Technik: Enttäuschung Elektroautos – Millionen für die Katz?

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MÜNSTER/ESSEN. Auf Deutschlands Straßen fahren mehr Trabis als Elektroautos. Millionen Euro steckten Politik und Industrie in den vergangenen Jahren in die Erforschung von billigeren und besseren Batterien. Doch die Fortschritte sind mühsam. Und die Autokäufer zögern.

Wenn Dirk Paguyo seinen Zündschlüssel rumdreht, hört man: nichts. Kein Stottern, kein Anspringen, nichts. Der 45 Jahre alte Lehrer aus Essen fährt Elektroauto. Lautlos manövriert er seinen Kewet aus einer Parklücke. Eins von gerade einmal etwa 12 000 Elektroautos in Deutschland. Mit 32 000 Stück gibt es im Jahr 2014 immer noch mehr Trabis auf deutschen Straßen, zeigen die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg.

Der Nissan Leaf ist ein Elektromobil, das in großem Stil produziert wird. (Foto: Daniel Cardenas/Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Der Nissan Leaf ist ein Elektromobil, das in großem Stil produziert wird. (Foto: Daniel Cardenas/Wikimedia CC BY-SA 3.0)

Eine Million Elektrofahrzeuge sollen es nach den Plänen der Bundesregierung bis 2020 sein. Doch richtig in Fahrt kommt die Elektromobilität nicht. Zu teuer und zu geringe Reichweite, so lauten die gängigen Vorurteile. Das Hauptproblem ist die Batterie.

Batterien für Elektroautos müssen wahre Alleskönner sein, erläutert Gerhard Hörpel vom Batterieforschungszentrum MEET der Universität Münster. Die Energiedichte, also die Energie pro Kilogramm Gewicht, muss hoch sein, denn das bestimmt die Reichweite. Die Leistung muss hoch genug sein, damit das Auto schnell anfahren kann. Die Kosten sollten gering sein und die Lebensdauer lang. Dazu kommt die Sicherheit, denn die Batterie darf auch bei einem Unfall kein Risiko darstellen.

2007 feierten Politik und Industrie den großflächigen Einstieg in die Erforschung von Batterien. Eine «Innovationsallianz Lithium Ionen Batterie 2015» sollte den Durchbruch bringen. 420 Millionen Euro legten beide Seiten auf den Tisch. Institute wurden gegründet, Forschungszentren gebaut.

Sieben Jahre später macht sich Ernüchterung breit. Der Essener Chemiekonzern Evonik hat vor wenigen Monaten angekündigt, sich komplett aus dem Batteriegeschäft zurückzuziehen. «Der Fortschritt hat nicht Schritt gehalten mit dem Hype um die Elektromobilität», sagt Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut für elektrochemische Energiespeicherung in Ulm. «Man hat sich Dinge erhofft, die so schnell nicht umsetzbar waren.»

Dirk Paguyos Auto stammt noch aus der Zeit vor dem Hype. Baujahr 1992, zwei Sitze, ein winziger Kofferraum, graue Plastikverschalung, keine Heizung. 80 Kilometer weit kann er mit einer Batterieladung fahren. Doch das lässt er als Gegenargument nicht gelten. «Bei einem Motorroller fragt auch niemand nach der Reichweite, denn mit ihm will man nicht nach Frankreich fahren», sagt der 45-Jährige.

Für Paguyo ist ein Elektroauto derzeit der perfekte Alltagswagen – nicht mehr und nicht weniger. Paguyo fährt mit dem Auto zur Arbeit, zum Einkauf, ins Theater. «Einen typischen Tagesablauf kann man ohne Probleme mit dem Wagen bewältigen», sagt Paguyo. Für weite Reisen oder große Transporte steigt der Lehrer in ein Dieselfahrzeug.

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Ein Problem für die Reichweite: «75 Prozent der Batterie bestehen aus Material, das nichts zur Energiespeicherung beiträgt», sagt Fichtner. Doch die Bauweise habe sich stark verbessert. Dadurch habe man die Energiedichte von Batteriezellen innerhalb von zehn Jahren nahezu verdoppelt. «Für weitere Fortschritte brauchen wir aber neue Speichermaterialien oder Ideen für eine noch kompaktere Bauweise.»

Die Suche nach besseren Materialien läuft auch im MEET in Münster. In den Laboren werden Batteriezellen mit unterschiedlichen Stoffkombinationen gebaut. Kleine Knopfzellen sind das Ergebnis – wie man sie aus Uhren oder Taschenrechnern kennt. Die Batterien werden auf Herz und Nieren getestet, ihre Energiedichte, Lebensdauer und Leistung.

Doch der Teufel steckt im Detail. Beispiel Silizium: Der Einsatz des Halbmetalls würde die Reichweite steigern, doch das Material ist nach dem Laden viermal so groß wie vorher. «Die Silizium-Anode atmet beim Laden und Entladen», erklärt Hörpel. Das wollen die Wissenschaftler durch winzig kleine Löcher in dem Material lösen.

Beispiel höhere Spannung: Auch das würde die Reichweite erhöhen. Das Problem hier ist, dass die höhere Spannung eine wichtige Komponente der Batterie zerstört, den sogenannten Elektrolyt. Also müsste ein neuer, alternativer Elektrolyt gefunden werden.

Im Auto von Dirk Paguyo gibt es keine Tankanzeige. Stattdessen zeigt ein kleines Display den aktuellen Ladestand der Batterien an. Im vergangenen Jahr musste Paguyo die Batterien ersetzen. Bewusst entschied er sich gegen moderne Lithium-Ionen-Zellen und kaufte stattdessen gebrauchte Nickel-Cadmium-Akkus – gebaut im Jahr 1996. Die Anschaffung der Lithium-Zellen hätte sich für ihn aufgrund der höheren Kosten erst nach sechs Jahren gelohnt. «Da weiß ich gar nicht, ob die Akkus so lange halten», sagt der 45-Jährige.

Die Kosten für Lithium-Ionen-Batterien haben sich in den letzten Jahren etwa halbiert, sagt Fichtner. Das habe vor allem an der verbesserten Produktion gelegen. Auf der Seite der Materialien gehe es unter anderem darum, weniger Kobalt zu verwenden, da dieses besonders teuer sei.

Sprunghafte Verbesserungen sind nach Ansicht von Fichtner mit der derzeitigen Technik nicht absehbar – weder bei der Reichweite noch bei den Kosten. «Wir brauchen völlig neue Konzepte, an deren Grundlagen derzeit geforscht wird», sagt der Wissenschaftler. Das Elektroauto wird wohl vorerst weiter die Stadtgrenzen nur selten verlassen. Philipp Seibt/dpa

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Reinhard
9 Jahre zuvor

Der Fehler scheint mir das Bild von AUTO zu sein, das wir Deutschen und auch die Kanzlerin im Kopf haben. Die Energiedichte von Batterien ist einfach zu gering, um 1-2 Tonnen Blech über weite Strecken zu bewegen. Elektrofahrzeuge müssen klein und leicht sein, dann sind sie für die vielen kurzen Wege, die wir allein zurücklegen, ein wunderbares Fahrzeug.