schulhof ungewollt in den Fokus und wurden auch von Mitschülern belästigt, nachdem intime Fotos von ihnen in Umlauf geraten waren. Jugendliche und Eltern müssten über die Gefahren und strafrechtlichen Folgen aufgeklärt werden, forderte das Ministerium.

Das Kultusministerium wird deshalb beim Jugendmedienschutz aktiver. Angeboten würden Fortbildungen für Lehrer, damit diese als Jugendmedienschutzberater an ihren Schulen arbeiten könnten. Themen wie Pornografie und «Sexting», Cybermobbing und soziale Netzwerke würden darin aufgegriffen. Das Ministerium erarbeitet wegen der aktuellen «Sexting»-Welle auch ein Informationsangebot für alle weiterführenden Schulen.

Für den Landeselternbeirat ist «Sexting ein virulentes Thema und ein unterschätzter Vorgang», sagt die Vorsitzende Kerstin Geis. «Wir brauchen eine gute medienpädagogische Begleitung an Schulen.» Die Bemühungen in dieser Richtung seien «verbesserungswürdig».

Der Geschäftsführer der Lehrergewerkschaft GEW in Hessen, Ulrich Märtin, betont: «Die Schule kann nicht alles reparieren, was in der Gesellschaft schief läuft.» Das Elternhaus sei verantwortlich: «Eltern müssen auf ihre Kinder einwirken, dass sie nicht bedenkenlos persönliche Daten im Netz preisgeben.» (Jörn Perske, dpa)

Zum Bericht: Schulleiter warnen vor Schülerhandys “voll von Nacktfotos”

Infos zum Thema Pornografie im Netz (klicksafe)

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1 Kommentar
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Reinhard
10 Jahre zuvor

… wie Sexting wohl unter evolutionärem Blickwinkel zu betrachten ist?