Weitergabe von Nacktfotos – fieser Cybermobbing-Trend unter Jugendlichen

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KIEL. Es ist schneller geschehen, als manch Erwachsener ahnt: Ein selbst gemachtes Nacktfoto, weitergegeben per Handy und auf einmal sichtbar für alle. Wie häufig so etwas ist, ist unklar. Experten sagen: Was bekannt wird, ist nur die Spitze des Eisbergs.

Ein Nacktfoto für den Freund – was früher in der Regel in den eigenen vier Wänden blieb, kann heute zu einer recht öffentlichen Angelegenheit werden. Sexting – so heißt ein Trend unter Jugendlichen, bei dem erotische Bilder von Mädchen und Jungen verbreitet werden, etwa über das Smartphone oder Internetforen. Der Begriff ist eine Kombination aus Wörtern «Sex» und «Texting», englisch für SMS versenden. Was nur für eine Person bestimmt war, kann dann plötzlich allen zugänglich sein.

«Jugendliche neigen dazu, alles auszuprobieren», sagt Kathrin Gomolzig, Sprecherin der Landesarbeitsstelle Schleswig-Holstein der Aktion Kinder- und Jugendschutz (AKJS) in Kiel. «Grundsätzlich kann jeder Opfer werden.» Jedem könne es passieren, dass er zu etwas Ja sagt, obwohl er eigentlich Nein sagen möchte. «Jugendliche, die großen Hunger nach Anerkennung haben, sind anfälliger.»

Häufig seien Mädchen betroffen. Ein möglicher Ablauf sei etwa, dass die Nacktaufnahmen vom eigenen Freund gemacht werden. «Dann passiert etwas in der Beziehung» – und das Foto steht im Netz. Ein Motiv sei etwa, andere bloßzustellen oder sich rächen zu wollen. «Es wird sehr unbedarft mit Fotos umgegangen. Fotos sind in Nullkommanichts im Internet, das ist nicht mehr rückholbar.» Zudem könne man gar nicht überblicken, wo die Fotos später landen. Viele Jugendliche allerdings seien sich der möglichen Gefahr nicht bewusst. In Workshops etwa sei oft die erste Reaktion: Mir kann das nicht passieren, die sind doch selbst schuld. «So einfach ist das eben nicht.»

In Schleswig-Holstein ist das Problem zumindest an Schulen offenbar aktuell eher gering.  Von der Stadt Kiel heißt es, Sexting sei aktuell kein brisantes Thema.

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Das Thema Medienkompetenz solle an den Schulen aber vorangebracht werden. In Neumünster sei geplant, im Bereich Jugendschutz eine halbe Stelle zum Thema Medienkompetenz einzurichten, sagt Stadtrat Günter Humpe-Waßmuth. Beim Jugendschutzbeauftragten Andreas Leimbach ist das Thema Sexting aber nicht als großes Problem bekannt. «Ich habe Kollegen im Land gefragt, die haben alle mit den Schultern gezuckt.» Jugendliche hätten erzählt, dass sie zwar von dem Phänomen wüssten, es aber kein Thema für sie sei. Eher scheine es noch den Trend zu geben, Fotos etwa bei Onlinediensten einzustellen, wo die Bilder nur für kurze Zeit zu sehen seien.

In eher ländlichen Gebieten zeigt sich ein ähnliches Bild. Im Kreis Stormarn gab es bislang keine Anfragen zu diesem Thema an das Jugendamt, auch nicht seitens der Schulen. Am anderen Ende Schleswig-Holsteins, in Nordfriesland, sind Fälle von Sexting bereits vorgekommen, allerdings sehr selten, sagt Kreissprecher Hans-Martin Slopianka. Dies sei als Teil des Cyber-Mobbings zu sehen. Dagegen engagiere sich der Kreis etwa jährlich am Anti-Mobbing-Tag im Dezember.

Kinder und Jugendliche nutzen das Internet meist unkontrolliert. Foto: Spencer E. Holtaway / Flickr (CC BY-ND 2.0)
Cybermobbing – jemanden gezielt im Internet fertig machen, kommt häufig unter Jugendlichen vor. Foto: Spencer E. Holtaway / Flickr (CC BY-ND 2.0)

Auch wenn in vielen Gebieten Schleswig-Holsteins das Thema kaum oder gar nicht präsent ist – AKJS-Sprecherin Kathrin Gomolzig glaubt, dass Sexting «sehr viel» vorkomme. «Was wir mitkriegen, ist die Spitze des Eisbergs.» Lehrkräfte bekämen die Vorgänge oft nicht mit. Zwar laufe die Verbreitung der Bilder letzlich über Handys in der Schule ab, das eigentliche Geschehen aber ereigne sich im privaten Bereich. «Und es ist schwer, das anzusprechen.» Eher seien die Eltern gefragt. «Es ist wichtig, dass Eltern frühzeitig gucken – was machst du eigentlich?»

Bei der AKJS werde der Ansatz verfolgt, das Selbstbewusstsein der Jugendlichen zu stärken. An Schulen sei es wichtig, sich früh eine sogenannte Handlungskette zu überlegen, in der die Schritte festgehalten sind, die bei Bekanntwerden eines Falles zu machen sind. «Da herrscht große Unsicherheit.»  Martina Scheffler/dpa

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2 Kommentare
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malum
10 Jahre zuvor

Aufklärung über die Gefahren von Sexting ist weitaus wichtiger als die Aufklärung über sexuelle Vielfalt.

Reinhard
10 Jahre zuvor

ist Sexting nicht ein Aspekt von sexueller Vielfalt?