Stoch muss Wähler im neuen Schuljahr von grün-roten Reformen überzeugen

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STUTTGART.  Je näher die Landtagswahl rückt, desto höher wird der Druck auf Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Sein Ressort könnte sich 2016 als Achillesferse der Landesregierung erweisen. Denn in Umfragen zeigen sich rund 60 Prozent der Bürger unzufrieden mit der Bildungspolitik von Grün-Rot. Stochs Aufgabe ist es, in den verbleibenden gut eineinhalb Jahren die angestoßenen Reformen umzusetzen, die Schullandschaft wieder in ruhigere Bahnen zu führen – und zugleich seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten.

Führt eines der schwierigsten Ressorts in Baden-Württemberg: Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Foto: Sven Teschke/Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)
Führt eines der schwierigsten Ressorts in Baden-Württemberg: Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Foto: Sven Teschke/Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)

«Die Bildungspolitik wird für die Landtagswahl entscheidend sein. Es muss Stoch gelingen, zu vermitteln, dass die bisherige gegliederte Schulstruktur nicht weiter bestehen kann», sagt die Landeschefin der Lehrergewerkschaft GEW, Doro Moritz. Grün-Rot möchte ein Zwei-Säulen-Modell mit dem Gymnasium und einer integrativen Schule.

Auf Stoch warten große Herausforderungen wie die Integration behinderter Kinder in die allgemeinen Schulen (Inklusion). Wie viel Fingerspitzengefühl diese komplexe Aufgabe verlangt, hat der Fall des Jungen Henri mit Down-Syndrom vor Augen geführt. Stoch pirscht sich langsam an das Thema heran, nachdem er das Gesetz zum Aus für die Sonderschulpflicht um ein Jahr auf 2015 verschoben hat. Kurz vor der Sommerpause legte Stoch die lang erwarteten Eckpunkte dafür vor. Die CDU pocht darauf, dass die Sonderschulen als Option für Eltern erhalten bleiben und nicht durch «Ressourcenentzug» ausbluten.

Was steht sonst noch im Schuljahr 2014/15 an? Die Regierung will mehr Realschulen für den Ausbau ihres Prestigeprojektes, der Gemeinschaftschule, gewinnen. Unter den 209 Gemeinschaftsschulen im neuen Schuljahr sind nur 16 ehemalige Realschulen. Gymnasien fehlen ganz. Moritz meint: «Ein wichtiger Faktor für den Aufbruch im Schulsystem ist, dass die Realschulen für die Zukunft gewonnen und zu Gemeinschaftsschulen umgewandelt werden.»

Außerdem will das Land beim Ausbau der Ganztagsschule nachziehen und diese peu à peu flächendeckend einführen. Beide Konzepte sollen die Bildungsgerechtigkeit im Südwesten verbessern. Die begonnene regionale Schulentwicklung soll ermöglichen, dass die Schüler alle Schulabschlüsse in zumutbarer Entfernung ablegen können und keine weißen Flecken auf der Bildungs-Landkarte entstehen.

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Nach der Aufregung um das Thema Akzeptanz sexueller Vielfalt steht zudem die Reform der Bildungspläne mit einer bereiteren Auslegung des Toleranzbegriffs auf Stochs Agenda. Neu eingeführt werden soll ein gemeinsamer Plan für die 5. bis 10. Klasse, der die Durchlässigkeit zwischen den Schularten erhöhen soll. Für das achtjährige Gymnasium wird ein eigenständiger Bildungsplan erarbeitet.

Angesichts der Aufgabenfülle werfen Lehrerverbände der Regierung immer wieder vor, sich zu verzetteln. «Die Landesregierung sollte Schritt für Schritt vorgehen und nicht mit der Planierraupe», meint etwa der Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Michael Gomolzig. Die grün-roten Reformen seien eben nicht ressourcenneutral umzusetzen. Moritz fragt allerdings: «Auf was hätte man verzichten können? Sehr viele Baustellen hat Grün-Rot von der CDU geerbt.»

In der Debatte um Einsparungen im Landesetat werden Stoch weiter Abwehrkämpfe beschäftigen, auch wenn die einst von Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) genannte Zahl von 11.600 abzubauenden Stellen bis 2020 endgültig vom Tisch ist. Jetzt steht die Zahl 8600 im Raum. Im kommenden Schuljahr sollen nur 363 statt der ursprünglich geplanten 1200 Stellen abgebaut werden. Angesichts unsicherer Prognosen über die Schülerzahl will die Landesregierung nun Jahr für Jahr überprüfen, wie viele Stellen tatsächlich wegfallen könnten, ohne dass Unterrichtsversorgung und -qualität leiden.

Die Opposition wirft Grün-Rot angesichts der Zahlenspiele Chaos vor. CDU und FDP stoßen sich vor allem an der Gemeinschaftsschule. CDU-Schulexperte Georg Wacker verlangt für alle Schularten im Land eine gleichwertige Unterstützung. «Es kann nicht angehen, dass nach wie vor die Gemeinschaftsschulen eklatant bevorzugt werden», betont er mit Blick etwa auf den geringeren Klassenteiler für diese Schulart. Nach der Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung bräuchten leistungsschwächere Schüler besonders in den unteren Klassenstufen an Realschulen und Gymnasien Unterstützung. Von Julia Giertz, dpa

Zum Bericht: Radikale Kehrtwende? Möglicher Kretschmann-Konkurrent Wolf will „völlig anderes“ Bildungssystem

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3 Kommentare
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drd
9 Jahre zuvor

Tja, was soll man dazu kommentieren, außer, dass diese Sozialisten das gute Schulsystem in nur zweieinhalb Jahren komplett ruiniert haben und den studierten Profis erklären, was eine „richtige“ Pädagogik sei. An dieser Stelle kann man nur Rousseau zitieren: Es gibt keine richtige Pädagogik in einer falschen Welt.

Reinhard
9 Jahre zuvor

… Siehe die Schließung der Realschule in Salem, obwohl sich (trotz Behinderung durch die Lokalpolitik) eine volle 5. Klasse angemeldet hatte. Aber die Zeit wird knapp für Grün-Rot, in 1,5 Jahren alle Realschulen kaputtzumachen.

Jörn
9 Jahre zuvor

Vor der Wahl hatte SPD versprochen, an dem gut funktionierenden Schulsystem nichts zu ändern. Innerhalb von 2,5 Jahren haben sie es in einen desolaten Zustand versetzt, wie es das nur zur Kriegszeiten oder im vorletzten Jahrhundert gegeben hat. Wenn es um die Durchsetzung pädosexueller Interessen geht (denn alle Vordenker haben sexuelle Beziehungen zu Kindern für problemlos oder möglich deklariert und darauf ihre Pädagogik aufgebaut) spielt eine gute Bildung keine Rolle mehr. Die Fantasien perverser Politiker steht im Widerspruch zu dem Kindswohl. Man muss aber auch sagen, dass das Volk äusserst unaufmerksam war. Es wäre gefordert gewesen, einzuschreiten als die Theorien von Kinsey, Foucault, Butler usw. zur staatlichen Doktrin erhoben wurden.