Koalition muss jetzt entscheiden: Wohin mit den Bildungsmilliarden?

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BERLIN. Seit Monaten streiten SPD und Union über die Verteilung von sechs Milliarden Euro, die laut Koalitionsvertrag den Ländern bis 2017 «zur Entlastung» ihrer Aufgaben bei der Bildung zugesagt worden sind. Ein Spitzentreffen am Montag soll nun die die Lösung bringen.

Wenn sich Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel an diesem Montag im Kanzleramt treffen, dann geht es nicht nur um Europa. Es geht vor allem um viel Geld. Genauer gesagt: Es geht um sechs Milliarden Euro, die Union und SPD bis 2017 zusätzlich in Kinderbetreuung, Bildung und Forschung investieren wollen. Die drei Parteichefs möchten endlich einen Konflikt beilegen, der inhaltlich weniger die Koalitionsfraktionen im Bundestag trennt als vielmehr monatelang innerparteiliche Reibereien zwischen Bundes-, Landes- und Fachpolitikern des jeweiligen politischen Lagers offengelegt hat.
Auslöser ist eine unscharfe Formulierung im Koalitionsvertrag, wonach der Bund den Ländern «zur Entlastung» und zur besseren Bewältigung ihrer Aufgaben bei Kinderbetreuung, Schulen und Hochschulen bis 2017 sechs Milliarden Euro zur Verfügung stellen will. Aber was heißt «zur Entlastung»? Neue Bundesprogramme für Kitas, Ganztagsschulen und Hochschulen? Oder einfach eine simple «Cash»-Überweisung ohne Zweckbindung zur Entlastung der klammen Landeshaushalte – so wie die meisten Länder-Finanzminister von SPD wie Union dies verstanden haben wollen.

SPD-intern gilt die Sechs-Milliarden-Zusage als Preis für das Ja so mächtiger Landesfürsten wie Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfalen) und Olaf Scholz (Hamburg) zum Koalitionsvertrag. Die sechs Milliarden reihen sich zudem ein in ein Bündel weiterer finanzieller Hilfszusagen und Bundesinvestitionen zugunsten von Kommunen und Ländern. Die Sechs-Milliarden-Formulierung findet sich deshalb auch nicht im Bildungsteil des Koalitionsvertrages, sondern im Finanz-Kapitel. Nüchtern betrachtet ist das Geld keine zusätzliche Bildungs-Wohltat der Koalition, sondern ein Vorgriff auf die nach 2017 ohnehin anstehende Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen.

Doch die Hochschulen stöhnen jetzt unter dem Studentenansturm und pochen auf das Koalitions-Versprechen, ihre Grundfinanzierung mit weiteren Bundesmitteln zu unterstützen. Die Jugendminister der Länder wollen von dem Sechs-Milliarden-Kuchen mindestens zwei für den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung abhaben. Und die Schulpolitiker erhoffen sich Bundeszuwendungen für weitere Ganztagsschulen und den Ausbau des gemeinsamen Unterrichts von behinderten und nicht behinderten Schülern (Inklusion).

Angesichts der vielen Begehrlichkeiten kommt die Konkretisierung der Zusage Manchem inzwischen wie «die Quadratur eines Kreises» vor. Erschwerend wirkt, dass sich Union und SPD nicht über Aufhebung oder Lockerung des umstrittenen Bund-Länder-Kooperationsverbotes in der Bildung verständigen konnten. Ein Finanztransfer wirft deshalb komplizierte verfassungsrechtliche Fragen auf. Nur beim weiteren Kita-Ausbau gibt es keine Probleme, da das Kinder- und Jugendhilferecht auch nach der Föderalismusreform von 2006 durch Bundesrecht geregelt ist.

Für das Spitzentreffen im Kanzleramt haben die beiden beamteten Staatssekretäre Werner Gatzer (Finanzen) und Rainer Sontowski (Wirtschaft) Lösungsvorschläge erarbeitet – nachdem Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und SPD-Verhandlungspartner Scholz bereits «im Grundsatz» eine Verständigung erzielt haben.

Mehrere Varianten sind möglich: So könnte der Bund befristet oder auch dauerhaft den Länderanteil beim Bafög übernehmen. Das sind  1,1 Milliarden Euro pro Jahr. Zwischen 2015 und 2017 würden die Länder damit um 3,3 Milliarden Euro entlastet. Der Bund hätte so auch Spielraum für die seit 2011 überfällige Bafög-Anpassung. Zuletzt war die Ausbildungsförderung 2010 um fünf Prozent angehoben worden. Für eine Bafög-Anpassung haben bisher weder Schäuble noch die Landes-Finanzminister Vorsorge getroffen.

Das Konzept der beiden Staatssekretäre sieht dem Vernehmen nach auch vor, in eine Gesamtlösung die drei Milliarden Euro einzubeziehen, die laut Koalitionsvertrag für die Ausfinanzierung der bereits seit Jahren laufenden Bund-Länder-Pakte für Hochschulen und Spitzenforschung vorgesehen sind. Wenn der Hochschulpakt aus dem Drei-Milliarden-Paket des Bundes herausgenommen und in die Sechs-Milliarden-Landeszuwendungen einbezogen würde – dann hätte auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) endlich mehr Gestaltungsspielraum bei der Forschung. Denn finanziell steht auch Wanka mit dem Rücken zur Wand. Kuriosum am Rande: Die zuständige Ressortministerin wurde bisher bei dem Bund-Länder-Koalitionspoker überhaupt nicht einbezogen. Karl-Heinz Reith

Zum Kommentar „Erst denken dann handeln“ kommen Sie hier

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