„Fehltageblatt“ für jeden Lehrer soll helfen, Krankenstand in Schulen zu senken

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DÜSSELDORF. Die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen geht offenbar verstärkt gegen den Krankenstand unter der Lehrerschaft vor. Die 5800 Schulen in NRW sollen Krankmeldungen schneller und umfassender an die vorgesetzten Behörden melden. Dies berichtet die „Rheinische Post“. Denjenigen Kräften, die häufiger fehlen, sollen Gespräche angeboten werden. Lehrerverbände wie der VBE zeigen sich skeptisch.

Krankentage von Lehrern in Nordrhein-Westfalen sollen künftig genauer erfasst werden. Foto: Tim Reckmann / pixelio.de
Krankentage von Lehrern in Nordrhein-Westfalen sollen künftig genauer erfasst werden. Foto: Tim Reckmann / pixelio.de

Die Initiative steht augenscheinlich im Zusammenhang mit der Ankündigung von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) im Landtag,  ausgefallene Unterrichtsstunden in NRW zukünftig wieder erfassen zu wollen. Darauf hatte sie in den vergangenen vier Jahren – insbesondere zum Unwillen von CDU und FDP – verzichtet. Rot-Grün habe die Stichproben-Erhebungen der schwarz-gelben Vorgängerregierung eingestellt, weil sie ungenau, „unglaubwürdig“ und „umstritten“ gewesen seien, hieß es.

Jetzt soll offenbar genauer ermittelt werden. Nach einer schon im August versandten Verfügung der Bezirksregierung Düsseldorf, so berichtet die „Rheinische Post“, sollen Schulleiter für jeden Lehrer ein „Fehltageblatt“ anlegen, in dem sie auf einem Computer die Ausfallzeiten erfassten. Jeder Lehrer, der an einem Stück oder innerhalb eines Jahres sechs Wochen wegen Krankmeldung ausgefallen sei, müsse so gemeldet werden. Statt die Krankmeldungen nur in die Personalakte aufzunehmen, soll Betroffenen mit vielen Fehlstunden so schnell wie möglich ein Gespräch vorgeschlagen werden. Ziel sei dabei, dass mit den betroffenen Pädagogen offen darüber gesprochen werde, ob sie Unterstützung oder eine Kur brauchen, oder ob es vielleicht besser wäre, wenn sie ihre Arbeitszeit reduzieren. Damit solle auch verhindert werden, dass Lehrer sich schon mit Ende 50 dauerhaft als dienstunfähig melden.

Schulleitungen könnten demnächst Krankheitsfälle elektronisch an die Bezirksregierungen melden, so erklärte eine Sprecherin des Schulministeriums. Voraussetzung sei aber, dass die Hauptpersonalräte aller Schulformen dem Vorhaben zustimmen. „Wir nehmen das gesetzliche Ziel einer besseren Wiedereingliederung kranker Kollegen ernst“, so zitiert sie die „Rheinische Post“. Wie für alle anderen Arbeitnehmer in Deutschland gelte auch für Lehrer: Der Arbeitgeber muss ihnen ein Gespräch anbieten, sofern sie binnen zwölf Monaten sechs Wochen lang – am Stück oder insgesamt – krank waren. Der Pädagoge könne auf ein solches Angebot der Bezirksregierung hin mit Schulleitung oder Schulaufsicht sprechen oder auch ablehnen, erläuterte die Sprecherin. An dieser bundesgesetzlichen Bestimmung ändere sich nichts.

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„Es ist fraglich, ob jede Fehlstunde einer Lehrkraft einzeln gemeldet werden muss“, sagt Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). „Eine zuverlässige Stichprobe würde ausreichen, um ein schlüssiges Bild des Unterrichtsausfalls zu ergeben. Dabei muss ausnahmslos jeder Unterrichtsausfall erfasst werden. Wenn eine Lehrkraft gleichzeitig zwei Klassen beaufsichtigt, sieht es nur auf dem Papier so aus, als würde kein Unterricht ausfallen – diese Art der Erhebung kaschiert die Realität.“ Auch die unbezahlten Mehrarbeitsstunden, die Lehrkräfte für ihre erkrankten Kollegen erteilen, müssten in diese Berechnung einfließen. Beckmann: „Wer eine verlässliche Schule will, darf nicht im Trüben fischen.“

Die Erfassung der Krankheitstage, die die Landesregierung anstrebe, dürfe aber auch nicht als Pranger für Lehrkräfte enden: „Erfassen ist das eine – aber die Landesregierung muss als Arbeitgeber auch die Hintergründe erforschen und anschließend auch Konsequenzen ziehen. Bisher weiß das Land zum Beispiel noch nicht mal, wie viele Burn-out-Fälle es in der Lehrerschaft gibt. Das zeigt, dass die Landesregierung ihre Aufgabe als Gesundheitswahrer und -vorsorger nicht hinreichend erfüllt“, meint Beckmann. „Wer Lehrkräften zu wenig Zeit für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts gibt und wer ihnen ständig neue Aufgaben zuweist, ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen mitzuliefern, muss sich nicht wundern, wenn die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage immer weiter steigt“, betont Beckmann. „Das, was die Landesregierung bisher leistet, reicht als Prävention bei weitem nicht aus.“ Viele Krankheitsfälle und der damit verbundene Unterrichtsausfall könnten nur durch mehr Personal vermieden werden. Der VBE fordert deswegen eine Vertretungsreserve von acht Prozent, die an jeder Schule vorhanden sein müsse.

Für den Krankenstandsbericht der Regierung sollen die Krankheitstage nicht nach Kommune, Schule oder gar einzelnem Lehrer gemeldet werden, wie die Ministeriumssprecherin betonte. Der Bericht werde auf Landesebene und in Prozent lediglich angeben, in welcher Schulform es zu kurz-, mittel- oder langfristigen Erkrankungen kam. Es werde sichergestellt, dass keine einzelnen Pädagogen oder Schulen erkennbar seien. Es gehe um Gesundheitsförderung, keinesfalls um eine Kontrolle der Lehrer, betonte die Sprecherin. News4teachers / mit Material der dpa

Zum Bericht: CDU sammelt Meldungen über Unterrichtsausfall in NRW

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Storb
9 Jahre zuvor

Lol. Rot-grün mal wieder bei der einzigen Sache, die sie zuverlässig hinkriegen: Der Schaffung bürokratischer Strukturen.

Den Kommentar sollte ich irgendwo abspeichern. Passt eigentlich immer, vor allem in Nordrhein-Westfalen.

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  Storb

Richtig, als ob die Schulleitung nicht schon genug zu tun hat. Diese Datenerhebung kann man aber auch nicht an das „niedere Volk“ umverteilen, weil es nur böses Blut geben wird. Außerdem wird hier wieder jeder Lehrer unter Generalverdacht gestellt. Vielleicht ist das ein weiteres Mittel, ungeliebte Kollegen in den Vorruhestand zu loben.
(Niederes Volk ist hier alles, was nicht Schulleiter oder stellvertretender Schulleiter heißt.)

Ganz unabhängig davon: Ist die Erhebung wirklich so aufwändig, wenn die Vertretungspläne elektronisch erstellt werden?

drd
9 Jahre zuvor

Ein Rücklauf von fast 50% ist doch, rein wissenschaftlich gesehen, phantastisch, und natürlich sehr wohl stichhaltig und aussagekräftig. Übrigens ist das Problem nicht nur an den Gymnasien dramatisch.

alexander
9 Jahre zuvor

… wird eigentlich auch den Landtagsabgeordneten, die häufig bei Plenarsitzungen im Parlament fehlen, ein „Gespräch angeboten“?…