Kretschmann verteidigt Unterrichtsreform zu „sexueller Vielfalt“

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STUTTGART. Ein Papier des Stuttgarter Kultusministeriums zum Umgang mit sexueller Vielfalt im Schulunterricht schlägt hohe Wellen. Regierungschef Kretschmann – selbst früher Ethik-Lehrer – steht zu der Reform. Ob er aber auch die Kirchen überzeugen kann?

"Im Kern ist das durchaus richtig, was da steht": Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Grüne NRW / flickr (CC BY-SA 2.0)
„Im Kern ist das durchaus richtig, was da steht“: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Grüne NRW / flickr (CC BY-SA 2.0)

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will trotz der Kritik der Kirchen und zahlreicher Bürger das Thema sexuelle Vielfalt stärker im Unterricht verankern. «Im Kern ist das durchaus richtig, was da steht», sagte Kretschmann in Bezug auf ein umstrittenes Arbeitspapier des Kultusministeriums. Die grün-rote Landesregierung strebt an, dass Schüler künftig stärker über unterschiedliche Formen des Zusammenlebens informiert werden. Unterstützung dabei bekam der Regierungschef dabei von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Die großen Kirchen hatten die Pläne kritisiert und vor «Indoktrination» gewarnt. Kretschmann sagte, er werde noch in dieser Woche mit Vertretern der Kirchen sprechen – auch über das Thema. Er glaube, dass es hier viele Missverständnisse gebe. Bis zum Dienstagnachmittag unterzeichneten rund 125.000 Gegner der grün-roten Pläne eine Online-Petition. Der Initiator der Petition, der Religionslehrer Gabriel Stängle, gab indes seinen Posten als Referatsleiter im Verband der Realschullehrer auf.

Kretschmann, der auch Mitglied des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken ist, sagte in Stuttgart: «Wenn Ausdrücke wie „schwule Sau“ zu den beliebtesten Schimpfwörtern auf Schulhöfen gehören, dann ist da Handlungsbedarf da.» Deshalb sei es richtig, die Themen Pluralität und Toleranz im Unterricht angemessen zu verankern. Er erinnerte daran, dass niemand wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden dürfe und dass die Verfassung auf der unantastbaren Würde des Menschen aufbaue. «Das heißt, die Menschen so zu akzeptieren, wie sie nun einmal sind in ihrer Veranlagung. Fertig. Aus. Amen.» Kretschmann unterrichtete früher selbst Ethik und Biologie.

Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, unterstützte das grün-rote Vorhaben, sexuelle Toleranz als fächerübergreifendes Unterrichtsthema im Bildungsplan zu verankern. Viele schwule Lehrer und lesbische Lehrerinnen wagten es aus Angst vor Repressionen nicht, sich zu outen, sagte Lüders dem SWR. Es sei ein Menschenrecht, sexuelle Orientierung frei leben zu können.

Während die Zahl der Unterstützer der Petition gegen die grün-roten Pläne immer stärker wuchs, machen auch die Befürworter mehr und mehr mobil. Am Dienstagnachmittag hatten rund 65 000 und noch einmal 106.000 Menschen zwei verschiedene Petitionen für das Thema mehr sexuelle Vielfalt unterzeichnet.

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Um eine Petition beim Landtag einzureichen, muss in Baden-Württemberg aber keine Mindestzahl an Unterschriften erreicht werden. Der Petitionsausschuss des Landtags setzt sich mit dem Begehren auseinander – abschließend entscheidet das Landtagsplenum darüber, ob eine Petition Erfolg hat oder nicht.

Der Vorstand des Realschullehrerverbandes erklärte, er habe Stängles Rücktrittsangebot als Referatsleiter angenommen. Stängle war für die Themen Erziehung, Bildung und Schulpolitik zuständig.

Der Verband distanzierte sich von der Petition, in der Stängle der Landesregierung den Versuch der «Umerziehung» von Schülern vorwirft. Es handele sich um eine Privatmeinung, die in ihrer ursprünglichen Version im Widerspruch zu den Vorgaben des Verbandes stehe und auch in der veröffentlichten Form eine tendenzielle Ausrichtung aufweise, heißt es in einem vom Vorstand verabschiedeten Papier.

Zum Kommentar: Das Thema gehört in den Unterricht

Zum Bericht: Papier zu «sexueller Vielfalt» in Schule sorgt weiter für Zündstoff – Kritik vom Philologenverband

 

 

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2 Kommentare
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Reinhard
10 Jahre zuvor

Aus Prestigegründen kann der Ministerpräsident nicht zurück. Aber in den künftigen Verhandlungen wird man jetzt wohl auch auf die Kirchen hören und nicht mehr nur auf Medien und Verbandvertreter von lauten 3%.

stillmann
10 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Dass der Ministerpräsident primär auf “ Medien und Verbandvertreter“ gehört hat, glaube ich nicht. Er wird wohl eher der Linie seiner eigenen Partei gefolgt sein, welche mehr Einfluss auf die Meinung der Medien hat als diese umgekehrt auf die Meinung der Grünen.