„Auf Facebook sind doch fast alle“: Wie Sozialpädagogen das Netzwerk für ihre Arbeit nutzen

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STUTTGART. Für Lehrer von einigen Kultusministerien verboten – von Sozialarbeitern für ihre Arbeit genutzt: Facebook. Immer häufiger treffen sich Jugendliche im Internet statt im realen Leben. Eine Entwicklung, auf die sich auch Streetworker einstellen. Viele halten über Facebook den Kontakt zu den Heranwachsenden – und bekommen so einen engeren Draht zu ihnen.

Der Umgang mit Facebook ist für Lehrer in Rheinland-Pfalz tabu, dienstlich jedenfalls.  Foto: Alexander Klaus / pixelio.de
Der Umgang mit Facebook ist für Lehrer in Rheinland-Pfalz tabu, dienstlich jedenfalls. Foto: Alexander Klaus / pixelio.de

Um zu überprüfen, was ihre Schützlinge auf Facebook so treiben, können Eltern ziemlich einfallsreich werden. «Es gibt welche, die ihren Kindern den Account selbst anlegen», sagt Petra Strobl. So behielten Mama und Papa als Hüter des Passworts eine gewisse Kontrolle über die Aktivitäten des Nachwuchses in dem Sozialen Netzwerk. Die 33-Jährige, deren Körper mehrere Tattoos und Piercings zieren, ist als Streetworkerin für die Mobile Jugendarbeit Stuttgart im Einsatz. Sie weiß aber auch, dass viele junge Menschen sich ganz frei im Internet bewegen – und oft gar nicht wissen, wem sie sich so alles mitteilen.

Seit einiger Zeit sitzt Strobl wieder etwas häufiger am Schreibtisch – um die Beziehung zu «ihren» Jugendlichen, die sie über ihre Arbeit kennt, auch auf Facebook zu pflegen. Die meiste Zeit ist sie aber nach wie vor unterwegs – in Haupt-, Werkreal- und Grundschulen. Eine Beratung im Netz gebe es bei ihr nicht, sagt die Diplom-Pädagogin. Schließlich könne sie nie wissen, mit wem sie gerade chatte.

Wenn sie auf den Profilseiten auf Problematisches stoße, spreche sie das im «realen Leben» an. Schließlich sei sie nur mit Jugendlichen online befreundet, die sie ohnehin kenne. Aktiv wird sie unter anderem, wenn sie Mobbing wittert – wobei die Übergänge zwischen harmlosen Frotzeleien und Beleidigungen oft fließend seien, betont Strobl. Oft gehe sie aber auch dann auf die jungen Leute zu, wenn sie nur ihr neues Profilbild grenzwertig finde – etwa, wenn eine Minderjährige ein Foto von sich online stellt, auf dem sie raucht. Etwas kontraproduktiv sei das, wenn sie parallel einen Ausbildungsplatz suche.

So wie Strobl richten viele Streetworker ihren Fokus an einigen Stunden in der Woche auf das Internet. Auch Ahmet Keskin, Sozialarbeiter im badischen Schopfheim, hat Facebook fest in seine Arbeitsabläufe integriert. Die Vorteile des Sozialen Netzwerks lägen auf der Hand. «Ich kann dort mit Jugendlichen in Kontakt bleiben, die ich sonst aus den Augen verlieren würde», sagt der 36-Jährige, der auf seinem beruflichen Facebook-Profil knapp 500 Freunde hat.

Zwar müsse er sich auch ganz vereinzelt mit Fällen von Cyber-Mobbing beschäftigen. Die wirklichen Probleme sind aber andere: «Es geht um schulische Schwierigkeiten, Hilfe bei der Ausbildungsplatzsuche, aber auch um die Freizeitgestaltung», sagt Keskin. Dass Facebook seine besten Zeiten hinter sich hat, glaubt er nicht. «Es wird immer noch intensiv genutzt», sagt er. So wie Strobl hat er nicht vor, sich auf weiteren Plattformen anzumelden. «Auf Facebook sind doch fast alle.»

Auch die Zahlen sprechen dafür, dass Jugendliche das Internet sehr rege nutzen. Der Branchenverband Bitkom hatte jüngst verkündet, dass fast alle Teenager in Deutschland inzwischen online sind: Schon im Alter von zehn Jahren nutzen laut Studie 94 Prozent zumindest gelegentlich das Internet. Das Kultusministerium von Rheinland-Pfalz hatte dagegen mit einem Verbotsvorstoß eine Welle ausgelöst, der einige Bundesländer bislang gefolgt sind.

Heutzutage hätten bereits viele Grundschüler einen Facebook-Account, sagt Diplom-Pädagogin Strobl. In der fünften Klasse schätzt sie den Anteil auf 80 Prozent – «und das, obwohl eine Anmeldung offiziell erst ab 13 Jahren erlaubt ist». Holger Vieth, dpa

Zum Bericht: Facebook-Verbot: Nicht alle Bundesländer wollen Lehrer so bevormunden wie Rheinland-Pfalz

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