Lehrerstellenabbau – Kretschmann gibt neue Richtgröße vor

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STUTTGART. Die Schuldenbremse kommt und Baden Württemberg muss sparen. Das Bildungsministerium, auf das mehr als die Hälfte des Landesetats entfällt macht da keine Ausnahme. Aufgrund neuer Schülerprognosen will Ministerpräsident Kretschmann aber die Zahl der zu streichenden Lehrerstellen verringern, auf 8.600bis zum Jahr 2020. Man müsse  sich vom Motto «Viel hilft viel» auch im Bildungsbereich verabschieden.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will in den kommenden Jahren deutlich weniger Lehrerstellen abbauen, als bislang vorgesehen. Da der Schülerrückgang bis 2020 vor allem wegen Zuzug nach Baden-Württemberg niedriger als erwartet ausfalle, würden 3000 Stellen weniger gestrichen als ursprünglich geplant, sagte Kretschmann bei einer Veranstaltung des Kultusministeriums mit Lehrern am Samstag in Stuttgart. «Wir sparen nicht an Bildung», betonte er vor mehr als 400 Lehrern aller Schularten.

Die Zahl 11.600 war in den letzten Wochen für SPD und Grüne ein Tabuthema. Jetzt nennt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) eine neue: 8.600 Lehrerstellen sollen wegfallen. Foto: BÜNDNIS 90/Die Grünen/Flickr CC BY 2.0
Die Zahl 11.600 war in den letzten Wochen für SPD und Grüne ein Tabuthema. Jetzt nennt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) eine neue: 8.600 Lehrerstellen sollen wegfallen. Foto: BÜNDNIS 90/Die Grünen/Flickr CC BY 2.0

Nach den von Lehrerverbänden heftig kritisierten bisherigen Plänen von Grün-Rot sollten bis 2020 eigentlich rund 11 600 Stellen in den Südwest-Schulen gestrichen werden. Nach der Ankündigung Kretschmanns wären es nunmehr nur noch 8600 Stellen. Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl nannte Kretschmanns Bildungspolitik ein «heilloses Durcheinander».

Jahr für Jahr solle überprüft werden, wie viele Stellen tatsächlich wegfallen könnten, ohne dass die Unterrichtsversorgung und die Qualität leide, so Kretschmann weiter. Auch die SPD-Seite der Koalition hatte auf deutliche Abstriche an den Abbauplänen gepocht. Im Jahr 2020 werde mit rund 70 000 Schülern mehr gerechnet als frühere Prognosen hätten erwarten lassen, begründete der Regierungschef die veränderte Planung.

Kretschmann und Kultusminister Andreas Stoch (SPD) machten aber auch klar, dass der Bildungsbereich keine «Insel der Glückseligen» sein dürfe, sondern zur Haushaltskonsolidierung beitragen müsse. Spätestens im Jahr 2020 greift die Schuldenbremse: Das Land muss die Neuverschuldung auf Null zurückfahren. Das Bildungsressort, auf das nach allen Abzügen mehr als 50 Prozent des Etats entfalle, könne die Sparverpflichtungen nicht auf kleine Häuser wie das Umweltministerium abwälzen, unterstrich der Grünen-Politiker.

Man müsse sich in der Bildungspolitik auch von dem Motto verabschieden: «Viel hilft viel». Die Güte des Unterrichts hänge entscheidend von den Lehrern als «Garanten von Qualität» ab. Die Pädagogen könnten sich der Wertschätzung der Landesregierung sicher sein, sagte der ehemalige Gymnasiallehrer. Stoch pflichtete bei: «Unsere Gesellschaft ist auf Ihre gute Arbeit angewiesen.»

Der Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Michael Gomolzig, meinte, gute Worte und Anerkennung der Koalition reichten nicht aus. Grün-rote Reformprojekte wie Ausbau der Ganztagsschulen, Integration behinderter Schüler in die Regelschule (Inklusion) und die Gemeinschaftsschule seien eben nicht ressourcenneutral umzusetzen. Die Koalition habe zu viel auf einmal angepackt. «Die Landesregierung sollte Schritt für Schritt vorgehen und nicht mit der Planierraupe», resümierte der Leiter einer Grundschule in Remshalden (Rems-Murr-Kreis).

