Streit um „sexuelle Vielfalt“ im Unterricht: Wird das Projekt verschoben?

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STUTTGART. Der baden-württembergische Bildungsplan 2015 steht schwer unter Beschuss. Immer mehr Politiker und Verbände fordern eine Verschiebung. Insbesondere bewegt die Menschen, wie und ob das Thema Akzeptanz sexueller Vielfalt in die Reform eingebracht werden soll.

Die Regenbogenflagge ist Symbol des Kampfes für Gleichberechtigung Homosexueller. Foto. Benson Kua / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)
Die Regenbogenflagge ist Symbol des Kampfes für Gleichberechtigung Homosexueller. Foto. Benson Kua / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Die Stimmen für eine Verschiebung des Bildungsplans 2015 werden immer lauter. Nach der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert auch der Lehrerverband VBE eine Überarbeitung des Papiers, in dem die Akzeptanz sexueller Vielfalt «absolut überhöht» werde. Die Grünen im Landtag erwägen zumindest, die Reform zu verschieben, so dass sie um zwölf Monate verspätet im Schuljahr 2016/17 starten könne. «Mir ist ein guter Bildungsplan lieber als einer schneller», sagte Grünen-Expertin Sandra Boser, die sich eine breitere Diskussion wünscht. Die Landtags-SPD äußerte sich hingegen empört über «öffentliche Querschläge» des grünen Koalitionspartners, der den Eindruck erwecke, es handele sich um ein parteipolitisch geprägtes Projekt.

Die Chefin des Landesinstituts für Schulentwicklung Suzan Bacher meinte, eine Verschiebung sei Sache des Ministeriums. Auch die Eckdaten und Zielvorgaben wie die Leitprinzipien stammten vom Kultusressort. Der Sprecher von Minister Andreas Stoch (SPD) erläuterte: «Wir haben eine Reihe von Stellungnahmen vorliegen und prüfen nun, was umsetzbar ist.» Auch werde im Hinblick auf Rückmeldungen an den Erprobungsschulen für den Bildungsplan untersucht, ob die jetzt geforderten Änderungen oder Ergänzungen an den Bildungsplänen erforderlich seien.

Schmiedel meinte, es könne nicht angehen, dass innerhalb kürzester Zeit Ministerpräsident Winfried Kretschmann Korrekturen am Bildungsplan ankündige, Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sich klar dahinter stelle und Bildungsexpertin Sandra Boser (alle Grüne) eine Verschiebung prüfen lassen wolle. «Ich verlange Schluss mit der Kakophonie», betonte Schmiedel.

Die Grüne Jugend warnte die Mutterpartei, den Bildungsplan zu verwässern. «Es darf in der Frage der Akzeptanz sexueller Vielfalt im Bildungsplan kein Einknicken geben. Wir erwarten von den Grünen, dass sie nicht gegenüber dem homophoben Schlossplatz-Mob zurückziehen.»

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Die CDU und die FDP im Landtag unterstützen hingegen die Forderungen, den Bildungsplan zu überarbeiten und zu verschieben. «Die Zerstrittenheit der Landesregierung nimmt kein Ende», kommentierte der CDU-Bildungsspezialist Georg Wacker. Der Bildungsexperte der FDP-Fraktion, Timm Kern, sagte: «Der Versuch, mit den willkürlich ausgewählten fünf Leitprinzipien im Bildungsplan grün-rote Duftmarken zu setzen, ist gescheitert. Auch beim Thema „sexuelle Vielfalt“ schießt Grün-Rot über das Ziel hinaus.»

Der Landeschef des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, sagte, man müsse sich ernsthafte Gedanken machen zum Unterbau der fünf Leitprinzipien, der in der bisherigen Version mit der Akzeptanz sexueller Vielfalt beschrieben wird. Mit Blick auf den fünften Jahrestag des Amoklaufs in Winnenden unterstrich er, die Erziehung zur Menschlichkeit sei ein bedeutenderes Thema, das im Bildungsplan aufgegriffen werden müsse.

Dass der Komplex Akzeptanz sexueller Vielfalt in den Bildungsplan einfließt, steht für Grünen-Politikerin Boser außer Frage. «Im Blick auf verschiedene sexuelle Orientierungen geht es uns darum, das Schweigen zu durchbrechen und aufzuklären.» Die gesellschaftliche Realität müsse sich auch im Schulalltag, den Lehrmaterialien und Bildungsplänen widerspiegeln, betonte Boser. Das Thema könnte aber auch unter ein neues Leitprinzip Toleranz untergeordnet werden.

Die GEW hatte in einem Brief an Stoch gefordert, die Leitprinzipien zu verändern und zu erweitern sowie die Akzeptanz sexueller Vielfalt in einem neuen Leitprinzip «Anerkennung gesellschaftlicher und kultureller Unterschiedlichkeit» unterzubringen. Eine vertiefte Diskussion sei unbedingt erforderlich und benötige ein Jahr zusätzliche Zeit. dpa

Zum Bericht: Sexuelle Vielfalt im Unterricht – Die emotionale Debatte zwischen „Homophobie“ und „Sex-Diktatur“

 

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