In NRW entbrennt ein Streit über Unterrichtsausfall – mehr Lehrer verlangt

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DÜSSELDORF. Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) sieht sich einem neuen Problem gegenüber: Unterrichtsausfall? Gibt es. Doch wie viel? In NRW ist nicht bekannt, wie viele Stunden wirklich unter den Tisch fallen. Die Opposition im Landtag sieht die Regierung in der Pflicht. Der Ruf nach mehr Lehrerinnen und Lehrern wird lauter.

Muss sich mit dem Thema Unterrichtsausfall herumschlagen: Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne). Foto: Bündnis 90/Die Grünen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)
Muss sich mit dem Thema Unterrichtsausfall herumschlagen: Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne). Foto: Bündnis 90/Die Grünen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Wie der viel kritisierte Unterrichtsausfall an nordrhein-westfälischen Schulen künftig genau gemessen wird und wie man ihn besser vermeidet, bleibt strittig und weiter offen. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) wies Vorwürfe zurück, die rot-grüne Regierung sei untätig und vermeide statistische Erhebungen, um unbequemen Wahrheiten aus dem Weg zu gehen. Rot-Grün habe die Stichproben-Erhebungen der schwarz-gelben Vorgängerregierung bis zum Schuljahr 2009/2010 nur deshalb eingestellt, weil sie ungenau, «unglaubwürdig» und «umstritten» gewesen seien.

Die Ministerin sagte, der Landesrechnungshof (LRH) habe in seinem Bericht von 2011 eine etwa doppelt so hohe Ausfallquote gemessen wie damals die schwarz-gelbe Regierung. Nötig sei eine zuverlässige Erhebung, die die Unterrichtsrealität zeige und die mit vertretbarem Aufwand für Schulen und Schulaufsicht zu stemmen sei. Ein jüngst vorgestelltes Gutachten von Schulforschern habe aber ergeben, dass keine der möglichen Erhebungsvarianten die Kriterien erfüllt, die vor gut einem Jahr einstimmig vom Ausschuss für Haushaltskontrolle vorgegeben worden seien.

Löhrmann betonte, Schwarz-Gelb habe während der eigenen Regierungszeit den schon älteren LRH-Vorschlag, eine Ausfallstatistik verbindlich für alle Schule einzuführen, zu Recht abgelehnt. Lehrer-Ressourcen sollten in den Unterricht – und nicht in eine neue Daten-Erfassung – gesteckt werden, empfehle auch das Gutachten. Schulforscher der Ruhr-Uni Bochum und der Fachhochschule Nordwestschweiz waren darin auch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Aufwand einer aufwendigen Statistik sich nicht lohne. Eine zeitlich beschränkte Abwesenheit von Lehrern habe auf den Lernerfolg der Schüler nur geringe Auswirkungen.

Die CDU-Schulexpertin Petra Vogt betonte hingegen, nur wer genau wisse, wo und in welchem Ausmaß Unterricht ausfalle, könne gezielt gegensteuern und Defizite auffangen. Es fehle ein Frühwarnsystem und ein Überblick über die Ausfälle. Das sei mit ein Grund, warum die Schüler in NRW bei der letzten Bildungsvergleichsstudie unter den Bundesländern so schlecht abgeschnitten hätten.

FDP-Bildungsexpertin Yvonne Gebauer warf der Landesregierung vor, sie lege die Hände in den Schoß. Unterrichtsausfall dürfe keine «Verschluss-Sache» sein.

«Wer Unterrichtsausfall vermeiden will, muss sein Ausmaß kennen – in der einzelnen Schule und landesweit», erklärte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Eine jährliche Stichprobe sei allerdings ausreichend, um auf der Landesebene wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Lehrer leisteten tagtäglich – meistens unbezahlte – Mehrarbeit, um Ausfälle zu vermeiden. «Effektiv lässt sich Unterrichtsausfall an unseren Schulen nur mit ausreichend Personal vermeiden», forderte GEW-Landeschefin Dorothea Schäfer laut Mitteilung.

Der Verband „lehrer nrw“ schlug in die gleiche Kerbe. Dass es Unterrichtsausfall gebe, sei für Lehrkräfte, Schüler und Eltern offensichtlich. „Wir sollten uns daher nicht damit beschäftigen, wie wir Unterrichtsausfall erfassen, sondern wie wir ihn vermeiden. Statistiken helfen uns nicht weiter“, erklärte die Vorsitzende Brigitte Balbach. „Falls Schulministerin Sylvia Löhrmann ernsthaft etwas gegen Unterrichtsausfall unternehmen möchte, sollte sie eine ausreichende Vertretungsreserve für alle Schulen bereitstellen, auch für die auslaufenden. Gegenwärtig ist die Personaldecke viel zu dünn, insbesondere in den Mangelfächern. Schon wenn Lehrkräfte nur auf eine Fortbildung oder Klassenfahrt gehen, lässt sich das kaum auffangen. Unsere Forderung ist daher klar: Wir brauchen eine Stellenbesetzung von deutlich über 100 Prozent. Das ist beste Mittel gegen Unterrichtsausfall.“ News4teachers / mit Material der dpa

Zum Bericht: Warum das Erheben von Unterrichtsausfällen gar nicht so einfach ist

Zum Bericht: Streit um Unterrichtsausfall – GEW: Mehr Lehrer statt messen

 

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