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Kretschmann stellte sich überdies hinter das Zwei-Säulen-Modell mit dem Gymnasium und einer integrativen Schule. «Wer sich am Gymnasium vergreift, überlebt das politisch nicht», betonte er. Gegen den Widerstand des Bildungsbürgertums lasse sich diese Schulart nicht abschaffen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke kritisierte, Kretschmann wolle das Gymnasium nicht aus Überzeugung erhalten, sondern allein aus politischem Kalkül.

Bei ähnlichen Veranstaltungen will sich die Landesregierung auch den Fragen von Schüler- und Elternvertretern stellen.

Hintergrund: Wie die Zahlen zustande kommen

Eine Abweichung von 70.000 Schülern auf  acht Jahre zugrunde gelegt, ist die Qualität der Baden-Württembergischen Schülerprognose zumindest zweifelhaft. Zwei Jahre hat die Streichung von 11 600 Lehrerstellen bis 2020 im Raum gestanden. Zuerst hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) diese Zahl genannt. Seitdem wurde sie nicht nur von Lehrern kritisiert, sondern auch von SPD-Vertretern in der Koalition infrage gestellt. Nach neuesten Angaben zur Schülerentwicklung in Baden-Württemberg erklärte Kretschmann Mitte Juni, dass die Zahl 11 600 nicht zu halten sei, ohne eine neue anzugeben. Jetzt nannte er eine Größenordnung für die Stellen, die angesichts der neuen Schülerprognosen im System verbleiben sollen: 3000. Damit ist jetzt als neue Abbau-Zahl 8600 im Gespräch.

Die bisherige Zahl wurde wie folgt ermittelt: Bereits im Haushalt 2012 waren von der Vorgängerregierung 8055 sogenannte kw-Stellen (künftig wegfallend) zur Streichung vorgesehen. Hinzu kamen 3547 Stellen aus der Qualitätsoffensive Bildung, die nur bis 2012 durchfinanziert war. Insgesamt ergaben sich 11 602 nicht dauerhaft finanzierte Stellen. Der in den kommenden Jahren erwartete Schülerrückgang und die dadurch rechnerisch freiwerdenden Lehrerstellen sollten dazu beitragen, diese Zahl bis 2020 zu erreichen. (News4teachers mit Material der dpa)

zum Bericht: Koalitionskrach um Lehrerstellen: Kretschmann geht auf die SPD zu

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5 Kommentare
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Ursula Prasuhn
9 Jahre zuvor

Lehrer als «Garanten von Qualität» zu bezeichnen, hört sich auf Anhieb gut an, ist aber mit Vorsicht zu genießen. Wer Qualität garantiert, trägt nämlich Verantwortung für ihr Fehlen. Und sie wird fehlen bei den politisch gewollten Projekten „Inklusion“ und „Gemeinschaftsschule“.
Offensichtlich weiß das auch Herr Kretschmann. Warum sonst würde er zu einer vorauseilenden Schuldzuweisung über ein vergiftetes Lob greifen?
Bleibt die Frage: Was beabsichtigen Grüne, SPD und die scheinheilige GEW wirklich mit ihrer gemeinsamen Bildungspolitik unter der Flagge „soziale Gerechtigkeit“ und „Chancengleichheit“?

dixo
9 Jahre zuvor
Antwortet  Ursula Prasuhn

Ver(schlimm)besserung der Welt!

Stefan S
9 Jahre zuvor

Wenn Deutschland bei der Bildung und Forschung spart, gräbt es sich sein eigenes Grab. Bildung ist das allerwichtigste. Die Lehrer stehen jetzt schon unter sehr großen Stress und werden immer schlechter bezahlt, bzw. sind sie nur befristet angestellt (Kettenverträge). Dasselbe passiert in der Wissenschaft. 90% aller Wissenschaftler in Deutschland (das sind knapp 300.000 !!!) sind befristet angestellt! Davon haben 50% eine Vertragslaufzeit von einem Jahr und darunter bei besch. Bezahlung.
Deutschland schafft sich ab.

ketzer
9 Jahre zuvor
Antwortet  Stefan S

Wer sagt Ihnen denn, dass die Schaufelei des eigenen Grabes nicht gewollt ist?
Googeln Sie mal unter „deutschfeindliche Zitate von Politikern“! Sie werden staunen.

stillmann
9 Jahre zuvor
Antwortet  Stefan S

Ich möchte Ihren Eingangssatz etwas verändern: Wenn Deutschland bei Bildung und Forschung das Ruder im Denken und Handeln weiterhin den Philosophien von Grün/Rot überlässt, gräbt es sich sein eigenes Grab.
Mehr Geld in diesen Händen bewirkt nichts Gutes.