Bedroht Rot-Grün das gegliederte Schulsystem? Weil: „Wirklich Quatsch“

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HANNOVER. Die Reform des niedersächsischen Schulgesetzes wird laut Regierungschef Stephan Weil den Druck auf Real- und Hauptschulen erhöhen. Vor allem Hauptschulen litten bereits unter sinkenden Schülerzahlen, sagte der SPD-Politiker im Interview. Dagegen hätten Gymnasien keine Probleme. «Daraus kann man auch schlussfolgern, wo es große Veränderungen geben wird und wo nicht», betonte Weil. Die für 2015 angekündigte Gesetzesnovelle wird von CDU und FDP massiv kritisiert, da sie Nachteile für Gymnasien zugunsten von Gesamtschulen befürchten. Das Gespräch im Wortlaut.

"Ach Quatsch": Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Foto Karsten Mosebach, Gymnasium-Melle (Foto-AG) / Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)
„Wirklich Quatsch“: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Foto Karsten Mosebach, Gymnasium-Melle (Foto-AG) / Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)

Greift Rot-Grün, wie von der CDU behauptet, gezielt das gegliederte Schulsystem in Niedersachsen an?

Weil: Das ist also wirklich Quatsch. Dass die Gesamtschulen eine ersetzende Schulform werden, hat nur eine einzige Konsequenz: Die kommunalen Schulträger haben mehr Spielraum. Welche Schulen wo entstehen, entscheidet nicht das Land, sondern die Kommunen in Abstimmung mit den Eltern. Letztlich sind das Abstimmungen mit den Füßen. Die Eltern bestimmen, auf welche Schulen ihre Kinder gehen. Die Gymnasien in Niedersachsen hatten in der Tat ein großes Problem: Die Fortsetzung der alten Schulpolitik, insbesondere von G8, wäre ein Konjunkturprogramm für Gesamtschulen gewesen. Wir führen G9 wieder ein und sichern damit die Zukunft der Gymnasien.

Das heißt, Sie gehen nicht davon aus, dass die Gymnasien in ihrer Existenz gefährdet sind?

Weil: Ach was, das ist eine Phantom-Debatte, für die es überhaupt keine Basis gibt.

Demzufolge sollen die Gesamtschulen dann mittelfristig Real- und Hauptschulen ablösen, damit nicht die Oberschule die einzige alternative Schulform ist?

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Weil: Ja, das ist so. Wir wollen den Kommunen einen Instrumentenkasten an die Hand geben, aus dem heraus sie die beste Lösung bezogen auf die jeweilige Situation vor Ort auswählen können. Das ist die ganze Ideologie, die wir haben. Ich bin tatsächlich der Überzeugung, dass die Eltern am besten wissen, was für ihre Kinder gut ist. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber deshalb wird die Landesregierung mitnichten eine Schulform privilegieren. Wir wollen alle Schulformen attraktiv machen, und möchten, dass man frei unter ihnen auswählen kann. Tatsächlich findet eine Abstimmung mit den Füßen statt: Die Hauptschulen in Niedersachsen haben überall große Probleme, die Gymnasien nicht. Daraus kann man auch schlussfolgern, wo es große Veränderungen geben wird und wo nicht.

Ist das Abitur an einer Gesamtschule denn zu 100 Prozent vergleichbar mit dem am Gymnasium?

Weil: Zunächst haben wir das Zentralabitur und damit auch eine Vergleichbarkeit. Generell zeigt sich, dass es gute und schlechte Abiturienten in Gymnasien und Gesamtschulen gibt.

Aber wenn das so vergleichbar ist, warum braucht man das Gymnasium dann noch?

Weil: Es ist eine durchaus unterschiedliche Denke bei beiden Schulformen. Das Gymnasium ist ein Angebot insbesondere an jene Schülerinnen und Schüler, die von Anfang an das Potenzial haben, das Abitur zu schaffen. Die Gesamtschulen sind sehr erfolgreich darin, aus unterschiedlichen Begabungen das Beste herauszuholen und die Jugendlichen dementsprechend zu fördern, durchaus auch bis zum Abitur, aber viele Gesamtschulen führen bekanntlich gar nicht bis zum Abitur, sondern bis zur zehnten Klasse. Das sind unterschiedliche, aber jeweils interessante Angebote. Das Gespräch führte Marco Hadem, dpa

Zum Bericht: Heiligenstadt kündigt neues Schulgesetz an – schafft sie damit das Sitzenbleiben ab?

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2 Kommentare
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dickebank
9 Jahre zuvor

GeS und GY bedienen unterschiedliche Schülerklientele. Gäbe es keine Unterschiede zwischen diesen Schülergruppen, wäre eine der beiden Schulformen überflüssig.

Die ewige Frage ob die Hochschulzugangsberechtigungen, die sowohl an GeS und BK als auch am Gy erlangt werden können, gleichwertig sind ist irrelevant. Für die gymnasialen Oberstufen dieser drei Schulformen gelten im zentralabi die gleichen Bedingungen. Dass die Vorbereitung auf die gleichen Anforderungen bezüglich des Abschlusses auf unterschiedliche Art und Weise zusatnde kommen, macht ja den Unterschied der Schulformen aus. Daher resultieren letztendlich auch die Unterschiede in den Durchschnittsnoten der Abschlussjahrgänge beider Schulformen.

Btw die Mär das GeS-SuS am Ende der 10 die Noten hinterher geworfen würden, ist nicht auszuräumen. Sie ist aber in der Tatsache begründet, dass ein Gymnasiast den Übertritt in die Oberstufe mit einem Viererschnitt schafft, während die SuS an GeS einen Dreierschnitt aufweisen müssen. werden die einen auf gymnasialen Niveau bis Ende der 9 unterrichtet, werden die anderen auf Niveau des Mittleren Bildungsabschlusses (Realschulniveau) bis Ende der 10 unterrichtet. Diese Unterschiede sollten nicht verleugnet werden.

Reinhard
9 Jahre zuvor

In Salem in BW wurde dieses Jahr der Realschule untersagt, eine neue 5. Klasse einzurichten, obwohl 23 Anmeldungen vorhanden waren. Grund ist die Gemeinschaftsschule (= ehemalige Hauptschule) am gleichen Ort. Die Eltern haben also keine ortsnahe Alternative mehr.